© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 20
Landschastsbild aus GriechefflanD: Eines der malerisch gelegenen Klöster im Tal von Kastraki.
Da die Felsen keinen Zugang haben, müssen die Besucher in einem an Seilen befestigten Korb in die Höhe gezogen werden.
„Einen gemütlichen Nachmittag wollte
ich haben. Weißt, mair kriegt all den
gesellschaftlichen Firlefanz satt." Frau
Luise schenkte ihr die Tasse randvoll und
schöpfte alle dicke Haut vom Rahm, um
ihn auf der Schwester Kaffee zu häufen.
„Du weißt gar nicht, wie gut Du's
hast. Keine Sorgen, alles in Hülle und
Fülle. Ich dagegen? Man hat so viel
Verpflichtungen, die Leute halten ciueil für
wohlhabeird . . ."
„Deine Schuld. Warum machst Du so
viel Pflanz?"
„Die Stellung meines Mannes . . ."
„Unsinn, Hermine! Jeder Mensch
weiß, daß ein Staatsbeanrter du armer
Schlucker ist."
„Jeder Mensch weiß . . . Das sagst
Du so. Man muß das Dekorum wahren."
Frau von Tarnotzy sprang plötzlich ins
kalte Wasser. „Ich wollt' Dich um einen
Rat bitten, Luise. In einer gesellschaft
lichen Frage. Lies den Brief, den mir
Ihre Exzellenz, die Ministerin, geschrieben
hat .... Was soll ich der Exzellenz
antworten?"
Luise legte das Briefchen vor sich hin
und faltete die fetten, weißen Hände. —
„Ro, antwort' ehrlich: Ich hab' keine
hundert Kronen, oder ..." — der Hohn
zückte feine blaute Klinge — „schreib',
daß Du keine Zeit hast für die schöne Ab
sicht, die Kinder verschämter Armen mit
feinen, der Stellung ihrer Eltern ent
sprechenden Kleidern zu versehen ....
Das ist doch die Absicht der Exzellenz?"
„Geht nicht, liebe Luise!" rief Frau
von Tarnotzy und wand sich in Qualen.
„Du mußt mir helfen. Du mußt einfach.
Flugsaison in Aegypten:
Der Aviatiker Olivier auf seinem Flug um die Pyramiden.
Phot. Kurzrock & Curtis
Borg' mir hundert Kronen. Ich zahl'
Dir sie wieder. In Raten. Zehn Kronen
den Monat."
Frau Luise winkte mit der Hand ab.
— „Keine Idee. Ein Handwerker ver
dient schwer sein Geld."
Fünfmal versuchte Frau von Tarnotzy
den Sturm auf das Herz der Schwester.
Dann setzte sie die letzte Reserve ein:
sie versprach der Schwester ihr Geburts
tagsgeschenk. So wahr ihr Gott helfe:
sowie Tarnotzy ihr das Geld in die
Hand legt, wird sie's der Schwester
bringen.
„So, so. Einen Marderkragen
wünschst Du Dir? Wie ich einen
hab'? Und opferst Deinen liebsten
Wunsch dieser Narretei?" — Frau
Luise verstummte und sah starr vor
sich hin. Etwas wollte sie, die
Klempnermeisterin, vor der Ministerial-
sekretärin voraus haben: wenigstens den
Marderkragen.
Sie schloß die Kassette auf und
legte ihrer Schwester zehn Goldstücke
hin. — „Nichts zu danken. Ich werde
mich bedanken, wenn Du's wieder
zahlst . . . Erlaub', ich packe Dir noch
den Kuchen ein — für Deine Jungen."
Am andern Tage war sie bei der
Exzellenz. Lächelnd legte sie das Geld
in die brillantenblinkenden Hände.
Luise las im Journal einen Artikel,
der von Anerkennung troff über die
neue Wohltätigkeitsregung der Damen.
Unter den „Anwesenden" richtig auch:
„Frau Ministerialrätin Hermine von
Tarnotzy." — Dummes Ding! Dafür
gibt sie den Pelzkragen hin! Bald darauf.