Full text: Zeitungsausschnitte über Ludwig Emil Grimm

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7 
Stite 182 Unsere Üeimnl (mmmmmm 
Die Grabstätte Ulrichs von Lutten 
^EtzHtz-OHHtz-GE-O Nr. 21/24 
Mitgeteilt von $ r i tj S 
U ber das Lebenswe.k des Humanisten Ulrich 
v. Hutten, der am 21. Rprtl 1488 auf 
der Steckelburg im heutigen Ramholzer 
Schloßpark geboren wurde und der zu damaliger 
Zeit als Wegbereiter des reformatorischen Ge 
dankens große Bedeutung erlangte, ist in diesen 
Blättern schon in zahlreichen Beiträgen von beru 
fenen Heimatforschern berichtet worden. Im Nach 
stehenden soll npn den Heimatfreunden die Grab 
stätte Ulrichs v. Hutten und deren Umgebung näher 
beschrieben werden. Dieselbe befindet sich bekanntlich 
auf der Insel Ufenau, die in der Nähe von Uerikon, 
pfäffikon und Napperswil im östlichen Teile des 33 
Kilometer langen und 88 (Quadratkilometer großen 
Zürichsees liegt und schon von altersher nach mehr 
maligem Wech 
sel der Besitzer 
auch heute wie 
der Privat 
eigentum des 
schweizerischen 
Klosters Einsie 
deln ist. Die 
Insel Ufenau ist 
ein liebliches 
stilles Eiland, 
das eine mitt 
lere Länge von 
nur 470 Me 
tern, eine mitt- 
lere Breite von 
220 Metern 
und einen Flä 
cheninhalt von 
10,296 Hektar 
als Größen 
maße ausweist. 
Während 
das Grundgefüge der Insel aus Sandstein- und 
Mergelschichten besteht, ist die Nord- und Süd 
seite derselben von Laubholzwäldchen umsäumt, 
die das innere muldenartige, saftige und zum Teil 
mit Gbstbäumen bestandene Wiesengelände einschlie 
ßen. Rn der Ost-, Süd- und Südwestseite der Insel 
ragen aus dem seichten Uferwasser große Schilfbe- - 
stände hervor. Den Zutritt zur Insel erlangt man 
von dem in den See vorstoßenden gemauerten Dampf 
schiff-Landungssteg an der Nordseite gegenüber Ueri 
kon und einem hölzernen pritschenartigen Boots-Lan 
dungssteg an der Südseite gegenüber pfäffikon. Die 
Gebäulichkeiten der Insel, die z. T. im 10. Jahrhun 
dert erbaut wurden, sind die St. Peter- und Pauls 
kirche, die man zuerst von der Hauptlandungsstelle 
aus an der Nordseite erreicht, daneben der Friedhof 
mit einer alten verwetterten Mauer und einem gro 
ßen Steinkreuz und iit gleicher Linie anschließend auf 
einer kleinen Rnhöhe die St- Martins- oder Regin- 
lindekapelle. Nach einem kurzen Stück Weges durch 
den Wiesengrund gelangt man zum Wirtshaus und 
Stallgebäude in der Mitte der Insel, während auf der 
südöstlichen höchsten Erhebung derselben der Rrn- 
stein, ein ehemaliges Russichtshäuschen und heutiges 
fristlos mit Steinkreus und St. NIartmskapeUe 
t e i n f e l d, Schlüchtern 
Geflügelhaus, emporragt- Einen Einblick in die Ge 
schichte der Insel gewährt eine Thronik des Stifts* 
archivars von Einsiedeln, Dr. P. Rdilo Ningholz, 
aus dem Jahre 1908, nach deren Inhalt P. Rudolf 
henggeler im Jahre 1927 einen lange herbeige 
sehnten Führer durch die Insel verfaßte, der die bald 
tausendjährige Vergangenheit des stimmungsvollen Ei 
landes auf das menschliche Gemüt einwirken läßt- 
Die ersten Spuren menschlicher Siedlung weisen in die 
Zeit der Kelten zurück, denen die Römer und später 
die Rlemannen folgten. Unter der wechselnden Be 
wohnerschaft der Insel werden als erste geschichtlich 
beglaubigte Bewohner St- Rdalrich, der jüngere Sohn 
des Herzogs Burkhard I. von Schwaben, und dessen 
Gemahlin Reginlinde von Nellenburg genannt- Rdal 
rich zog sich 
auf die Insel 
als Einsiedler 
zurück, und sein 
heiligmäßiges 
Leben wurde 
später von 
der Legende 
ausgeschmückt. 
