488
Jtalien. Gute Nacht." Mit diesem Wunsche, dem eine
äußerst verbindliche Verbeugung folgte, wandte sich Albert
ab und sezte langsam seinen Weg fort.
Der junge Mensch stand einen Augenblick wie
einer, dem ein Schuß dicht vor den Ohren unerwartet
abgeschossen wird. Er ließ Emmas Verlobten ein
Dutzend Schritte thun, sprang ihm nach und stellte sich
ihm in den Weg. „Nach Italien reisen Sie?" — „Ja,
Herr von M....." — „Und die jungen Damen eben
falls?" — „Auch die jungen Damen, deren Bruder
bereits dort ist, wie Sie vielleicht gehört haben." —
„Und Sie gehen auch mit ihnen?"
Albert zögerte, hierauf zu antworten. Es war
noch hell genug, um sich erkennen zu können. Emil
athmete, wie wenn er eine weite Strecke in rasendem
Laufe zurückgelegt hätte. Er sah ihm in die Augen
und Albert firirte ihn durchdringend, sein Blick schien
mit dem seines Gegners kämpfen zu wollen, dieser aber
leistete ihm Widerstand. „Ja wohl, ich gehe gleichfalls
dahin, und mit meinem Freunde, und mit seinen Töch
tern," sagte er langsam. „Warum? interesiirt Sie das?"
In dieser Ruhe lag etwas schneidendes — denn sie
wußten beide genau, einer vom andern, was er dachte
und wollte — etwas beleidigend herausforderndes. Emil
besann sich nicht lange. „Sie sind mit Fräulein Emma
verlobt?" rief er aus. Er verstand es nicht auf Um
wegen^ den Kampf zu beginnen, er ging gerade auf's
Centrum los.
Albert war durchaus nicht aufgeregt, sondern in
der That so ruhig, wie er sprach und auftrat. Kalten
Blutes überlegte er mit sich: „Drehst du ihm einfach
den Rücken zu, wie einem jungen Menschen, der dir
gegenüber fast noch ein Kind ist, oder gibst du ihm
eine Antwort, auf die ein Paar Pistolen folgt, oder
endlich suchst du ihn so sanft als möglich bei Seite zu
schaffen, wie man einem Bettler, den man beim Steh
len ertappt hat, doch ein Stück Brod gibt und ihn
leise zur Thür hinausschiebt, der Bequemlichkeit wegen?"
Dieß schien ihm das beste zu seyn. „Ja, ich bin mit
Fräulein Emma verlobt," antwortete er milde. —
„Und Emma liebt Sie?" — Das klang noch leidenschaft
licher. — „Danach fragt man nicht!" antwortete er
schärfer. — „Ich frage aber danach!" — „Ich höre es,
Herr von M.!" — Albert hätte auflachen können, so
komisch kam ihm das Gespräch vor. — „Und ich sage,
sie liebt Sie nicht!" rief Emil, den es in immer größere
Aufregung sezte, daß man ihm so kühl und ruhig ab
wehrend Rede stand. Ueber den Accent aber, mit dem
er dießmal gesprochen hatte, triumphirte das kalte Blut
des Mannes nicht. ES durchfuhr ihn etwas und klopfte
ihm in den Schläfen. „Was gibt Ihnen das Recht,"
fuhr er auf, „mir hier über eine Dame Aufschlüsse zu
geben, die Ihnen unbekannt ist, und von der Sie selbst
annehmen, daß sie mir sehr nahe steht? Glauben Sie,
ich wäre der Mann, um mich auf dergleichen Gesprächs
einzulassen? Gehen Sie. Werden Sie zehn Jahr älter
als sie sind und antworten Sie sich dann selbst in
meinem Namen, was Sie als Erwiederung hier ver
dienten! Gute Nacht, Herr von M."
Mit diesen Worten wollte er ihn stehen lassen,
aber es huschte etwas Weißes heran; kein zahmes weißes
Reh, das über den Weg sprang, nein, das hätte nicht
so unschuldig ausgelassen aufgeathmet. Das Kind war
cs, das sich an Alberts Arm hing und wie durch Zau
berei plötzlich zwischen beiden Männern stand.
„Komm, liebste Emma," sagte ihr Verlobter und
wollte kurz mit ihr umwenden. Aber das Mädchen ließ
Alberts Arm los, unbewußt, als wollte sie ihn nicht
zurück halten, und sah den an, der ihr so nahe gegen
über stand. „O, Sie sind es!" rief Emil, und die
Thränen stiegen ihm in die Augen. Dann kniete er
vor ihr nieder, so leicht, so schlank, als wäre es zum
erstenmal, daß ein Mann vor einer Frau kniete, als
hätte niemals auf dem Theater ein Held vor seiner
Dame diese Stellung angenommen.
Das Kind schwieg und sah ihn an, und eS war
ihm, als wäre die von der Dämmerung verhüllte Ge
stalt des Jünglings leuchtender als die untergehende
Sonne, so geblendet ruhten seine Blicke auf ihm. Aber
auch Albert sah plötzlich klarer, als er vordem gethan;
er fühlte, daß hier der Punkt war, wo eine Schlacht
verloren wird, oder gewonnen. Seine Besonnenheit
blieb ihm treu; er ergriff still des Mädchens Hand,
legte sie wieder in seinen Arm und sagte mit gleich
gültigem Ton: „Wir gehen jezt, liebe Emma;" dann
zu Emil gewandt mit befehlenderer Stimme: „Sie er
warten mich hier, Herr von M., wir haben zusam
men zu reden."
Emil blieb unbeweglich auf seinem Platz, Emma
wandte sich mit Albert dem Hause zu, wo er sie in
das offen stehende erleuchtete Gartenzimmer führte und
zu einem Sessel geleitete. „Ich gehe jezt wieder zu
Herrn von M. hinaus," begann er, „und sage ihm,
du wünschtest, daß er fortginge. — Oder soll ich nicht?
Soll er lieber bleiben? Du bist frei; es kommt nur auf
ein Wort von dir an."
Frei! Lieber Himmel, sie saß da und dankte Gott,
daß ihr der Athem nicht ausblieb, denn die Kehle wollte
ihn durchaus nicht mehr durchlassen.
„Soll ich ihm das sagen, Emma?" wieder
holte er.
„Ja."