Full text: Zeitungsausschnitte über Elisabeth von Heyking

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 20 
Landschastsbild aus GriechefflanD: Eines der malerisch gelegenen Klöster im Tal von Kastraki. 
Da die Felsen keinen Zugang haben, müssen die Besucher in einem an Seilen befestigten Korb in die Höhe gezogen werden. 
„Einen gemütlichen Nachmittag wollte 
ich haben. Weißt, mair kriegt all den 
gesellschaftlichen Firlefanz satt." Frau 
Luise schenkte ihr die Tasse randvoll und 
schöpfte alle dicke Haut vom Rahm, um 
ihn auf der Schwester Kaffee zu häufen. 
„Du weißt gar nicht, wie gut Du's 
hast. Keine Sorgen, alles in Hülle und 
Fülle. Ich dagegen? Man hat so viel 
Verpflichtungen, die Leute halten ciueil für 
wohlhabeird . . ." 
„Deine Schuld. Warum machst Du so 
viel Pflanz?" 
„Die Stellung meines Mannes . . ." 
„Unsinn, Hermine! Jeder Mensch 
weiß, daß ein Staatsbeanrter du armer 
Schlucker ist." 
„Jeder Mensch weiß . . . Das sagst 
Du so. Man muß das Dekorum wahren." 
Frau von Tarnotzy sprang plötzlich ins 
kalte Wasser. „Ich wollt' Dich um einen 
Rat bitten, Luise. In einer gesellschaft 
lichen Frage. Lies den Brief, den mir 
Ihre Exzellenz, die Ministerin, geschrieben 
hat .... Was soll ich der Exzellenz 
antworten?" 
Luise legte das Briefchen vor sich hin 
und faltete die fetten, weißen Hände. — 
„Ro, antwort' ehrlich: Ich hab' keine 
hundert Kronen, oder ..." — der Hohn 
zückte feine blaute Klinge — „schreib', 
daß Du keine Zeit hast für die schöne Ab 
sicht, die Kinder verschämter Armen mit 
feinen, der Stellung ihrer Eltern ent 
sprechenden Kleidern zu versehen .... 
Das ist doch die Absicht der Exzellenz?" 
„Geht nicht, liebe Luise!" rief Frau 
von Tarnotzy und wand sich in Qualen. 
„Du mußt mir helfen. Du mußt einfach. 
Flugsaison in Aegypten: 
Der Aviatiker Olivier auf seinem Flug um die Pyramiden. 
Phot. Kurzrock & Curtis 
Borg' mir hundert Kronen. Ich zahl' 
Dir sie wieder. In Raten. Zehn Kronen 
den Monat." 
Frau Luise winkte mit der Hand ab. 
— „Keine Idee. Ein Handwerker ver 
dient schwer sein Geld." 
Fünfmal versuchte Frau von Tarnotzy 
den Sturm auf das Herz der Schwester. 
Dann setzte sie die letzte Reserve ein: 
sie versprach der Schwester ihr Geburts 
tagsgeschenk. So wahr ihr Gott helfe: 
sowie Tarnotzy ihr das Geld in die 
Hand legt, wird sie's der Schwester 
bringen. 
„So, so. Einen Marderkragen 
wünschst Du Dir? Wie ich einen 
hab'? Und opferst Deinen liebsten 
Wunsch dieser Narretei?" — Frau 
Luise verstummte und sah starr vor 
sich hin. Etwas wollte sie, die 
Klempnermeisterin, vor der Ministerial- 
sekretärin voraus haben: wenigstens den 
Marderkragen. 
Sie schloß die Kassette auf und 
legte ihrer Schwester zehn Goldstücke 
hin. — „Nichts zu danken. Ich werde 
mich bedanken, wenn Du's wieder 
zahlst . . . Erlaub', ich packe Dir noch 
den Kuchen ein — für Deine Jungen." 
Am andern Tage war sie bei der 
Exzellenz. Lächelnd legte sie das Geld 
in die brillantenblinkenden Hände. 
Luise las im Journal einen Artikel, 
der von Anerkennung troff über die 
neue Wohltätigkeitsregung der Damen. 
Unter den „Anwesenden" richtig auch: 
„Frau Ministerialrätin Hermine von 
Tarnotzy." — Dummes Ding! Dafür 
gibt sie den Pelzkragen hin! Bald darauf.
	        
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