Full text: Zeitungsausschnitte über Ludwig Emil Grimm

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7 
GRIMM (LUDWIG EMIL) — 308 — GRIMM (LUDWIG EMIL) 
. G&I-MM (Liidwig-Ewil)j Maler und-HipferstechA- 
geb. zu Hanau/den 14. März 1790, gest. m Cassel dvn 
a. April 1863/als Professor an der dortigen Akademie, 
slpar einer ven/den jüngerer/Brüdern Jacob und Wimelm 
Grimm's. Dzr Vater, Amtmann zu Stefan, starb/früh ^ l 
dlp Mutter zocstnach Cassels wo, nachdemvuuch sie ^c'flot^ 
^ben...w<rr, -die- lebendeu—fuiitbre-, dem Ausdrucke Ja 
cobs zufolge, „wie eine kleine Republik" zusammen ge 
meinsamen Haushalt weiter führten, als dessen Theile auch 
die abwesenden sich zu betrachten fortfuhren. Die ein 
zige Schwester Lotte stand der Wirthschaft vor, Jacob 
und Wilhelm dagegen lag es ob, den größten Theil der 
erwachsenden Kosten aufzubringen. Sie waren es, die 
mit fast väterlichem Ansehen über den andern Geschwistern 
standen, während diese sich ihrer gereifteren Meinung 
fügten. Für Ludwig Grimm ist das Verhältniß von 
bestimmendem Einfluß gewesen. Seine künstlerische Thätig 
keit wurzelt von Anfang an in der eignen Familie und 
ist in gewissem Sinne nie darüber hinausgegangen. Wie 
seine ersten Versuche, nach der Natur zu zeichnen, Por 
träts der Mutter, Schwester, Brüder und anderer Ver 
wandten gewesen sind, so hat er sein Leben lang die 
Seinigen zu porträtiren fortgefahren, und nicht nur 
durch diese als radirte Blätter, Zeichnungen und Oel- 
gemälde ausgeführten Bildnisse, sondern auch durch Dar 
stellungen von Familienscenen, die in großer Anzahl noch 
vorhanden sind, einen fortlaufenden Commentar des inti 
men Lebens der Seinigen geliefert. Es ist auch das 
ästhetische Urtheil der älteren Brüder stets für ihn von 
entscheidendem Gewichte gewesen. ^Und endlich, fast alle 
persönlichen Verhältnisse, in welche'Grimm nach außen hin 
eintrat, in sofern sie auf seine künstlerische Entwickelung 
von Einfluß waren, sind auf die persönlichen Verbindun 
gen der älteren Brüder zurückzuführen. 
Im 1.1808 ging lGrimm nach München, um dort 
unter dem mit der düsseldorfer Galerie dahin übergesie 
delten Heß sich zum Kupferstecher auszubilden. Kleine 
Porträts in Profil aus dem Anfange dieses Jahres, noch 
in Cassel entstanden, verrathen die peinliche Sorgfalt 
einer nngeschulten Hand, während spätere Blätter auS 
demselben Jahre sofort den bedeutenden Einfluß Mün 
chens erkennen lassen. Glücklich traf es sich, daß Sa- 
vigny, mit dem Jacob 1805 in Paris gearbeitet hatte, 
von Marburg nach Landshut übergegangen war, das 
sich von München aus leicht erreichen ließ. Im 1.1808 
hat sGrimm Savigny, dessen Frau und deren Schwester 
Bettina Brentano, welche damals mit ihnen war, dort 
gezeichnet und radirt. Die erster» beiden sind sehr sorg 
fältig ausgeführt, die letztere, wie sie Goethe schreibt, 
dem sie das Blatt sandte, gleich auf die Platte gearbeitet. 
Sie hat Arnim's Wintergarten im Arme; das Blatt ist 
selten und der Kopf allein in viel späteren Jahren von 
Grimm noch einmal radirt worden. Im I. 1809 ent 
stand das Porträt der Frau von Savigny in pelzver 
brämter, weiter Sammetcapuze. Bei den Blättern 
S. 274: Die Sprache Jacob Grimm's ist Gegenstand eines beson 
dern Werkes geworden: K. G. Andre sei,, Ueber die Sprache Ja 
cob Grimm's. Leipzig 1869. 
