Full text: Zeitungsausschnitte über Ludwig Emil Grimm

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7 
Seite 198 AAGsAsZsZAZIs-KG-WA-KZAZAZA Unsere 
stimmten Zeit gegeben, sondern bey Betstunde bald 
umb 12 Uhr, bald 1/4, bald 1/2 Stunde darnach und 
müssen sich doch unsere Schüler umb 12 Uhr einfin 
den. Solchergestalt müssen sie im Winter erstlich er 
frieren, oder zu spät kommen und wenn dieses alles 
nicht gelten sollte, so ist die Frage, was der Tantor, 
der nicht weit von der Kirche wohnt, thun solte. 
Geschehe nun die procession auf dem Kirchhof, so 
konnte der Tantor, sobald man zu läuten anfing, 
aus seinem Haus gehen, die Schüler konnten derglei 
chen tun und wenn einer oder der andere frühzeitig 
kam, so konnte er in Bürgerhäusern sich indessen 
aufhalten und brauchte nicht zu erfrieren. 
Brittens wohnen wir zwar der procession bey,' 
es wäre uns aber nach vorbemeldten umbständen 
nicht zu verdenken, zumal da wir bis CEitf Uhr unsere 
gewisse Rrbeit haben, wenn einer oder der andere 
dann und wann zu Hause bliebe. Uebrigens werden 
Custodes [Rufpaffer] bestellet, die petulantes Mut 
williges aufnotiret und sodann 
viertens von dem Praeceptore selbsten nach 
Befinden gestraft. Db sich aber unser Calefactor 
oder ein Tertius [Dritter] dahin verstehen würde, 
die Strafe publice zu vollziehen, daran ist sehr zu 
zweifeln. Bey gröblichen verbrechen haben wir et 
liche Uutenhiebe geben lassen. 
Fünftens hat der Pedell einmal für allemal 
den Befehl, auf den letzten Glockenschlag zu läuten. 
Und sind wir sogleich vorhanden und gehen nach ge 
haltenem Gebät ein jeder in seine Classe und wird 
wenig oder gar nicht geredet, es feye denn, daß 
einer oder der andere in Uachsehung seiner Schüler 
etwas anzuzeigen hätte. 
S e ch st e n s Sollten die von undenklichen Jahren 
hero gewöhnliche Oster- und Herbstferien abgestellet 
und wir auch Mittwochen und Sambstag Nachmittag 
Schule zu halten verbunden seyn, so wollten wir 
uns zwar über die uns dadurch zu erwachsende Rrbeit 
gar nicht beschweren, wenn sie nicht mit vielen sehr 
bedenklichen umbständen verknüpft ginge, die wir 
zur hohen Ueberlegung vorzutragen nicht umbhin 
können. Wir leben nämlich auf dem Sande und müs 
sen unsere Haushaltungen landmannsmäßig besor 
gen und anstellen, und so müssen wir uns, da wir 
ohnehin bey unserer geringen Besoldung kümmerlich 
leben müssen, durch den Sandbau einigen Vorteil 
bey Rnschaffung der erforderlichen Nahrung ver 
schaffen. Müßten wir nun auch Mittwochen und 
Sonnabend Nachmittag Schule halten, so müssen wir 
nach der in dem jetzigen Zustand auf dem Sand unab 
änderlichen Weise unsere Haushaltungen zum größ 
ten Schaden vernachlässigen und schlecht besorgen. 
Sehrer, Sehrlinge und Eltern richten danach viele von 
ihren Geschäften und Verrichtungen so ein, daß sie, 
was sich verschieben läßt, auf solche Tage aussetzen, 
die von Rlters her nicht ohne Ursach zu sogenannten 
Spieltagen sind bestimmt worden. Wir könnten nie 
mals eine Stunde weit von der Stadt gehen, ohne 
unser Rmt zu versäumen, oder einem andern die Rr 
beit aufzutragen, und da doch dieses dann und wann 
unvermeidlich sein wird, so würden wir uns der 
üblen Nachrede der Nachlässigkeit, ja sogar des Un- ■ 
gehorsam? aussetzen. Es könnte ferner kein geehrter 
Mann oder guter Freund, welches doch bey unserem 
Heimat 
Nr. 25/26 
ihm tommüt ode^wir Äcn'TI ^ 
unhöflich und L1-7LL 
Vieieniae moTrh? L ernet l verkürzet werden. 
