berühmt geworden: diese hochpoetische, anmutige Schilde-
rirng eines heruntergekommenen, verlumpten Adelshauses.
Lre ist nach Gebühr schon von Heine überschwenglich ge-
prresen worden und wird immer ein Meisterstück ^realisti
scher Romantik bleiben, und Johannes Scherr durfte sehr
wohl sagen: „Wer sie einmal gelesen, vergißt sie nie
wieder." — Wem aber der Fortgang der Geschichte (der
noch manches Lesenswerte enthält) das Urteil beeinträch
tigen sollte, der sei auf den stets nur fragmentarischen
Ruhm der großen Romantiker verwiesen, irnd er sei aiich
daran erinnert, daß z. B. Eichendorffs „Glücksritter" als
Ganzes genonimen eine feiner weniger ansprechenden Er
zählungen blieben, wenn die ersten beiden Kapitel nicht
wären, die selbst seinen „Taugenichts" in den Schatten
stellen, jene zwei kurzen Kapitel höchster romantischer
Kunst, diese leuchtenden, duftenden Blüten im frischen
Immergrün, ringsinmitten bleicher Traumblumen auv
verworrenem Geranke.
Viel mehr noch sind die „Kronenwächter". Sie bedeu
ten eine gewichtige originale Tat. Sie sind angelegt zu
einem historischen Romane größten Stils, und die Lite
raturgeschichte hat verzeichnet, daß hier „Wille und Ma
terial zu einem nationalen Kunstwerke vorhanden" waren.
Der Roman beabsichtigte nicht geringeres, als aus dem
„Verfall der herrlichen Stauferzeit" den „Aufbau der
deutschen Reformationswelt" zu gestalten. — Wieder hebt
hie Schilderung hochpoetisch mit realistischer Pracht an,
und die „Hochzeit auf dem Turme" in der Neujahrsnacht
von Weidlingen im alten Schwabenlande ist ein köstlich
behagliches §labinettstück, fein und lebensvoll und liebevoll
schmunzelnd gemalt wie von einem der großen Nieder
länder. Ins idyllische Stilleben treten dann mit allerlei
gelungenen Frauenbildern auch die gespenstischen und
abenteuerlichen Gestalten der Erzählung, vor allem der
geheimnisvolle Reiter und Hohenstaufensprößling und die
markige Figur des Wunderarztes Doktor Faust, die derbe
Faustgestalt der Volkssage. — Einheit der Poesie mit dem
Leben war das Ziel der Romantiker, und Ahnung und
Wirklichkeit wollte auch Arnim in seinen „Kronenwächtern"
zu einem höheren Wesen bilden. Schon Heine hat be
stätigt, daß dieser Dichter nur wie einer das Zeug hatte,
das Geheim.nisvolle zur vollsten dichterischen Wirkung zu
bringen. Er hat gesagt: „Er wußte noch inniger als No
valis in die Natur hineinzuleben und konnte weit grauen
haftere Gespenster beschwören als Hoffmann; ja wenn ich
Hosfmann zuweilen betrachtete, so kam es mir vor, als
hätte Arnim ihn gedichtet." Diese Kunst Arnims hat sich
nie reicher und edler entfaltet als in seinen „Kronen
wächtern". (Man denke z. B. an den schauervollen Gang
des Knaben Berthold in das „Haus des Barbarossa".) Auf
den großen dichterischen Zauber des Werkes und auf die
bewundernswerte Arnimsche Gabe, aus der Zeit, welche
er gerade schildert, geschichtliche Fernsichten in die Ver
gangenheit und in die Zukunft aufzutun, hat schon Scherr
hingewiesen, und er hat gesagt, dieser Roman sei „so viel
versprechend, daß, wenn er im gleichen Stile fortgesetzt und
vollendet worden wäre, wir in demselben den großartigsten
aller historischen Romane besitzen würden". — So aber ist
er Bruchstück geblieben, wie fast alle die Hauptwerke der
deutschen Romantik: Tiecks „Krieg in den Cevennen'tz
Brentanos „Romanzen vom Rosenkranz" irnd Kleists
„Robert Guiscard". — Aber was einst Friedrich Hebbel
von einem Romane E. T. A. Hoffmanns sagte: „Ich liebte
Hoffmanu, ich liebe ihn noch, imb die Lektüre der
„Elixiere" gibt mir die Hoffnung, daß ich ihn ewig werde
lieben können" — das übertragen sollte mit mehr Recht
das ganze gebildete deutsche Volk von dem Dichter der
„Kronenwächter" sagen, diesem monumentalen Zeugnisse
einer großen deutschen Absicht und eines großen volkstüm
lichen Dichterwillens. —
Wie reich der deutsche Gehalt dieses Werkes ist, das
zeigen nt. E. sehr deutlich die vor dem Ueberreichtum fast
stammelnden Worte des Freundes Görres, mit denen er
in seinem Nachrufe auf den Dichter die „Kronenwächter"
zu charakterisieren versucht: „Gerade in die Reformations
zeit, an die Wende zweier Weltalter gestellt, trägt das
Werk doppeltes Antlitz wie die Titelverzierung: die
gläserne Pfalz mrt den sieben Türmen, von sieben Stru
deln bewacht, mit den Eisenmännern am Tore der Stahl-