© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
Schlüchtern, Mürz/Mai T?3]
Nr. 27/2?
23. fnltrgong
Heimweh —
wenn einer sehen will, wie durch Gottes Barm
herzigkeit aus einem jugendlichen Diesseitsmenschen
ein Greis wird, der sterbend auf nichts mehr hofft als
auf die Hilfe, das heil aus der Gnadenhand des
Ewigen, der lese einmal die Lebensgeschichte des Erz
vaters Jakob mit der Bbsicht, dies zu finden.
Es scheint, als sei sie geradezu deshalb nieder
geschrieben, um Rite zu trösten, die ihre Jugendwege
auch nicht unsträflich gingen, weil sie sich nicht hielten
an Gottes Weisung.
Unser aller Jugendleben weist Taten auf, deren
wir uns jetzt schämen. Und solche Lcham und Ueue
ist allemal gut und von Gott gewirkt.
Uber sie darf nicht so weit gehen, daß wir uns
scheuen vor dem hohn der anderen, wenn wir nun
die Bibel in die zitternden Hände nehmen und nach
Vergebung und Kraft jenseits des Bruchs mit dem
vorigen Wandel suchen.
Wohl jedem, der in der fremde Heimweh be
kommt, ehe er heim soll! Das Heimweh war ja das
Hauptmittel, das Gott anwandte, um den mit allen
Fasern an der Erde hängenden Jakob zu kurieren.
Denkt nur an die Zeit, als der Ewige den Irr
gänger in seine Zchule nahm! Unvergessen blieb diesem
lebenslang die einsame Nacht, da er, das Haupt auf
einen Feldstein gebettet, auf der Flucht vor dem
berechtigten Zorn seines Bruders getröstet wird: „Du
sollst heimkommen!"
etn Heilmittel
Nie vergessen hat er sicherlich auch jene andere
Nacht, als er furchterfüllt am Jabbokflusse um die
Gewißheit von Gottes Nähe und Güte rang und siegte.
Unvergessen blieb ganz gewiß bis ans Ende auch
jener letzte Bbschied vom Heimatland in hohem Nlter
bei Bersaba an der Landesgrenze, als er vor dem
Hunger nach Begypten flüchtete.
5lch, war das ein Leben voll Wechsel und Unsicher
heit! wenn einer, so hat er gelernt: „wir haben hier
keine bleibende Ltatt." Eine Wanderschaft voll hin
und her, Gewinn und Verlust, Bangen und Klagen
zwischen einer Löhneschar, der er nicht mehr trauen
konnte! Und nun ist er am Ziel.
Noch einmal ruft er alles zusammen, was er
an — trotz allem — geliebten Menschen hinter sich
läßt, und mahnt, verheißt, tröstet.
Dann aber ist er mit der Erde ganz fertig, legt
still seine Füße zusammen und bittet: „Herr, ich warte
auf dein heil!"
Dies wörtlein: „Ich warte!" tut's einem an. Er
weiß nicht nur, daß das heil, die volle, endgültige
Hilfe, von seinem Gott kommen muß, sondern war
tet auch darauf. Er sehnt sich, harrt, verlangt
nach dem Licht, das aller Welt scheinen will, nach dev
Heimat der Barmherzigkeit.
Und Gott enttäuscht keinen, der seiner harrt!
G. Flg.