L'iqinige, we che tn denen umliegenden OM?n ?,< 
hätten keim Tag? an welchen ffe* u°rpwmantir-n, 
schwerllchk-ll-n d>- sich bei denen llx-rcllll-llorne 
gründen sich auf diese 5°rien und rnÄ ? em<B ^ 
gern zu gewissen Zeiten bev siG 
® 1 ' nrima tinr^" 96 ^" Ä 
1 V e 7?T ten noch zu vermuten senn Sollte 
auch erlaubt eyn, daß ein Sebr?r iw \ ^ Ut f 
14 Tage bi- 3 wa^en da?kmt^erri»t^°in 
roiirt>e der Nutzen für di- Schüler sehr g-rbia senn 
wrr mögen zwey T,affen zusammen nehmen wL 
wir wollen, so wird der Numem* a ' , clct)e 
““ emd L‘ art und daTn°j-d?r 
ttn? dnl^ ^"°n Stunden abgemessen 
lir'bk ljLt tÄalÄtatt, ,# ^ 
hl-«'« überhören sondern mutzt-? entweder diele 
oder ,ene zuruck setzen oder alle- ohne llu-leauna 
,e geschwinder ,e besser dahersagen lassen und m7 
ww aus der Erfahrung, wenn sich dieser Ta?ul 
welche- doch gar selten geschieht, einmal zu ragt datz 
sich d,e Schüler deswegen allemal -in- Zreude däraus 
machen. ll)o bliebe aber die Torrectur derer llxer 
c.torum orctiiisriorum und anderer Liaborallorum 
extraorllinatiorum, di-un-wenigsten- de- Tag- 2 
Stunden wegnehmen, So denken wir ja auch an keine 
Lur zu trinken, al- wohin unser Säckel zu'geling A 
und besinnen UN- lang, auch in casu necessifatk 
[im Notfalls einen Lhirurgum zu consultiren und 
ihme ein paar Kreuzer zu verdienen zu a-b-n Soll 
ten wir endlich sogleich nach Dstern wieder Schul 
halten, so könnte es ohne Nachteil unserer Gesund 
heit nicht geschehen, wenn wir keine warme Schule 
hatten i Uiid da sich wenigsten- unser klösterlicher 
yofmann, der e- doch nicht unentgeltlich tut gegen 
wärtig immer beschwert, datz wir soviel holz ver 
Nr. 25/26 SsssZsZZSsGsiAsHZsZZZssGZ Unsere Irjemmt Seite 199 
brennen — wenn er nämlich bei schlimmen Wetter 
fahren soll — was würde er ins künftige tun? 
7. ) Werden die vorzunehmende promotiones gnä 
digem und hochgeneigten Befehl zufolge in Zeiten 
angezeiget und verhaltungsbefehl eingeholt werden. 
8. ) Verfahren wir in Rnsehnung der Rccidentien 
jUebeneinnahmenj nach denen hohen Verordnungen 
dat. Hanau 14. Mai 1755; den 22. Dctobris 1755 
und den 29. vecembris 1755 und müssen uns billig 
verwundern, da sie so gering sind, da ein jeder gibet. 
was er will, da die, so etwas geben können, öfters 
gar nichts geben; bla wir keinem etwas anfordern 
und da in andern Bedingungen auf solche so strack, 
gesehen wird; daß diese Rccidentialien schon von so 
vielen Jahren her bey uns Schulleuten so stark sind 
angefochten und auch von solchen Seuten Klage darü 
ber angebracht worden, die doch solche als ein jus 
jNechtj eintreiben und keinen Heller zurücklassen. Wir 
zweifeln nicht, es werde mit der Zeit wieder gesche 
hen. Ein Schulmann ist eine Person ohne Rutorität. 
Er kann niemand Seid oder Schade tun. Lr will es 
auch nicht tun. Barum ist er ein kleines Sichtlein 
in den Rügen vieler Seute und ein Kirchen-Reltester 
will selbst ein Vorsteher der Schule sein und das Recht 
haben, bei aller Gelegenheit die Praeceptores des 
Gymnasii zu tadeln. So weit sind die Stadia ele- 
gantiora gekommen! 
9. ) Werden die Schüler nicht ohne Ursach aus 
der Schul gelassen und müssen in Zeiten wieder da sein. 
10. ) Muß ein jeder sein Gesangbuch haben. Sollte 
es etwa in dem Auditono bei einem oder dem andern 
gefehlt haben, so wird es keine Totsünde gewesen sein. 
11. ) Was endlich die Tonsistorial-Verordnung dat. 
