© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
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wer ist denn
Nr. 19/20
Gebot: „Liebe deinen Nächsten!" weckt im
Menschen sonderbarerweise nicht den Willen
zur Tat, sondern die Frage, wer eigentlich
der Nächste sei. Wer so fragt, findet den Nächsten nie
oder erst nach Feststellung von allerlei Kennzeichen,
die selten sämtlich beieinander sind. Diese Frage
entspringt der irrigen Meinung, daß die Zäune und
Mauern, die die Menschen unter sich ausgerichtet
haben und scheinbar unübersteigbar sind, auch nack
dem Zusammenbrechen morsch gewordener stets durch
neue ersetzt werden, vor Gott einen Wert hätten. Es
kann nicht geleugnet werden, daß jenseits der Scheide
wand ein Nachbar wohnt' denn wir hören ja sein
Keuchen unter der gleichen schweren Lebenslast durch
alles andere, was herübertönt. Über ob der Nachbar
der Nächste ist? Schon jetzt merken wir, wie verkehrt
mein Nächster r
die Frageist und aus eine Entartung des Menschlichen
bar^we/er gehört dein Nach-
S nflt L“ ? . fei 'J u d->n°n Nächsten. Schweife
auch nicht sofort m die Fremde oder ins Land des
Unbestimmten, indem du sooft - An» nr m r ^
meine näsfW»!" c u 1 r 91 !; 7E Menschen sind
Nackbar önck7n,^ wahrscheinlich steht dir dein
Nuaen krÄi ah • aItC ' du niemals vor
Uugen kriegst Fragen wir unseren Herrn so erbal-
Sam°Nt°7^7A 7 «leichlris vom barmherzigen
fraaen solipn- w ^0.^'. überhaupt nicht
Tragen muen. „Wer ist denn mein Nächster?" son-
die^Rntwort bnT ^ Ö ? Nächste sein?" Dann ist
ie Antwort bald gefunden und der Nächste auch
Pi™ roir rufenden Stimmen keine Zeit
richtet bat"" ^ie die Liebe nicht aufge-
Das alte Gymnasium Zu Schlüchtern
OucUcnflückc und Vcrichtc uns seiner Geschichte
von Med.-Nat Dr. Tauer, Schlüchtern
V. Die Klosterschule des Rbts Lotichius
ein Gymnasium.
'^^^er neue Nektor des Schlüchterner Gymnasiums
J / Johann Heinrich Hadermann entstammte, wie
schon gesagt, einer Schlüchterner Handwerker-
Familie. Sein Vater war der Weißgerber Johann
Rdam Hadermann, seine Mutter Unna Margareta
Hadermann, die Tochter eines Schlüchterner Bürgers
Namens Wolff.
Um 25. Juni 1710 geboren, hatte der junge Hader
mann seine frühe Jugend- und seine Schulzeit in
Schlüchtern, zuletzt als Schüler seines Gymnasiums,
zugebracht und im Jahre 1727 die Universität in
Marburg bezogen. In den 4 Jahren seines Mar-
burger Studiums, das sich nebenbei bemerkt in der
Hauptsache auf Philosophie, Mathematik und Physik
erstreckt hatte, war der Schrittmacher der sogen. Nus-
Klärung an der Universität Marburg, der seiner freien
religiösen Einstellung wegen von Halle vertriebene
Professor Thristian Wolff, sein Hauptlehrer gewesen.
Vas Jahr 1751 hatte Studiosus Hadermann auf
Wunsch seiner Eltern wieder in Schlüchtern verlebt
und sich daselbst durch Erteilung von Privatunter
richt seinen Unterhalt verdient. Uber sein Streben
nach weiterer wissenschaftlicher Rusbildung war so
groß gewesen, daß er dem 4 jährigen Studium zu
Marburg noch ein 7 jähriges Studium der klassischen
Sprachen auf der niederländischen Universität Lei
den hatte folgen lassen, wo Professor Peter Bur
mann der Reltere sein Lehrer in der klassischen Phi
lologie und insbesondere in der griechischen Sprache
gewesen war.
