Full text: Zeitungsausschnitt über Achim von Arnim

Seme „Dramen" und seine „Gedichte" (mit Aus 
nahme derherrlichen Wunderhorn-Lieder) sicher nicht 
dre fünf „Lesedramen" hätten aus der sonst so treff- 
Ilchen ^nwlausgabe ruhig fortbleiben und besser durch ein 
paar noch fehlende gute Erzählungen ersetzt werden 
können, zumal das eigentlich dramatisch beste Stück „Der 
Auerhahn" hier fehlt.) Es sind doch nur letzthin miß 
lungene und unzulängliche theatralische Versuche. Es ist 
so: dieses Dichters Sendung, dem wir die unsterbliche Tat 
des „Wunderhorns", dieser Kronsammlung der deutschen 
Volksliederdichtung, verdanken, liegt nicht auf eigen 
lyrischem und auf dramatischem Gebiete, sondern auf dem 
der Erzählung: des Romans und der Novelle. 
Gewiß, auch Arnim teilt mit den andern „Vollblut- 
Romantikern" ihre Vorzüge und Unarten. Ihre Phan 
tasie schweift allzu sehr in verworrene Phantastik aus. 
poetischer Reichtum wird seltsame Ueberfülle, eine sprele- 
rische Verschwendungssucht, unter der nur zu merklich das 
bildnerische Beharren und Gestalten erlahmt. Auch Arnims 
große und kleine Prosawerke leiden oft kapitelweise an 
phantastisch-satirischen Auswucherungen und willkürlicher 
Formlosigkeit. Der Dichter und seine Dichtung sind manch 
mal kapriziös und grillig-forciert und gehen ins Bizarre 
und Groteske, und zweimal, in seiner dicken Tragikomödie 
„Halle. und Jerusalem" und in seinem letzten Werk, der 
„Päpstin Johanna", ist seine Phantasie aus ihrem Wölken 
kuckucksheim so in ein Labyrinth geraten, daß schließlich 
als starke Zumutung an den Leser zwei ganz unerquick 
liche, fratzenhaft-aberwitzige Tollheiten von „Dichtungen" 
entstanden sind, die in der Literaturgeschichte stehen 
bleiben können, als abschreckende Beispiele romantisch- 
chaotischer Verwilderung. — 
Eine Vorliebe für das Seltsame als Spuren und 
Ausläufer davon spürt man auch noch in seinen besten 
Werken. Als solche gelten zunächst seine spannenden und 
innigen Novellen (1812). Die 17 Erzählungen von 
ihnen in der „Jnselausgabe" sind heilte noch lesenswert, 
besonders die ergötzlichen „Drei liebreichen Schwestern und 
der gliickliche Färber" (während mir die vielgerühmte 
„Jsabella von Aegypten" allerdings zu viel romantischen 
Unsinn enthält), und namentlich die lustige Novelle „Fürst 
Ganzgott und Sänger Halbgott", eine phantasievolle 
romantische Satire, die man nicht vergessen sollte, ist so 
meisterlich, daß sie immer zu den Zierden und Schätzen 
der deutschen Novellenkunst gezählt werden muß. Auch 
ein paar andere, die leider nicht in der Ausgabe stehen 
(aber wenigstens die ersten zwei davon in den auch ver 
dienstlichen vierbändigen „Ausgewählten Werken" des 
Hesseschen Verlages und in anderen kleineren Samm 
lungen): die zwei mit Recht berühmten und geheimnis 
umwitterten Geschichten „Die Majoratsherren" und „Der 
tolle Invalide auf Ford Ratonneau", ferner „Die Verklei 
dungen des Hofmeisters und seines Zöglings", „Die 
Ehenschmiede" und die so wenig bekannte kleine Erzählung 
„Poliphil und Polia", die kürzlich Curt Moreck in sein 
schönes Buch „Triumph der Liebe, — die schönsten Liebes-, 
Novellen der Weltliteratur" aufgenommen hat. 
. Doch der Ruhm des großen romantischen Erzählers 
Achim von Arnim beruht auf seinen zwei großen Romanen 
„Armut, Reichtum, Schuld und Buße der 
Gräfin Dolores" (1810) und „Die Kronen- 
Wächte r" (1817). Um es gleich zu sagen: auch sie leiden 
an einer barock-burlesken und zuweilen phantasie-duseligen 
Ueberfülle, und sie zerfahren und zerflattern nicht erst am 
Schluß in ein kunterbuntes Gemengsel; auch in ihnen 
kommt der leichtwillige Dichter häufig vom Hundertsten 
rns Tausendste, und doch stehen diese beiden Romane noch 
stolz genug da im deutschen Schrifttum. In rhrer 
ginalität sind sie einmalig und einzig in unserer -ueratur, 
und ernsthafte literarische Leser dürfen unmöglich an lynei 
vorübergehen. Trotz ihrer schrullenhaften Absonderlich? 
foHn« "
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.