Hanau, den 24. Dctobris 1767 angehet, so wün 
schen wir von herzen, daß sich alles in dem Tloster 
nach deren Inhalt befände. Wir müssen aber mit dem 
größten Verdruß und Widerwillen und Ekel viele 
Unanständigkeiten ansehen, vor fünfzig und mehr 
Jahren, da wir noch als Schüler hier frequentirien 
shier die Schule befuchtenj wäre der Ort für die 
Heimlichkeit nicht in gehörigem Stand und werden 
von der Zeit an ohne Zweifel deswegen Klagen sein 
ge führet worden, wie wir aucf) 1 schon vor 30 Jahren 
getan haben. Gb auch gleich nach der Hand etwas Geld 
angewendet worden, so ist der Ort doch lange nicht in 
einen gehörigen Stand gesetzet worden. Würde der 
Ort, welcher wenigstens für die Schüler vorhanden isst 
brauchbar gemacht und einer jeden Schul s-Tlassej 
ein Schlüssel gegeben, so wollen wir für uns für die 
Reinlichkeit stehen. Da aber verschiedene Wohnungen 
im Tloster sind, denen es an dieser Gelegenheit ge 
bricht, so wird die Schuld durchgehends auf die Schüler 
geworfen und die Praeceptores müssen noch dazu die 
Nachrede der Nachlässigkeit haben. Stände es bei uns, 
so sollte diesem Mißstand schon lange abgeholfen 
sein, unsere Wände im Tloster und Schulen sollten 
ein ander Rnsehen haben und die Fenster, die vor 
fünfzig Jahren die nämlichen waren und ebenso aus 
sahen, wie jetzt, wären längstens einmal neu gewor 
den. Rber diese Sachen laufen nicht in unser Rmt 
und so finden wir es für dienlich und ratsam, davon 
zu schweigen. Wir empfehlen uns fernerweitiger 
Gnade mit Wohlgewogenheit und verharren mit de 
votestem Respekt Tw. Reichsfreiherrlichen Excellenz 
hochwchl- und hochedelgeboren, hochgestrengen und 
hochehrwürdigen untertänig gehorsamste Diener 
I. h. Hadermann 
I. v. Kreß 
Joh. Nüchtern 
Georg Thristoph Gille. 
Schlüchtern, den 12. Januar 1771. 
(Fortsetzung folgt) 
Briefe des Malers Ludwig Grimm nach Steinau 
(Fortsetzung) 
on dem hiesigen Mysticismus höhrt man jetzt 
weniger, oder mag es auch wohl daher kommen 
das ich so wenig Menschen seh, u. seit Jahr 
u. Tag keine Gesellschaften mehr besuche. Balde hat 
mir auf meinen letzten Brief gar nicht geantwortet, 
vermuthlich steht er in dem Wahn, daß meine Per 
son auch etwas für seine (etwas zu grase Rnsprüche) 
hätte thun können u. mag deshalb nicht gut auf 
mich zu sprechen seyn. 
Wenn die alte Kanzel in Steinau beibehalten wird 
soll es mich freuen. Rber wenn ihr jetziger Stand 
verändert wird, so ist sehr die Frage ob die Stimme 
des Predigers überall gehöhrt werden kann, eine 
Hauptsache, auf die man Sorge tragen muß. Der 
jüngere Herr Br- Wagner der sich hir einige Tage 
aufhält wird die Güte haben Ihnen diese zeilen nebst 
Grüße einzuhändigen. 
(22. Januar 1835) 
* 
vor geraumer Zeit bekam ich. einen Brief von 
Steinau (vermuthlich von Herrn Gottschalk unserm 
freundlichen Schloßbewohner) im Nahmen des 
') Line der „Gemeinschaft" ähnliche religiöse Bewegung. 
8menö 2 ) vom Steinweg, der mit im Krieg war, 
u. welcher glaubt daß er bei der pensionsvertheilung 
übergangen worden sey. ich bitte ihm gelegentlich 
zu sagen daß der Kriegsminister v- hesberg in allem 
sehr streng und gewißenhaft zu werke ging und 
daß ihm das Schreiben v. Steinau mitgetheilt wor 
den wäre. 
Wegen dem Wein hatte ich mich erkundigt die 
Wein Kaufleute hatten aber ihren Bedarf schon be 
stellt wie ich höhrte, wenn der Wein, wie man höhrt 
gut ist, so wäre meine ich doch das rathsamste ihn 
liegen zu lassen bis wieder ein schlechtes Wein Jahr 
kommt- ich verstehe zwar nichts von Wein, u. bin 
ein schlechder Weinkenner, aber ich möchte doch wis 
sen mit welchem der Steinauer zu vergleichen ist, 
ob er hitzig, ein Tischwein u. s. w. ist, damit man 
Ruskunft geben kann wenn jemand fragt. 
Lebt denn h. Pf. Sanner noch, u. was macht 
der alte Dr. Wagner, hat wohl der I. Haid 
aus Rmerika geschrieben? wie es ihm wohl gehn 
mag, ob er wohl dort hinter der Scheibe sitzt, Krüge, 
oder Brantwein brennt — Nun ich werde so Gott 
2) wohl der Sohn des Grimmschen Gärtners Johannes 
klmend.
	        

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