Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Erzählungen und Gedichte

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Und nichts stört um sie her die unbarmherz'ge Ruh', 
Als nur der Wetterhahn; dem hört sie traurig zu, 
Wie er im Rost sich dreht, und denkt, es sey Musik, 
Und denkt dann an Berlin und an die Zeit zurück, 
Wo um denselben Stand der winterlichen Sterne 
In allen Straßen summt das Festgeräusch von ferne, 
Und überall, wo sie jetzt eine Kön'gin ist, 
Man sie vergeblich sucht, betrauert und vermißt. 
Karl (melancholisch). Sie haben Recht. — 
Baron. Und doch, das ist des Herzens Trug, 
Die Fälle kommen vor, und leider oft genug, 
Wo, ganz wie ich erzählt, ein Mädchen so verschwindet, 
Und, Gott weiß irgendwo, sich einem Mann verbindet, 
Der, Egoist genug, das Opfer froh empfängt, 
Und lacht, wenn sie sich in das dumpfe Leben zwängt. 
Nach ein'gen Jahren kommt das Paar und zeigt sich wieder, 
Die Frau kam währenddem vier, fünfmal richtig nieder, 
Sieht mager aus uud hat die Hände aufgesprungen, 
Spricht einen rauhen Baß, die reizend sonst gesungen, 
Sagt, daß sie glücklich sey — mein Gott! ich glaub' es ihr — 
Spricht nur von Spiritus, Oel, Seife, Essig, Bier, 
Sieht sich Kochherde an und kauft, das arme Huhn, 
Für's Mägdepersonal zum heil'gen Christ Kattun. 
Ich werf' ihr das nicht vor. Ich frage nur: ihr Mann, 
Als er sie sich geholt, warum hielt er nicht an 
Im ersten besten Dorf, wo allen Menschen ferne 
Ein Nachbar Töchter hat, die er von Herzen gerne 
Einzeln wie insgesammt losschlüge und vermählte, 
Wobei der Bräutigam und nicht das Mädchen wählte? 
Warum kommt er zu uns, um sich mit tausend Müh n 
Ein armes zartes Kind zur ersten Magd zu ziehn? 
Die duft'gen Blüthen all, die ihr im Geiste liegen, 
Mit ungeschlachtem Pflug tief unter'n Sand zu pflügen? 
Karl. Ja, ja (traurig.» 
Baron. Sie, die bei uns die ganze Welt erheitert, 
So manches Herz belauscht, so manches froh erweitert, 
Das Kleinste, was geschieht, indem sie's hübsch belacht, 
Zu einem reizenden Ereigniß uns gemacht, 
Geschlichtet, was verwirrt, versöhnt, wag feindlich war, 
Jed' Knötchen aufgelöst, und es zerriß kein Haar, — 
Die soll fortan den Reiz des schönen Munds erschöpfen 
An Bauernmädchen mit grob tölpelhaften Köpfen, 
Die sie in nichts verstehn, bis daß sie endlich schlecht 
Die grobe Sprache selbst mit ihnen radebrecht, — 
Unb weil sich anders nichts in diese Geister impft, 
'L'ie anfährt, schilt, zuletzt wie ein Inspektor schimpft, 
Weil, wenn sie's unterläßt, die Arbeit nicht geschieht, 
Und schweigend das der Mann mit nnirr'schen Blicken sieht! 
Gott steh' ihr bei, welch Loos! Die Frau ist zu bedauern, 
Die es betraf, und die's gewohnt wird, zu betrauern. 
Karl. Ich stimme völlig bei. Sie haben Recht, gewiß. 
Der Unterschied ist ein bedeutend Hinderniß. 
Und ein Verbrechen wär's ... Wahrhaftig ... darf ich fragen ... 
^st Alles ... was Sie da als Ihre Meinung sagen, 
Vielleicht nicht ... nein! ... das heißt ... mit Einem Wort, 
ich bin ... 
