© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
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Das alte Gymnasium zu Schlüchtern
OueUenflücke und VerLchte aus feiner Geschichte
von Med.-Uat Dr. Lauer, Schlüchtern
V. Die Klosterschule des Bbts Lotichius
ein Gymnasium. (Fortsetzung)
/Q;inige Tage, bevor diese neue Schulordnung zu
VV Hanau ausgefertigt wurde, am 26. September
1776, hatte sich Pfarrer Wolf zu Schlüchtern
auf verlangen des Konsistoriums zu Hanau in einem
Schreiben an diese Behörde über die Vorbedingungen
geäußert, die zu seiner Zeit für die Aufnahme der
jüngsten Schüler in das Gymnasium maßgebend ge
wesen waren. Es hieß darin, soweit er sich zu erin
nern vermöge, seien im Gymnasium dir Knaben der
4 ten und 5 ten Klasse cornbinirt svereinigtj ge
wesen.
In die 5 te Klasse sei kein Knabe aufgenommen
worden, der nicht wenigstens habe buchstabieren kön
nen. Besonders habe Tantor Vaupel, der Vorgänger
des Tantors Pauli, keinen Knaben in diese Klasse
des Gymnasiums aufgenommen, der nicht bereits im
liefen etwas geübt gewesen wäre.
Erst Tantor Gille, der die Einschreibegebühr die
ser Knaben nicht habe missen wollen, habe sich gegen
diese Gepflogenheit bei Pfarrer Nollmann beschwert
und dadurch erreicht, daß ihm sämtliche Knaben von
Bnfang an zugeführt und damit dem Stadtschulmeister
entzogen worden wären.
Die Litern der kleinen Knaben wären damit auch
um so lieber einverstanden gewesen, weil sie dadurch
den halben Gulden Schulgeld für den Stadtschulmei
ster hätten sparen können. Doch hätten manche Eltern
ihre Knaben auch deshalb lieber dem Gymnasium
als der Stadtschule anvertraut, weil in dessen 5ter
Classe eine bessere Schulzucht geherrscht habe und
weil die Knaben in der Stadtschule gemeinsam mit
den Mädchen unterrichtet worden seien, was viel
fach zu Zank und Streit zwischen beiden geführt habe.
Die Aufnahme, welche die Schulordnung des Con-
sistoriums bei Vektor Hadermann und seinen Sehrern
fand, war, wie es nicht anders sein konnte, keine
freudige. Sämtlich fühlten sie sich persönlich in ihrer
Wirksamkeit nicht richtig beurteilt. Buch hielten sie
nicht wenige der ihnen gegebenen Vorschriften für
untunlich.
Sie 'reichten daher am l2. Januar 1771 eine
offensichtlich von Vektor Hadermann verfaßte und
von ihnen mitunterschriebene Gegenschrift ein, in der
sie sich in Bezug auf die von ihnen ausgeübte Sehr
art zu rechtfertigen versuchten und in kritischer weise
Stellung zu den Vorschriften der Schulordnung nah
men. Diese Schrift lautete:
„wir sämtlich Praeceptores des Gymnasii zu
Schlüchtern Haben die reine Bbsicht, die unserem Un
terricht anvertraute Jugend wie zur wahren Gottselig
keit, also auch zur Lrkenntnis nützlicher Sprachen
und Wissenschaft anzuführen und darum werden wir
die von Lw. veichsfreyherrlichen Excellenz etc. unter
dem 10 ten Gctobris 1770 gnädig und hochgeneigt
erlassene und eben dahin abzielende Schulordnung
nach aller Möglichkeit in Erfüllung zu setzen ver
suchen.
wenn uns aber aus der langwierigen und annoch
täglichen Erfahrung gar wohl bewußt ist daß lick
aus vielerlei) Ursachen gar öfters unvaiheraesek-nl
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wünscht-n^aber"daß wis^öi 1^™ f ' 8n - ne ' ® ir
Bbschnitte und Ji c* ÖOr ölc ^ n emcn m kleine
Catechismum hätten u^wMen^ a,,troor f oerteilten
Ns der Erfahrung 6e" ÄÄTÄ 't?*'
Kinder ob ne nrnfcp m.-ir, > ictjtsJ, daß die kleine
hören in kurär Ze:?"^ und nur durch bloßes Zu-
’T'", “f mehrere- erlernen würden.
