Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Erzählungen und Gedichte

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 26 
fl 
Morgentrl all 
für 
gebildete Leser. 
Ur. 5. 3. Februar 1856. 
l» breadth, variety and colour the features of the New World Iranscend ihose of the 
Old. The Ithine wonld run like a mere tliread through the Mississippi; the mounds 
of the great American valley are probably older than the pyramids and the lSlruscan 
Walls. Who bas solved the mystery of the Azlecs? Who has louched the sad and 
tender chords of Indian story? Who has seized the poetic sealures of the Hed Man? 
Surely here are fine materials for the true poetl — America has found a Paclolus 
within her border: why should not her poets endow her wilh a new Parnassus? 
The Alhenacum. N'ovbr. 18öä. 
Indianische Mythen. 
(Henry Wadsworth Longfellow: 
Longfellow, scheint es, strebt mehr und mehr 
nach dem Ruhme eines nationalen, eines specifisch ame- ! 
Titanischen Poeten. Viele seiner lyrischen Gedichte be 
handeln heimathliche Stoffe: in seiner »Evangeline« gibt 
er uns in den frischesten und unmuthigsten Lokaltinten ! 
ein ergreifendes Bild altcanadischen Colonistenlebens; 
und sein neuestes größeres Werk, »the Song of Hia- ! 
watha« (kürzlich in Boston und London gleichzeitig ' 
erschienen), führt uns sogar zu den Nothhäuten, mitten 
hinein in den Urwald und an die großen Seen. Nicht ! 
zwar auf dem breitgetretenen Pfade Coopers und sei 
ner Nachzügler: was uns der Dichter nahe bringen ! 
will, ist die Sage, die sinn-'und phantasievolle Sage, 
und in ihrem Spiegel der Gang der Gesittung des ro 
then Mannes. „Der Sang von Hiawatha" („eine in 
dianische Edda," wie der Verfasser das Buch gern 
nennen möchte) beruht auf der Jndianertradition von 
einem Helden, der, eine Art Herkules und Cadmus in 
Einer Person, in unvordenklicher Zeit bei den India 
nern erschien, ihre Wälder lichtete, ihre Flüsse schiffbar 
machte, Zauberer und Ungethüme niederrang und die 
bis dahin nur kriegführenden Söhne des Urwalds ! 
Morgenblatt. 1856. Nr. 5. 
The Song of Hiawatha. London, 1855.) 
und der Steppe in den Künsten des Friedens unter 
wies. 
Diese Tradition, in einer Reihe von Abenteuern 
(oder wie wir die Abschnitte des Gedichts sonst nennen 
wollen) schlicht und prunklos erzählt, bildet die Kette 
von Longfellows epischem Gewebe; andere charakteristi 
sche Ueberlieferungen hat er mit großem Geschick als 
Einschlag benuzt. Das Ganze läßt sich füglich als ein 
indianischer Sagenschatz in poetischer Form bezeichnen. 
Quellen des Dichters sind vornehmlich die Werke von 
Schoolcraft, Catlin und Heckewelder gewesen. School- 
craft, erfahren wir aus den unserem Buche angehäng 
ten Noten, hat den Mythus von Hiawatha, in seiner 
irokesischen Version, zulezt aus dem Munde eines Onon- 
dagahäuptlings niedergeschrieben und im dritten Theile 
seiner »History, Condition and Prospects of the In 
dian Tribes of the United States« mitgetheilt. 
Auswahl, Anordnung und Einkleidung des vorge 
fundenen Stoffs sind natürlich das Verdienst des nach 
bildenden Dichters. Und hier, glauben wir, können 
wir Longfellow nicht genug Lob zollen. Er ist mit 
Liebe nicht allein, er ist auch mit Mäßigung und 
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