Grimms-,- welche das Datum 1809 führen, ist jedoch 
wohl zu unterscheiden, ob sie gleich damals radirt oder 
viel später erst, in seinem Alter, nach 1809 gemachten 
Zeichnungen'ausgeführt worden sind. Tlv. 
„Ihr Bruder", schreibt Savigny in einem (unge 
druckten) Briefe vom 28. Febr. 1809 an Jacob Griuml^ 
„ist bei Heß vortrefflich besorgt. Heß ist einer der lie 
benswürdigsten, sinnigsten Menschen, jedes Talent und 
jede Eigenthümlichkeit ehrend und von sehr unbefangenem 
Urtheil. Er scheint ihren Bruder gar lieb zu haben, 
bezeigt ihm viel Vertrauen und behandelt ihn fast wie 
sein Kind." Und weiter am 26. Dec. 1809: „Ihr 
Bruder ist auf das Fest zu uns auf Besuch. Wir haben 
ihn sehr lieb, wie alle Menschen die ihn kennen. Er 
ist treu, fleißig und kommt gewiß sehr weit. Die Bet 
tine hat er recht brav gestochen, worüber Goethe gar 
schön und theilnehmend geschrieben, was die Bettine 
Wilhelm in Abschrift geschickt hat." 
Goethe's Brief finden wir in Goethe's Briefwechsel 
mit einem Kinde im zweiten Bande, er ist vom 3. Nov. 
und lautet nach einer vom Verfasser dieses mit dem 
Original vorgenommenen Vergleichung: „Dein hinzu 
gefügtes Bild ward gleich von jedermann erkannt und 
gebührend begrüßt. Es ist sehr natürlich und kunstreich, 
dabei ernst und lieblich. Sage dem Künstler etwas 
freundliches darüber und zugleich: er möge ja fortfahren 
sich im Radiren nach der Natur zu üben, das Unmittel 
bare fühlt sich gleich. Daß er seine Kunstmarimen immer 
im Auge habe, versteht sich von selbst. Ein solches Ta 
lent müßte sogar lucrativ werden, es sei nun daß der 
Künstler in einer großen Stadt wohnte oder darauf 
reiste. In Paris hatte man schon etwas ähnliches. 
Veranlasse ihn doch noch jemand vorzunehmen den ich 
kenne, und schreibe seinen Namen, vielleicht gelingt ihm 
nicht alles wie das interessante Bettinchen, fürwahr sie 
sitzt so treulich und herzlich da, daß man dem korpulen 
ten Wintergarten, der übrigens im Bilde recht gut com- 
ponirt, seine Stelle beneiden muß. Das zerknillte Blätt 
chen habe ich sogleich aufgezogen, mit einem braunen 
Rahmen umstrichen und so steht es vor mir indem ich 
dies schreibe. Sende ja bald bessere Abdrücke." 
Goethe's sicherer Blick hatte sofort 7Grimm's Be 
gabung und was ihm eine eigenthümliche Stellung an 
wies erkannt. Er drängte auf Weiterarbeit in dieser 
Richtung und sprach zugleich aus, daß es eines großen 
Publikums bedürfe, um die rechte Lebenslust für das 
Talent zu gewinnen. Mrimm'S Arbeiten aus diesen le 
ersten Zeiten theilen sich in solche, welche er nach Art 
der ebengenannten frischweg von der Natur auf die Platte 
brachte, und in mühsamere, sorgfältig durchgeführte Plat 
ten, welche unter Heß' Aufsicht entstanden sind. Scüue-. 
onnneul. Er betrachtet die Natur mit 
der größten Schärfe und weiß sich der Mittel seiner 
Kunst auf das Unbefangenste frei zu bedienen. Am 
glücklichsten ist er bei Köpfen aus dem niedern Volke. 
Das eigenthümlich Scheue oder Gedrückte im Blick, das 
Kindern oft eigen ist, das Stillsitzensollen, um sich por 
trätiren zu lassen, gibt er mit der größten Treue wieder. 
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