Zweitens lebren m!»- _ ■ r .r,
IeI)ren ® ir die griechische Sprache
dä'diN°br^:?7acheE7d^r7"ambstag.
die Jugend im^deklNn m ö 7° bt-lle tritt/ üben
Grammatik und vocsbuls au-mendm "w de *7
und -xpliciren im Winter sweim'1 3 “ T" “ Uf
durch auch viermal, und sa geht es Iu7sm
schen. Dabei suchen wir alte tat ^ ^ >m hebrai-
chischen Sprache aufzumuntern e- ö 5 c f 9ne ”
gewiß wissen, es soll einer ein ^ '77 mc
ober zu einer büraerlicben ndwerk lernen,
den und haben den Nutzen d? es"di/T
kein Geld kostet und auf biJ tuia t - ® tcm , “ ,e,ter
nötigten Bücher bey denen Brm^n
drangen wird, daß die Scb.öW 7 '5«f
Attention [stufmert mS erbSL
Drittens werden öie , .
und der eine dieses der andere jenes Such michrina ’
J.“ 1 °ber d,e wenigste und dach gar teue TuhÄ
(mb, daß wir wünschen, einen l>eiiini>„i..i, ' n f «
über alle Sucher zu haben, die hier ami ° t
sollen, damit solches aller Grten beklnnt werd'/und
nut der seit einerley Sucher eingeführt werden könn
ten, wobey wir dann glaubten, daß ein kistori/u-
w,e Z. S. justmus. llutropius etc. besser als <Y
ceroms orationes [Ciceros Redens oder feine Epil
Nr. 25/26 AAGssGZsssGssADZAAGAAsOs Unsere Heimat E-GOOSHGOtzEtzHOGtztztzGß-tzSL^D Leite 197
stolae [Briefe] so ausnehmend, als sie sonsten sind,
gebraucht werden könnten, quia una fidelia duo
dcalbari poscent parieies. Zu deutsch: weil zwei
wände aus einem Topf geweißt zu werden verlangen.
viertens werden wir die Exercitien und sonst
igen Exaborationes [Busarbeitungen] Kraft hohen
Befehls corrigirt übersenden und bey dem sodann zu
erstattenden Bericht, da wir nach geschehener Correk-
tur selbsten noch gar vieles auszusetzen haben, zur
vettung unserer Ehre das Nötige geziemend anstellen.
fünftens wird zwar zur Erlernung der Hi
storie Hübner zum Grund gelegt, insbesondere, weil
er am meisten hier zu haben; Es hat aber der
eine Schüler diese, der andere jene historische Ein
leitung. Sonsten sind Mascamps Chronologische Ta
bellen zum öfteren für Bugen gestellet und deren Be
schaffung recornmendiret jempsohlenj worden, da
aber solche nicht wohl zu Haben und sich nunmehro
Niemeyers Tabellen vorfinden, so sollen die, so solche
bezahlen können, zum Bnkauf angehalten werden.
Weil aber seine Bnweisung gar zu kurz ist, so wür
den doch Hübner, Essig, Dreyer oder dergleichen zum
Vachlesen beybehalten werden können, huebners bib
lische Historien sollen der Vorschrift nach eingeführet
werden.
5 e ch st e n s wird in dem Studio geographieo
nach Hübners Bnleitung der Vorschrift nach verfahren,
nach den Charten die Bnweisung gegeben und die
alte Geographie, so viel wie möglich, mit angebracht.
Siebentens lassen wir zum Behuf des Gedächt
nisses den Catechismum, Grammatic, vocabula und
phrafei, wie auch die Definitiones und Wissenschaften
auswendig lernen, suchen es aber soviel möglich leicht
zu machen und beschweren das Gedächtnuß nicht mit
solchen Dingen, die in spem fulurae oblivionis [in
der Hoffnung zukünftigen Bergeisens] erlernt werden.
Bchtens wünschen wir von jeher, daß ein jeder
die erforderlichen Bücher hätte. Bllein manche Schüler
bringen Bücher mit, d ie zwar einerley Bbsicht mit
den unsrigen haben, aber doch verschieden sind,- Bn-
dere kauften die unsrigen, wenn sie nur gleich zu
haben wären und nicht von andern Grten nach Ver
lauf langer Zeit und doch teuer müßten herbeigebracht
werden- manche Eltern können sie gar nicht anschaf
fen. weil wir nun aus der Erfahrung wissen, daß
die Bücher, so hier lange Zeit im Gebrauch gewesen,
am ersten zu Haben sind, so gibt uns auch dieses einen
Grund zu wünschen, daß die zu tractirenden Bücher
bestimmt würden, damit mit der Zeit eine Gleichheit
eingeführt werden könnte und solche leichter zu ha
ben seyen.
