sie. Es ist, als besäße die Welt die rechte Akustik
nicht sür sie. Der Ton verklingt oder wird falsch zu
rückgeworfen.
Ich bemerkte das mit Staunen zuerst bei Corne
lius lezten Cartons, deren Gedanken zu mächtig sind,
um sich zu einem Reizmittel für das gewöhnliche In
teresse des Tages verbrauchen zu lassen. Die große
Menge eilt an ihnen vorüber. Es sind keine Einzeln-
heilen da, die man bequem überschauen und bewundern
könnte. Es sind untheilbare, große Gedanken. Es fehlt
der richtige Instinkt, die Mitte zwischen Nähe und Weite
zu finden, welche allein den Standpunkt gibt, von dem
aus solche Werke betrachtet werden müssen.
Ohne hier die beiden Männer zu vergleichen, komme
ich zum leztenmal auf Alfieri zurück. Es liegt in sei
nen Dichtungen eine Größe des Charakters, eine Lei
denschaft, eine dramatische Organisation, die gewiß
einst so allgemein erkannt werden, wie alles, was be
deutend und schön ist. Sein Denkmal steht zu Florenz
in derselben Kirche, in welcher Michel Angelo begraben
liegt. Eine würdige Nachbarschaft für den Dichter und
keine unwürdige für den Bildhauer, der so einsam war
und so gewaltige Werke geschaffen hat.
Bereich der Kunst, alles andere, selbst das Lobenswerthe,
Erträgliche in den des Handwerks. Handwerksmäßig
dargestellt sind die Tragödien Alfieri's eine Unmöglich
keit. So kann nur der Zufall darüber entscheiden, ob
wir von den übrigen die eine oder die andere einst in
ihrer ganzen Tiefe kennen lernen. Bis dahin sind es
schlafende Gestalten, "welche auf den Zauber warten,
der ihnen Leben und Bewegung gibt.
Alfieri's isolirte Stellung in der Literatur ist keine
vereinzelte. Der Verkehr der europäischen Völker war
auch in den vergangenen Zeiten (und es sind erst we
nige Jahre verflossen, seitdem diese ihren Abschluß fan
den,) ein so lebhafter, daß eine bedeutende Erscheinung
in Kunst und Wissenschaft ihrem Effekte nach nicht bloß
auf das Land beschränkt war, dessen Forderungen stein
erster Linie zu genügen strebte. Heute aber wirkt jeder
wahre, ächte Gedanke, wo er auch auftauche, fast au
genblicklich nach allen Seiten, ja selbst Mittelmäßiges
fliegt über den ganzen Erdkreis, um der unersättlichen
Neugier zu dienen. Manche Erscheinungen aber sind
der Art, daß sie gleichsam verschleiert bleiben, und offen
daliegend vor aller Augen unbemerkt scheinen, als fehlten
Berlin, im November 1855.
Verse von Instinus Kerner.
Sie schwieg, man sah kein Wölkchen schweben,
Kein Lufthauch bog den Halm der Flur,
Sie schwieg, weil sie nur wiedergeben
Kann, was ihr einhaucht die Natur.
Winterblüthen
Auch der Winter will noch blühen; Rosen, Tulpen,
dieß und das,
Blumenfreunden zur Ausstellung, haucht er an daö
Fensterglas.
Duftlos wohl sind seine Blüthen, farblos wohl, von
Schnee und Eis;
Doch Natur läßt ihn gewähren, denkt: — der Winter
ist ein Greis!
Die Bergpredigt.
Gäb es eine Memnonsjäule, eine Tuba mächtig groß,
Die, was einst auf jenem Berge aus des Heilands
Munde floß,
Tönen könnte jeden Morgen mit der Sonne erstem
Strahl
Aus dem lichten Raum des Himmels nieder in das
Erdenthal,
Daß es allen Völkern würde hörbar und verständlich
Eine Fabel.
Der Dudelsack an einem Tage
Zur stummen Aeolsharfe sprach:
„Du schweigst? Gut! gut! laß deine Klage,
Tön' meine lust'gen Tänze nach!"
Morgcnblatt. 1855. Nr. 52.