Full text: Zeitungsausschnitte über Ludwig Emil Grimm

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7 
Seite 176 UnfCEC ^jCllUOt GOGE-OOEE-HOOGtzOGtztztztztztzOGH Nr. 21/24 
Ueber Salmünster kam an den Heimatbund 
eine Trauernachricht aus der Ferne: „Es entschlief in 
Milwaukee (U. 5.A.) der Ehrenbürger der Stadt Sal 
münster Herr Henry Harnischfeger. Sein Leben 
war durchglüht von Menschen-, Vaterlands- und 
heimatliebe." 
Uun steht der Winter vor der Tür, und jeder neue 
Tag kann ihm Türen und Fenster öffnen. Ich 
besinne mich auf die Winter meiner Kinderzeit im 
abgelegenen Khöndorse vor der Mottener Haube. Da 
war ein halbes Jahr lang „gar nichts los", wenn eine 
„Ehaise" ins Dorf kam, hätte der Lehrer die Schule 
„ausmachen" müssen, so stark wirkte das Ereignis- 
Und jetzt? Nun, wir haben — auch im Uhöndorfe! — 
Uadio, das Weltwunder, das die neue Kultur aus der 
Großstadt hereinbringt. Es will mir und manchen 
anderen nicht gefallen, daß diese Kulturgüter einseitig 
verteilt werden, haben wir nicht auch eine „Land 
kultur", die man nun auch durch den Apparat der 
Großstadt als Gegengabe übermitteln könnte? — 
wird bevorstehende Not nicht auch die Langeweile 
der Winterabende verkürzen? Gewiß, Speicher und 
Keller sind gefüllt, hier und da überfüllt. Uber das 
Heer der Arbeitslosen wird sich vermehren und uns 
mehr und mehr zwingen, ihr Los zu teilen. Je 
ärmer wir werden, desto mehr wird jede Gabe, jeder 
Steuergroschen sich zum Opfer gestalten, zum Opfer, 
das uns zur Dpferb ereitsch aft, zur'Opfer- 
freudigkeit erziehen will, um das wiederzuge 
winnen, was wir fast völlig verloren haben: Die 
Volksgemeinschaft- $. Walther. 
* 
Das alte Gymnasium Zu Schlüchtern 
OueUenstücke und Gerichte aus feiner Geschichte 
von Med.-Kat Dr. Tauer, Schlüchtern 
x/ nie Klnftprfchule bes ctb t s £otid)ius bedacht dahin nehmen, daß die ihrem Unterricht an- 
V. Die Klosterschule oes nui ^traute Jugend, wie überhaupt, also auch insbe- 
ein Gymnasium. (Fortsetzung) Andere in der Keligi0n zu deutlichen begriffen 
—^ lese Anzeige die so manches am Schulbetriebe von Gott und seinen Vollkommenheiten, auch denen 
Tr des Schlüchterner Gymnasiums auszusetzen daher auf die Menschen fließenden Pflichten und 
J.r. V — 1 ' - Ä c ‘ sZt»il<;-wrchltn t l> n nnnöfiitw«* —— v 1 " 
3m 'hohen Alter von 95 Jahren schied von uns 
eine arme, schlichte und doch im Städtchen wohlbe 
kannte Frau. wo Krankheit ins Haus ging, kam 
sie ungerusen hinterher und pflegte und nahm am 
Leide teil. Für wieviele Kinder hat sie, die selbst fast 
nichts besaß, die geöffnete Hand hingehalten, ge 
drängt von dem Gefühl, etwas Liebes und Gutes zu 
tun. Drum gingen auch hinter ihrem Sarge Menschen 
voll Dankbarkeit und Liebe. Das war die Frau 
Müller aus der brückenauerftraße, die Frau mit 
dem warmen herzen. — In Gesinnung ihr gleich folgte 
ihr die 85jährige Frau Pauli aus Schlüchtern,' auch 
sie hat sich überall, wo es etwas zu verteilen gab, 
beiseite gestellt, weil sie nur für andere lebte und 
leben wollte. Da sie soviel Liebe gesät haben, durf 
ten sie bis in den Abend ihres langen, wirklich geseg 
