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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 20
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Kampfes in Graben und Schlachten hatt«» ihn mich mir gef
Im vollen Glauben an feine brausende Unüberwinblichkeit, die
in wenigen Wochen schon durchgesetzt haben würde, rvar er dav«.-
gerafft worden. Als einer der ersten. Und diese ersten Ver
lustnachrichten lvaren so erschütternd in ihrer Neuheit, wie die
ersten Schläge einer Glocke, die zu langem Trauergeläut anhebt.
Ja, so rasch schon hatte sich die bange Ahnung non Grotz-
maruas Geburtstag erfüllt. Nie mehr würden sw alle zusarmnem
wie an jenen: schon so fern scheinenden Morgen, in der Schloß-
kapellr der alten Orgel lauschen. Bei allem würde dieser Eine nur
immer fehlen. Und in der Reihe der Gedenktafeln, an dem Plob'
wo Großmama stets gedacht, daß ihr Name einst eingemeißelt
werden sollte, würde statt dessen nun seiner stehen. — Es fchum
unfaßbar, daß solch frohe Jugend, die vor wenig Tagen hier noch ?o
lebensvoll geatmet hatte, nun vernichtet sein sollte. Unfaßbar,
ungeheuerlich für die, die cs gerade traf, und die, geknickt von
Tror,er, nun zurückblieben — im großen Kriege geschehen, ledocy
nicht von mehr Belang, als wenn aus einer Sandwolkc, die der
Sturlnwind vor sich hersag t. ein Stäubchen zu Bo dm sinkt „um
liegenbleibt. llÜchts. Nur, daß in einen» kleinel:. Kreise Einer
fortan fehlte, daß tin paarcheiluehmeu.de Worte von Kor.uuundeur
und Kameraden kamen und ein rilhrvnd-unbcholfvms Briefchen
des Burschen über jenen letzten Ritt, auf dem er seinen Herrn be
gleitet. Dann noch das Eintreffen einiger Andenken, danmter
wohl verwahrt die ireiiigm Zeilen, die der Gefallene im Felde
noch aus der Heimat empfangen. Überbleibsel eines Lebens.
Großmama hatte dies bißchen, was nun alles war, in sein Zimmer
getragen und schloß es dann ab. In einem ulten Schloß ein
W.mmer, das nun nicht mehr gebraucht wurde, und in dsr Kreuz-
zeiumg eine Anzeige. Ja, das war alles.
Der ungeheure, graue Mrnschenstrom aber raste tueit-er Und
Ki? ™ J*]wc »l°!>!chb«rkeit eotfclgtftakl, ccvtaiwie er
006) schon Nachschübe.
. ( ®fSpn erhielt ein Telegramm. Mit zitternden Händen
öffnete sw es. Es lvar von dem jüngsten Enkel aus der Garnison
und besagte, daß die Ersatzschwadron ganz unerwartet rasch, in
zwe: Tagen schon, ausrücken würde.
Großmama machte sich gleich auf den Weg. Eigenes Bedürfnis
JöGi' es, dieses Jüngsten Ausfahrt mitzuerleben, und zugleich der
Gedanke, der sie in all den Jahre.» begleitet hÄte, die Enkel, soweit
«* ihr lag, nie die Eltern »ermissm zu lasse»», »venn sie sich
ihnen dabei auch freilich meist wie mit geschlossenem Disire zeigte,
uw. sie mir ja jeder »unnützen Weichheit zu entwöhnen. Eine
noch so kleine Reise »var in jenen Tagen aber ein Unternehmen.
Mirde von der Fahrt in überfüllten Zügen und dem irnlestimmtcu
Worten auf Bahnhöfen, ergriffen vorn ersten Zusammentreffen mit
Verwundeter» .»lud S an i tätsur nun schuften, rnit dem ganzen Apparat
des großen organisierten Kriegsloidens. kam Großmama endlich
abends in der kleinen Garnisonstadi an. Und war dann doppelt
froh, daß sie doch auch gekommen, denn bei" Gasthos des Ortes
war voll von Angehörigen der ausrückenden Freiwilligen und
Fahnenjunker. Es »var das Regiment, in dem die Krckslefitzers-
söhne de.r ganzen Gegend brrscnrdcrs gern Meuten; die zum Abschied
Gekommenen waren daher lauter Nachbarn und Bekannte, die
Ausrückenden Schulfreunde oder Korpsbrüdcr, Kameraden schon
lange vor dem Krieg. — Kurzgeschoren waren sie alle und steckten
schon in de»»» grauen Kmnrnerzeug, sahen dadurch schwerer und
unbeholfener als sonst, ihren Angehörigen Werst fremd aus,
manche auch etwas müde von dem ungewohnten scharfen Dienst
dieser wenigen ALlsvildlurgsroochen, alle aber erfüllt von großer
ernster Freude, mm auch an die Reihe zu kommen. Humor mrf den
Lippen, in den Augen aber ein Wisse»» von dein, was ihnen
draußen bevorstehen n»achte» m-d ein Bereltfeln zu allem, auch zum
Schwersten Eine Berklartbcil. die dem entsprang, daß das letzte
Opfer von jedem umer ihren innerlich gebracht war. — lind als
dein» Goliesb.eust, der am No-abend ihrer Abreise für die Aus-I
rückenden und ihre Angehörigen in der Gamrsorikirche ^»ebaucn ^
wurde, der Prediger sagte, daß sie keinen leichten Gang
sonder»» daß Hunger und Kälte, Schmerz und Tod ihrer lMrim»
ln» erbebten wohl die Verrvandten, aber aus all den jungen Augen
leuchtete n»»r m entschlossenes: und wenn auch, mögen sie 000)
kommen?
Bei frühstem Morgengrauen sEe die Ersatzschwadron onwü
»verden. Erster Herbstncbel lag gra»» und schwer über der sGe>e
den Stadt. Durch die noch leeren drmkeln Straßen hallte
Huffchlag nähernder Pferde cmf dem fmchten Pflaster, lange y
etwas von ihnen W sehen war. PLtzlich tarnhte gespensterhast ^
graue Zug auf, schon dlcht cm dein Gasthcms. Drunten m
Haustür standen schon worte»»d die Verwandten der Ausrückern«■
Bfe schloffen süh n»m dem Zuge an. Da waren Mütter, die, n^
dein Pferde schrottend, ihres Sohnes Hand hellen, Bare -
Schwestern, die Körbe voll Eßwarcn, Päckchen letzter Erinnerung^'
gaben trrrgen. Gwßmo-n»o wollte auch so nebe»» dein Eickel um*
gehen, hatte sich aber doch, auf Zureden aller Bekannten, be
quemen müssen, in einem Wagen zu folgen.