Full text: Zeitungsausschnitt über Clemens Brentano und Ferdinand Freiligrath

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Jllustrirte Deutsche Monats tiefte. 
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 17 
Saudlieder im Morgenblatt und das 
Letzte gehört zum Besten, was ich je ge- j 
lesen; hätten Sie nichts gedichtet als 
diese letzten paar Zeilen, Sie wären un- ' 
sterblich, wegen Wenigem, was das Ge- > 
gentheil von Rückerts Unsterblichkeit ist, 
denn, wenn einstens dessen Poetischer. 
Nachlaß veraucktionirt wird, können nur , 
die Unsterblichen bis ans Ende ans- ! 
harren. — Dann laß ich Ihr ganz vor- ! 
treffliches Gedicht auf Grabbes Tod, und 
fragte bei Cotta, wer Sie seyen; da 
hörte ich — ein Comtoirist in Barmen! 
— jetzt in Amsterdam, man wußte nicht 
recht Bescheid; — ich dachte, wenn er 
ein Kaufmann ist, so ist er ein weit nob 
lerer, als ihr, ihr kennt ihn nicht, und 
er kennt jeden Menschen, jedes Geschöpf, 
jedes Land seiner Lieder bis ins innerste j 
Leben. — Ich hörte, Ihre Gedichte wür 
den gedruckt, ich hatte das erste Exem 
plar, ich laß Ihre Lieder in 8 Tagen 
wohl 6 mahl mit immer neuer Bewunde 
rung vor. und thue es immer wieder und 
wieder mit stäts neuem Genuß. Ich 
habe das Buch wohl 8 mahl an Freunde 
verschenckt, allen tiefer Fühlenden ist es, 
ein neues poetisches Meteor. — Die 
Extravanganzen, die ich darüber äußerte 
sind im Durchschnitt, ich wollte, so man 
bei voller Gesundheit so dichten kann, 
lieber so dichten können, als wie Göthe, 
von Schiller ist gar keine Rede. Diese 
Poesie ist weit tiefer und reitzender als was 
Byron je vorgebracht hat, wenn er sich 
aber im Mindesten Viel darauf einbildet, so 
ist es Jammer Schade um ihn, denn dann 
ist alles keinen Schuß Pulver wehrt, der 
Hoffarth ist ein Neuntödter, er wirft alle 
nenne mit dem König um, und so weiter. 
— So ging es fort, bis Hr. Künzel 
kam, der sagte, er kenne Sie als ein 
guten Cameraden, der wie ein anderer 
Mensch auch aussehe, gereißt, meinte er, 
seyen Sie nicht, Sie hätten das Alles 
aus Lecktüre u. s. w. Auf einen Dichter 
Karl Beck hielten Sie viel — den Lenau 
laß ich in ihren Liedern erwähnt, ich sah 
mich nach den Beiden um, auch Andre 
fand ich in Ihrem Buch erwähnt; Cha- 
misio, Schwab würde ich ohne Reue ver 
schlafen haben, und hab's theils auch. 
Sie sprechen mit großer Achtung von 
Platen, er hat vor Hoffart nie gedichtet, 
höchstens mit andern Poetischen Futteral 
machern Proceß geführt, wer das klassischste 
Futteral mache, und so ward er selbst in 
ein Futteral gelegt. — Lenau ist eine 
schöne Anlage, aber halb unreif, halb 
überreif, halb getrocknet, halb candirt, 
halb abdestilirt, halb veressigt, halb ohne 
Rath, halb geflickt, einige Lieder sind 
schön, in 'den Meisten nur einige Zeilen, 
er dichtet, wie ein Mensch schreibt, der 
aus den verschiedensten Vorschriften schrei 
ben gelernt hat. Mari wird zwar keines 
dieser Lieder ohne eine Art Verwunde 
rung über manche Gefühls und Wort 
Wahrheit und Gewandheit lesen, zuletzt 
aber wird bei aller Manichfalt doch das 
Gefühl der elvig Einerlei wiegenden 
Kunstreiterbewegung solcher Musen her 
vortauchen. Man könnte die Geschichte 
einer solchen Poesie heut zu Tag in einer 
Novelle erzählen, man könnte ein Rezept 
dazu schreiben. Ach, es kommen unge 
mein kostbare Ingredienzien hinein, Dinge, 
die jeder Seele nur ein Mahl anvertraut 
sind. Eine untreue Geliebte, eine ver 
storbene Braut darf darin nicht fehlen, 
die Klagen um sie, und die früheren 
Liebesentzücknngen paradiren vor dem 
Publikum und es ist schier anständig, 
daß der holde Gegenstand früher abge 
treten ist, als man seine Leibwäsche aus 
dem Zaun des Buchhandels' von einigen 
Rosen unterbrochen mit gereimten Thrä 
nen bleicht. Wer sein und der seinigen 
Eingeweide umkehrt und in allerlei Guir 
landen symmetrisch um den Tempel der 
! Freiheit und Göttin der Vernunft auf- 
| hängt, dem kann es an Wirkung und 
| Beifall nicht fehlen — und so er es mit 
( Grazie thut, wie dieser mag ich es leiden, 
aber nicht lieben. — Es war ein Mahl 
ein Bauer, der seine Frau sehr liebte, 
| sie fiel ins Wasser und ertrank, er war 
trostlos, bestellte Leichenrede und Creuz 
und Kranz, um seiner lieben Frau die 
letzte Ehre an zu thun, er suchte sic 
einige Tage vergebens im Wasser. Da 
er sie endlich fand und halb herausge 
zogen , sah er, daß sich viele Krebse an 
sie angesetzt hatten, das rührte ihn und 
er ließ sie im Wasser liegen 
mir ist dieser Bauer immer eine Parabel 
gewesen für jene Dichter, welche die Ge- 
bcrden und Ungeberden ihrer Liebes 
Mysterien gegen Verstorbene, oft sogar 
gegen Lebendige für Geld Preis geben,
	        

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