neten Lebens Liebe ernten. Einen bis ins hohe Alter 
von 84 Jahren rüstig und tatfreudig gebliebenen 
Greis, den Innungsmeister Jean Lei pol d, befreite 
der Tod von einem wochenlangen Krankenlager, be 
kannt wegen seiner streng rechtlichen Gesinnung und 
seines freundlichen Wesens widmete er sein Können 
seinen Fachgenossen, Gemeinde, Kirche und Schule wie 
auch jedem Einzelnen, der ihn rief. Den vielgewan 
derten und weltoffenen Mann befähigte zur Mitar 
beit am Gemeinwohl sein reger, allem Neuen offener 
Sinn und Weitblick. — Auch die Schwester Anna 
Gerl ach, die ihre Kraft und ihre Gaben dem 
schönen Dienst der Krankenpflege gewidmet hatte, 
wurde schon in ihrem 45. Lebensjahre nach kurzem 
Leiden durch den Tod plötzlich abgerufen. — 
des Schlüchterner Gymnasiums auszusetzen 
fand, gab dem Konsistorium zu Hanau die 
Veranlassung zum Erlaß der im Folgenden wörtlich 
wiedergegebenen Schulordnung für das Gymnasium 
zu Schlüchtern vom 10. Oktober 1770*), in deren 
erstem Teile die Gestaltung und der Umfang des 
Unterrichts und in deren zweitem Teile die Hand 
habung der Disziplin bei den Schülern eine bis ins 
Einzelne gehende Kegelung erhielt. 
Verordnung, wie es von nun an und 
hinkünftig bis auf weitere Verord 
nung bei dem Gymnasio zu Schlüch 
tern sowohl in Ansehung des Unter 
richts, als auch der Disziplin gehalten 
werden soll- 
A. In Ansehung des Unterrichts sollen: 
Erstlich der Nektar und die übrigen Praezep- 
tores des Gymnasii zu Schlüchtern den ernstlichen 
*) Die Akten, denen alles, was zu dieser Verordnung in 
Beziehung steht, und nicht weniges von der Geschichte des 
Gymnasiums in der Zeit von 1810 bis Mitte 1821 hat ent 
nommen werden können, liegen unter der Bezeichnung 
—lttyien uno 
Heils-Wohltaten angeführet werden, daß sie die nöti 
gen Beweisgründe für dis Wahrheit der Keligion, 
wie uns solche die gesunde Vernunft und Offenbarung 
darbietet, wohl fassen und so alles aus seinen eignen 
Gründen, nicht aber zum Exempel die Existenz Got 
tes und die Göttlichkeit der Bibel durch Sprüche aus 
der Bibel zu beweisen, erlernen mögen, vor allen 
Dingen aber haben die Praezeptores bei ihrem Un 
terricht die jungen Leute in der Keligion zu fleißiger 
Ausübung derselben zu ermahnen und selbst ihnen 
mit einem guten Exempel vorzugehen. 
a d 2. Sollen hinkünftig die hebräische und griechi 
sche Sprache fleißiger als bishero geschehen, und 
zwaren die Woche über wenigstens 2 bis 3 mal so 
wohl in prima als fecunda. Tlasse besonders mit 
denenjenigen, welche Theologie studiren wollen, ge 
trieben werden. Da dann inmittelst diejenigen Schü 
ler, welche nicht studiren sollen, mit Brief schreiben, 
wozu ihnen die lichemata und Exempel aus plinii 
des Jüngeren, desgleichen aus Ticeronis und Gellerts 
Briefen gegeben werden müssen, oder mit andern 
„Hanauer Nachträge "nr? 35971)erbesserung des Schulwesens Briefen gegeben ,werden müssen, oder mit ander» 
in Schlüchtern", im Staats-Archiv zu Marburg, von dem sie Uebungen, die IN ihre VON ihnen und ihren Eltern ge 
in dankenswerter weise zur Verfügung gestellt worden sind. wählte Lebensart einschlagen, zu beschäftigen sind. 