Sprach Fräulein Julie vielleicht in diesem Sinn 
Vom Lande? 
Baron. Ja. 
Karl (rasch). Vielleicht auch hier sogar? 
Baron. Gewiß, 
Mein bester Mcrgelbach. Daß sie sich's merken ließ, 
Fällt mir nicht eben auf, denn sie ist im Exil 
Sechs Wochen hier bereits, und das ist etwas viel. 
Karl. Sehr lange freilich. — 
Baron (zur Thür hinaussehend). T)ort! — da gehn sie in der That! 
Kein Schirm, kein Hut, kein nichts! - Nein, das ist Hochverrath! 
Sie liest! im Sonnenschein! Nein, das wird nicht gelitten, 
Ich geh' und lese ihr gehörig die Leviten! (ab durch die Mitte.) 
Karl. Thor, der ich war! So dumm mit ihr dahinzugehn, 
Mit fremdem Auge erst den Abgrund zu ersehn! 
Die Zukunft rosenfarb betrüg'risch aufzubau'n. 
Und jetzt die Wahrheit nun so aschengrau zu schau'n! — 
Und um ein solches Ding von einer Puppe gibt 
Sie mich auf, den sie doch, wär's einen Tag, geliebt! — 
Er sprach in ihrem Sold! Und hätt' er's nicht gethan, 
Das, was er sprach, ist wahr, und reißt mich aus dem Wahn; 
Und klag' ich einen an, der mich betrog, so sey'S 
Kein and'rer als ich selbst. Im Herzen ist mir heiß; 
Fort will ich! Fort nach Haus! Was braucht's viel Abschied hier? 
Den ihren hab' ich schon, sie will ihn nicht von mir. 
Fort! länger bleib' ich nicht, nutzlos, zu überlegen; 
Ich kann's, bin ich allein im Walde auf den Wegen. 
(Blickt um sich.) Vielleicht begegn' ich ihr? Das trüg' ich nicht! 
Ich schreibe 
Drei Worte nur, womit ich sage, wo ich bleibe. 
Den Ring leg' ich hinein. 
(Will nach links ab. als ihm Emma entgegen kommt, derer ausweicht, 
um das Zimmer zu verlassen.) 
Emma. Wohin? 
Karl. Ich' gnäd'ge Frau — 
Bin eilig sehr. Ich muß abreisen. 
Emma. Und genau 
In diesem Augenblick? 
Karl. So bald als möglich. 
Emma. H"M ~ 
Ich bin nicht indiskret — doch fragt' ich gern warum? 
Karl. Ich muß! 
Emma. Das ist ein Grund. Doch, leg'ich mich auf's bitten, 
Hör' ich den zweiten auch — vielleicht sogar den dritten? — 
Warum? 
Karl. Verzechn Sie mir. .. 
Emma. wie? im Garten geht 
Dort Julie aus und ab — und weiß doch, wie es steht? 
Und Sie? — Sie reisen ab? Was soll denn daö bedeuten? 
Und so auf Knall und Fall — geht man so von den Leuten? 
Karl. Ich fühle, gnäd'ge Frau, den Vorwurf. Aber Ihr 
Fräulein Cousine wird schon sagen, was von mir 
Hier unerörtert bleibt. 
Emma. Fräulein Cousine? — was? 
Warum nicht Julie, Karl? —Jetzt, was bedeutet das! —? 
Ich rede ernsthaft. 
Karl. Ich, bin's gleichfalls. 
Emma. Seyn Sie künftig, 
Wenn ernsthaft nicht genügt, auch nebenbei vernünftig! 
Was ist geschehn? Warum dieß räthselhafte Spiel? 
Fort mit der Ironie, und kommen wir zum Ziel! 
Warum gehn Sie? 
Karl. Weil mich das Fräulein fortgeschickt. 
Emma. Mit ihrem eignen Wort?
	        
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