Full text: Zeitungsausschnitt über Clemens Brentano und Ferdinand Freiligrath

essisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 17 
Goethe's M ä r ch e n 
Der neue Paris und Die neue Melusine. 
Bo» 
Heinrich Diintzcr. 
er künstlerisch abgerundeten 
Darstellung seines Lebens, 
welcher der Dichter den 
bezeichnenden, aber doch so 
Manche irreführenden Na 
men „Dichtung und Wahr 
heit" gab, wollte er zwei Märchen ein 
verleiben, von denen das eine der Knabe, 
das andere der vom Glücke der in seinem 
Herzen sich regenden Liebe zu Friederiken 
beseligte Jüngling erzählen sollte; jenes 
dachte er gleich im zweiten Buche, dieses 
im zehnten am Schlüsse des zweiten Thei 
les zu bringen. Er selbst bemerkt, das 
zweite verhalte sich zum ersten wie un 
gefähr der Jüngling zum Knaben; auch 
die Ueberschristen „Der neue Paris" und 
„Die neue Melusine" deuten auf ihre 
gegenseitige Beziehung. Das letztere mit 
der eigenthümlichen Bezeichnung nach der 
seit Rousseau's „neuer Helvise" beliebt 
gewordenen Weise (Goethe selbst hatte 
schon einen „neuen Pansias" und in etwas 
anderem Sinne einen „neuen Amor" ge 
dichtet) war das ältere; es ward im 
Sommer 1807 (Riemer nennt das fol 
gende Jahr) in Karlsbad vollendet, wahr 
scheinlich im Frühjahr zu Jena begonnen 
worden. Aber schon längst hatte es Goethe 
im Sinne gelegen, ohne daß ihm die ent 
sprechende Fassung gelingen wollte. Im 
Februar 1797 gedenkt er des „Märchens 
mit dem Weibchen im Kasten" gegen 
Schiller als eines diesem bereits bekann 
ten Sagenstoffes, und er hoffte dieses 
„Reisegeschichtchen", wie er es nennt, auf 
seiner Reise in die Schiveiz „zusammen 
schreiben" zu können. Wenn er damals 
äußerte, was noch idealistisch an ihm sei, 
werde in einem Schatullchen wohl ver 
schlossen mitgeführt wie jenes undcnische 
Pygmäenweibchen, so deutet undenisch 
auf die zu Grunde liegende Sage von der 
Melusine; denn die Fee Melusine gehört 
zuni Reiche der Undenae (Wassergeister), 
die auch als Ny mp hae bezeichnet werden, 
neben denen die drei übrigen Elemente 
auch ihre Vertreter haben, die Erde die 
Pygmaei (Zwerge), welche auch Gnomi 
heißen. Goethe machte zu seinem Zwecke 
aus dem Wassergeiste eine Zwergin und 
benutzte äußerst geschickt die ans das Zwer 
gen- und das Niesengeschlecht bezüglichen 
Volkssagen. 
Das andere Märchen wurde, wie ich 
aus einer bisher noch nicht benutzten An 
gabe in Goethe's Tagebuch feststellen kann, 
zu Jena am 3. Juli 1811 für „Dichtung 
und Wahrheit" dictirt, und für diese war es 
auch ohne Zweifel ganz eigentlich ersonnen. 
Zwei Tage vorher war Goethe von Karls 
bad an dem ihm lieb gewordenen, besonders 
seinem dichterischen Schaffen förderlichen 
Orte angekommen. Hier hatte er vor sech 
zehn Jahren die Idee zu seinem Märchen 
in den „Unterhaltungen", wie elf Jahre
	        

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