Um 950 zog 
sich auch seine 
Mutter, die 
Herzogin Re 
ginlinde, 
als Herrin der 
Fraumünster- 
abtei Zürich 
vom Rlter ge 
beugt, zu ihm 
auf die Insel 
zurück, von ihr 
wurde die heu 
te noch stehen 
de und verschiedentlich nach dem alten Tharakter 
restaurierte St- Martinskapelle, die man nach ihrem 
Namen auch ReginlindekapeNe nennt, erbaut, wie 
auch die größere St- Peter- und Paulskirche von ihr 
begonnen und nach ihrem am 19. Rugust 958 er 
folgten Tode von dem Leutpriester Rdalrich vollen 
det wurde. Rdalrich, unter dessen Beschirmung die 
Rirche und die zu beiden Seiten des Sees wohnenden 
Gläubigen standen, starb am 29. September 973. 
viele Jahrhunderte dauerte die Wallfahrt zu seinem 
Grabe in der Insel-Rirche an. Während unter den 
heute völlig veränderten Verhältnissen nur nach we 
nige Pilger zu seinem Grabe kommen, hat sich mit 
dem im Kloster Einsiedeln befindlichen Meßgewand 
des heiligen d ie Verehrung für ihn bis jetzt erhalten. 
Zur Zeit der Reformation gingen alle Bewohner 
auf dem linken Seeufer zur Neuerung über, uitb damit 
verlor die Ufenau alle pfarrkinder bis auf die Be 
wohner von Hürden, das seit alten Zeiten durch 
einen heute nicht mehv existierenden Steg mit der 
Insel verbunden war. Ulrich v. Hutten hatte, wie die 
Ehronik besagt, an dem Umstürze wichtigsten Rnteil 
genommen und zur Glaubensänderung beigetragen. 
Nachdem um die Mitte des 16. Jahrhunderts der 
Nr. 21/24 SsGsAsHZAZGZAZZWssZZSsZA Unsere Heimat tzHEHtzOOHOOEtzß-tzHtztzHE-tztzOHO Seite 183 
letzte Leutpriester die Insel verlassen hatte, hörten 
1663 die regelmäßigen Gottesdienste auf der Insel 
auf. Rm 1. September 1674 fand die letzte Beerdi 
gung auf dem zwischen den beiden Rirchen liegenden 
Friedhof statt. Rn der Nordseite bes Turmes der St. 
Peter-und Paulskirche wurde im 12. Jahrhundert ein 
Beinhaus errichtet, das die nach einer Neubestellung 
des Friedhofes ausgegrabenen Gebeine aufgenommen 
hat- Durch kleine vergitterte glaslose Bogenfenster 
sind die in dem türvermauerten Raum liegenden zahl- 
nerlei Weise ein sichtbares Zeichen vorhanden ist, soll 
Ulrich v. Hutten unzweifelhaft auf dem von grü 
nem Rasen überdeckten Friedhof irgendwo an der 
Mauer neben dem großen Steinkreuz gefunden ha 
ben (siehe Rbbildung). Während im Jahre 1656 unb 
1712 auf ber Insel Rriegslärm ertönte, wobei bie 
Zürcher Gebäulichkeiten unb Heiligtümer verwüste 
ten, verlief bie erste Hälfte bes 19. Jahrhunderts 
für das stille Eiland ruhig. 1859 und wiederum 
1873 sah die Insel größere Festlichkeiten, als man 
Insel Ufenau 
losen gebleichten Menschenschädel und -Knochen zu 
sehen, vom Leben und Sterben ber alten Bewohner 
ber Insel Ufenau, die im 15. Jahrhundert aus 15 
verschiedenen Geschlechtern bestanden, soll nur spärlich 
in alten Pfarrbüchern berichtet sein. Dieses einsame 
idyllische Eiland, das auch heute noch von der hasten 
den Ueberkultur unserer Tage unberührt ist und in 
dessen stetige feiertägliche Ruhe nur von Zeit zu Zeit 
der Sirenenruf eines Dampfschiffes oder das Motoren 
geräusch eines vorbeigleitenden Frachtkahnes dringt, 
hatte zur Zeit der anbrechenden Glaubensänderung 
auch Ulrich v. Hutten, von Lad pfäffers kommend, 
aufgesucht, um anfangs Rugust 1523 als schwer kran 
ker Mann bei dem damaligen Pfarrer ber Ufenau, 
Hans Klarer, ber als Rrzt weithin bekannt war, 
Linderung seines tückischen Leidens zu finden. Doch 
schon nach einigen Wochen, am 29- Rugust 1523, er 
löste ihn ber Tod, erst 35 jährig, von allen Lrdensor- 
gen. Seine Grabstätte, von der auf der Insel in krei 
st. Martins- oder St. Peter- u. pauls- 
Keginliade--Kapelle Kirche 
den 900. Todestag ihrer heiligen Bewohner, St. 