Nr. 21/24 AAZZSsSZAAZZssZZZsMJZsZs Unsere VseLmal OtztzHß-OtzD Seite 177 
ad 3. Zollen sonderlich die Lateinischen Auctores 
in prosa und zwaren zuerst die leichtesten, niemals 
aber solche, welche denen Schülern zu schwer sind, mit 
denen selben tractiret und ihnen jedesmal, wer der 
Auctor gewesen, zu welcher Zeit derselbe gelebet, was 
ersterer fata fLebensschicksalej und moralischer Tha- 
rakter gewesen, soviel man davon weiß bekannt ge 
macht, auch nicht vielerley Auctores in einem halben 
Jahr zugleich vorgenommen, sondern vielmehr von 
einem halben Jahr zu dem andern abgewechselt wer 
den. Und so soll auch mit denen Poeten zu Werke gegan 
gen und sonderlich« die Eclogae vergilii, die libri 
tristium und Ovidii metamorphoses, damit die jun 
gen Leute bei letzteren zugleich' sowohl eine deut 
liche Kenntnis derer in denen Auctoribus classicis 
hin und wieder auf die Fabel anspielenden Stellen, 
als auch derer hin und wieder vorkommenden Sta 
tuen, Bildern und Gemälden, minder nicht bey eben 
dieser Gelegenheit eine lebhafte Kenntnis des großen 
Unterschieds und Vorzugs, welche die christliche Keli 
gion vor der heidnischen hat, bekommen mögen, vor 
genommen und damit abgewechselt werden. Ueber- 
haupt aber soll mit der Lxplication fUebersetzungj 
derer Auctoren dergestalt zu Werk gegangen werden, 
daß die jungen Leute lernen 1) was die Wörter an 
und für sich genommen und ihrem Ursprung nach 
vor eine Bedeutung haben. 2) was dieselbe nach der 
Lage und Verbindung, worinnen sie hier stehen, für 
einen Sinn haben. 3) was der Auctor in der vorge 
lesenen Periode »und endlich was derselbe 4) mit 
mehreren periodis zusammen genommen in einer gan 
zen Passage oder einem ganzen Tapitel habe sagen 
wollen, deutlich herzusagen, angeführet werden mö 
gen. Bey der ersteren und zwaren der bloßen Worter 
klärung mag das Deutsche so schlecht seyn, als es nur 
immer will, bey der zweiten aber müssen Sie den 
Sinn in gutem Deutsch und endlich den verstand gan 
zer Perioden, so viel nur immer möglich ist, in 
bestem Deutsch ausdrücken und hersagen lernen. Der 
Lehrer soll sie ferner bey der Explication in Gram- 
maticalibus fleißig üben und nicht verabsäumen, die 
selben bey Lesung der Auctoren auf die Schönheit 
derer Gedanken und Zierlichkeit des Ausdruckes auf 
merksam zu machen, damit so bey denen jungen Leu 
ten der Geschmack zum Schönen rege gemacht und die 
selben zu eigner und privater Lesung gereizet werden 
mögen. Anbey soll er sie lehren, wie sowohl die 
Wörter und Kedensarten des Auctoris auf eine andere 
Art im Lateinischen gegeben werden können. Damit 
sie aber destomehr Copiam verborum et phrasium 
feinen Schatz an Wörtern und Kedensartenj bekom 
men mögen, so soll der Praezeptor die seinen unter 
weisen und vorbenannte Schüler anhalten, daß sie 
täglich eine gewisse Anzahl Wörter und phrasium 
auswendig lernen und zwar besonders in dem Zu 
sammenhang und dergestalt, daß sie sich die Wörter 
und phrases des Auctoris, den sie tractiren, von des 
Comenii Oi be pido cm, bis auf den schwersten Auc- 
torem gerechnet wohl bekannt machen, und so sollen 
auch diejenigen, welche hebräisch und griechisch lernen, 
die Wörter und phrases soviel und immer möglich 
in der Tonexion fim Zusammenhangj lernen, wenn 
aber bey Erlernung derer Sprachen es leyder nur 
allzusehr geschieht, daß die jungen Leute zum Buch 
stabiren und lesen, ingleichen zu einer deutlichen und 