Neuntens werden zwar in der Schreib- und ve-
chenstunde, so wöchentlich viermal gehalten werden,
die jüngeren beizeiten zum Schreiben und die andern
zum Schönschreiben angewiesen,- auch die vier Spezies
nebst der Regula Trium [Dreisatzrechnung] verhan
delt, aber doch nicht scientiliee [wissenschaftlich], son
dern, wie man zu sagen pflegt, handwerkmäßig, und
da hier keine Personen sind, so die Arithmeticam
und Geomeiriam maihematice erlernt haben, auch
für die Nechenstunde jährlich nur zwölf Gulden be
zahlt werden, so wird keine Gründlichkeit und Füh
rung zu Csuadrat- Tubik- und andere Brten von
großen Rechnungen zu Höffen seyn.
Zehntens: Erwarten wir dankbarlich die hanau-
ische Zeitung und wollten auch umb eine gelehrte
auf das inständigste gebeten haben, umb nicht gar
hospiies in Republica lileraria [Srembe im Staate
der Wissenschaft] zu seyn.
Lilftens haben wir die kleine Jugend, so noch
nicht lesen kann, dem Stadtschulmeister Creß über
geben und erkennen und bekennen, daß es für unser
Gymnasium viel honorabiler [ehrenvoller] und nütz
licher ist. Bei uns werden sich keine Schwierigkeiten
ereignen, außer daß der numerus discentium [die
Zahl der Schülers im Sommer in Csuarta gering
und die Bezahlung derer 15 fl. für den Caltacto~
rem [Heizers und Pedellen bei dieser ohnehin kümmer
lichen Zeit nunmehro sehr schwer zu erhalten und
aufzubringen sein wird, weswegen wir quam hu~
millime [ganz untertänig] gebeten haben wollen, daß
das Clofter, da es doch so viele Kosten zum Unterhalt
der Schule aufwendet, auch dieses kleine onus [Safts
auf sich nehmen und sich von allen vorwürfen befrei
en wolle.
was die Disziplin betrifft, so gebrauchen wir:
T r st l i ch die Güte und die Schärfe nach Beschaf
fenheit der Umbstände und glauben, daß unsere
Schüler, so da ständig lreguentiren [am Unterricht
teilnehmen] und nicht von denen Eltern die meiste
Zeii zum Bckerbau und viehhüten gebraucht werden,
und also außer unserer Bufsicht leben, eine wohl
anständige Lebensart an sich haben und sich gegen
jedermann höflich und freundlich betragen, wir wis
sen aber auch von langen Zeiten her, daß Leute,
welche die Geschicklichkeit unserer Schüler in ]ntel~
lectuaÜbus anerkennen müssen und sich hierinnen
nicht viel zu tadeln getrauet haben, dennoch gerne
den Namen haben wollen, als wenn ihnen das Schul
wesen zu herzen ginge und deswegen in Moralibus
und sollte es auch in Kleinigkeiten seyn, viel tadel-
haftes gefunden haben und auch ins künftige ver
mutlich finden werden, wir rechnen hierunter
Zweitens die Procession, welche vor diesem aus
dem Clofter nach der Kirche geschehen und nun
mehro auch wirklich wieder geschieht und müssen,
weil so viel redens davon gewesen, zu unserer Necht-
fertigung folgendes anführen, vor etlichen dreißig
Jahren wurde aller Gottesdienst, ausgenommen des
Sonntags Morgen und wenn jemand begraben wurde,
in der Klosterkirche gehalten und da gingen die
Schüler, wie dem Peciori und dem Praeeeptor Nüch
tern aus eigner Erfahrung bekannt ist, aus dem
Kreuzgang in die Klosterkirche. Da aber diese Clo-
sterkirche leider! zur größten sncornmodität [Unbe
quemlichkeit] des Gymnasii im ruin liegt und der
Gottesdienst allein in der weit entlegenen Stadt
kirche gehalten wird, so haben sich Ursachen vorge
funden, eine Benderung zu treffen und die procession
oben auf dem Kirchhof [nördlich am Kloster] zu for-
miren. Jedermann kann leicht ersehen, da drei Prae
ceptores im Kloster wohnen, daß sie lieber die pro
cession für ihrem Buge haben würden, als anderswo.
Bllein da der weg über den Kirchhof mehrenteils
so wässerig und kotig ist, daß eine einzelne Person
nicht wohl fortkommen kann, so müssen viele Schüler
in der procession ins Wasser oder in den Kot kom
men, oder auseinander laufen. Ueber das wird das
letzte Geläut, so lang uns bewußt ist, nicht zur be-