Reginlinde und St- Rdalrich, festlich beging, von der 
Zeit der ersten Landung eines Dampfschiffes am 7. 
Juni 1857 wurde die Insel besonders an Sonntagen 
ein beliebtes Rusflugsziel für die Bewohner an den 
Ufern des Zürichsees. Kommen die einen, den Sor 
gen des Rlltags entrinnend, in der Stille und Natur 
schönheit für wenige Stunden Erholung zu suchen, 
so wieder andere, die Stätte bewegter Vergangen 
heit zu sehen. Ruch dem Schreiber dieser Zei 
len war es nach. langer Zeit in diesem Jahre wiederum 
vergönnt, an einem herrlichen Sommertage (26- 7.) 
von Zürich aus nach 1% ständiger Dampferfahrt auf 
der Insel Ufenau zu landen, um alle ehrwürdigen 
Zeugen aus dem 10- Iahrhunbert unb bie einzigartige 
Naturschönheit zu bewundern, aber insonderheit auf 
dem Rasensriebhofe zu verweilen und in geistiger Ver 
bundenheit mit der Schlüchterner Heimat des Lands 
mannes Ulrich v. Hutten zu gedenken. 
Ufenau / Gottfried Geller 1$5$ 
Hier unter diesem Rasengrün, 
Wo mir in Jugend stehn, 
Da liegt ein Ritter frei und kühn, 
wie keiner mehr zu sehn! 
Er floh herein vom römischen Reich, 
Trug einen Lorbeerkranz, 
Das Rntlitz zorn- und kummerbleich, 
Das Rüg' voll Sonnenglanz! 
Und wo die well' den Blumenstrand 
In holder Minne küßt, 
Warf er sein Schwert auf sichres Land 
Und rief: „Sei mir gegrüßt!" 
In schwerer Not sank er dahin, 
Zerbrochen das Gebein; 
Doch glühte noch fein starker Sinn 
Im Tod wie junger wein. 
Nun weht sein Schatten um uns her, 
Nun ruft sein Geist uns zu: 
„Ich war ein Schiff auf wildem Meer, 
Ich kannte keine Ruh; 
Ihr wißt, was ich gestritten hab' 
Und was gelitten auch; 
Doch stieg' ich nochmals aus dem Grab, 
Uebt' ich den gleichen Brauch! 
Die (ffual verfliegt, die Sorg' ist klein, 
Nun bin ich unbeschwert; 
Die besten Freunde nannt' ich mein 
Und fand mich ihrer wert! 
Ihr lieben Brüder, wagt es nur 
Und acht't die Not gering! 
Das Elend zeigt die goldne Spur, 
Wo sich ein Held erging!" 
Du lichter Schatten, habe Dank, 
Gut sprach dein kühner Mund! 
Und wem der Sinn von Zweifel krank, 
Der wird an dir gesund! 
Wie diese lustge Silberflut 
Dein Grab so hell umfließt, 
So uns dein nie geschwundner Mut 
Vas frohe Herz erschließt! 
Von Züricher Studenten anläßlich einer festlichen 
Fahrt nach Uleich von HuttcnSGrabinscl gesungen.
	        
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