denen Unterscheidungszeichen gemäßen Aussprache, als 
zur Erhebung der Stimme besonders bey Frags- und 
Ausrufungszeichen und zur Fallenlassung derselben 
bei dem Schließpunkt etc- nicht genugsam angehalten 
werden,- so wird denen Praeceptoribus sambt und son 
ders hierdurch alles Ernstes conjungiret hierauf ein 
scharfes Auge zu haben und allen nur möglichen 
Fleiß umsomehr und auch bei denen kleinen Schülern 
anzuwenden, als es sehr schwer ist, sie dazu zu ge 
wöhnen und wann solches bey einer ohnehin üblen 
Mundart nicht frühzeitig geschiehet und dadurch dem 
monotonen vorgebeuget wird, solches in der Folge der 
Zeit fast ganz unmöglich seyn wird. Und da es auch 
kein geringes Uebel ist, wenn die junge Leute, welche 
doch studiren sollen, wenig oder gar nicht zum Latein 
sprechen angeführet werden, so haben die Praecepto- 
res dahin den ernsten Bedacht zu nehmen, daß sie 
die ihrem Unterricht anvertraute studirende Jugend 
frühzeitig anführen, als wozu Kromeyers deutsche 
und lateinische Gespräche und anders mehr mit Nut 
zen gebraucht werden können. Dann auch hierbei) 
von großem Nutzen ist, wenn man denen jungen 
Leuten kleine Historien und zwar zuerst solche, welche 
lateinisch, hernach aber solche welche deutsch sind 
geschrieben worden, zu lesen gibt und solche hernach 
lateinisch hersagen läßt. 
ad 4. a) Sollen hinkünstig keine besondere 
Sprach-Specimina fprobearbeitenj bey dem Examen 
eingeschickt werden, sondern es haben die Praecep- 
tores die Exercitia und übrigen elaboraliones fAusar- 
beitungenj, welche die Schüler machen und wovon 
gedachte Praeceptores auf ihre pflichten versichern 
können, wie sie nicht anders wissen und glauben, als 
daß solches deren jungen Leute eigne Arbeit sey, 
alle Halbjahr wohl corrigiret an das Eonsistorium 
einzuschicken. Damit man aber zuverlässig wissen 
könne, welche und wie viele Exercitia und andere 
Sprachübungen in jedem halben Jahr gemacht wor 
den, so soll der Schüler unter sein Exercitium jedes 
mal seinen vor- und Zunamen, wie weniger nicht 
den Tag, Monat und Jahr, wenn solches gemacht 
worden, setzen und denen Praeceptoren wird auf ihre 
pflichten ausgegeben, dahin zu sehen, daß solches 
alles genau und gewissenhaft geschehe, b) sollen 
überhaupt fleißige Uebersetzungen sowohl aus dem 
Lateinischen in das Deutsche, als hieraus in das La 
teinische gemacht, Themata und Exempel zu Briefen 
diktiret und von Zeit zu Zeit ein oder die andere 
Chrie fZchulredej elaboriret werden, c) Sollen die 
jenigen Exercitia, welche von delien Schülern zu Hause 
gemacht und von denen Praeceptoribus zu Hause cor 
rigiret werden, denen Schülern nicht eher zurückge 
geben werden, bis einem jeden seine darin begangen^ 
Fehler deutlich angezeiget und denen p, oveetionbus 
fvorgeschrittenerenj, wie sie sich besser hätten aus 
drücken können, gewiesen worden, d) Es sollen auch 
einige Exercitia in der Schule und im Beysein derer 
Praeceptoren gemacht und von denselben, sodaß die 
Schüler zusehen, corrigiret und denselben zugleich die 
Ursache der Abänderung gesagt werden, e) Ferner 
sollen diejenige Schüler, welche schon gute pmteetiis 
fFortschrittej gemacht haben, angehalten werden, daß 
wenn der Praeceptor ein Exercitium dictiret, sie als 
bald, ohne das Deutsche zu schreiben, das Lateinische 
hinsetzen, auch sothane extempore gemachte Ueber-
	        
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