Nektor Hadermann konnte sich hiernach, als er
sein verantwortungsvolles Rmt in Schlüchtern an
trat, einer Vorbildung rühmen, wie sie sicherlich kei
ner seiner Vorgänger an der Schlüchterner Schule in
dem Maße besessen hatte. Seine Mitarbeiter im
Lehrbetriebe des Gymnasiums waren zunächst noch
der Konrektor Johann Heinrich Schlemmer, der aber
schon vor dem Jahre 1741 dem Konrektor Pauli
Platz, machte, die Präzeptoren Johannes Nüchtern
(Fortsetzung)
Un sr , ^ €0r ? .Christoph Gille, der Kantor Trek und
durchzuführen; fiel doch in sie der T^tigl Kries in
beiseit »erlauf ,a gerabe das auf der Seit-Friedrichs
^ S H t A?J tef ' CTi> - Eic,fen und die ihm angeä iedett«
Era fchaft Hanau e.n Tummelplatz französifchkr hee -
, • °f* und nicht selten durch lange Zeiträume
hindurch waren Schlüchtern und sein Kloster S
Kriege Don Tetnbhdjen heer-steilen besetz, iolaTTr
Unterncht-betn-b .m Gymnasium starken Lunge,
ausgesetzt war oder wohl gar gänzlich eingestellt bletz
ben mutzte und semen Schüler., dadurch laug dauL
Gymnasium tiefe schwes7ö!it°o"neLstlichLsch"
d-n Zn nehmen hat überstehen können, so ist das nickt
zum geringsten Teile dem klugen Verhalten des ke7
tors Hadermann zu verdanken gewesen dem es
hochgebildeten und im Verkehr mit ktusländern be
sonders erfahrenen Manne nicht schwer fiel sich das
sutrauen und gelegentlich sogar die Freundschaft der
feindlichen Machthaber zu erwerben. Eine mm,«-
bleibliche Folge der langen Kriegszeit aber war eint
gewisse Verwilderung der Schlüchterner Schuljugend
und im besondern auch der Schüler des Gymnasiums
zumal diese in dem ganz von den Ideen der oaen'
Rufklärungszeit erfüllten und in seinen pädagogischen
Rnschauungen merkwürdig fortschrittlich gesinnten
Nektor Hadermann etwas den gerade damals für sie
so nötigen strengen und tatkräftigen Erzieher ent
behrten.
vor allem war es das Schlüchterner Presbyterium,
das, dem Nektor seiner freien religiösen Einstellung
wegen ohnehin nicht allzu hold, an den im Gymna
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sium herrschenden Zuständen vielfach Rnstoß nahm,
sei es, daß ihm das Betragen seiner Schüler nicht
gefiel, sei es, daß der Nektor oder der eine oder andere
seiner Lehrer das Mißfallen eines seiner Mitglieder
erregte. Nicht gerade selten hatte es bei seinen Zu
sammenkünften über allerhand Unfug, dessen sich
die Schüler des Gymnasiums sogar in der Kirche wäh
rend des Gottesdienstes zu schulden kommen ließen,
oder über Uebergriffe und Ungehörigkeiten seiner
Lehrer zu verhandeln, wie z. B. im Jahre 1755, in
dem es in einem seiner Sitzungsprotokolle heißt,
„es wäre bei etlichen Jahren her der üble Gebrauch
aufgekommen, die Herrn Praezeptores auf die Na-
menstäge mit allerhand Hausgerät zu beschenken,
welches gegen die vorige Gewohnheit zu hoch zu
stehen komme, da doch sonsten auf diese Täge nur ein
Präzell und zu des Herrn Nektars Wiesenbach Zeiten
gar nichts wäre gegeben worden", und in dem im
besondern über den Praezeptor Nüchtern darüber ge
klagt wird, „daß er so hungrig auf die Rkzidenzien
wäre. So habe er z. B. einem fremden Schüler, der
ihm nur 10 Kreuzer aus Neujahr gebracht,. solche
vor die Füße geworfen und dieser sei daraufhin von
Schlüchtern fortgezogen."
Mag aber Nektor Hadermann auch, wie es bei aus
gesprochenen Gelehrtennaturen ja nicht selten der Fall
zu sein pflegt, nicht nur seinen Schülern, sondern auch
den Lehrern des Gymnasiums gegenüber gelegentlich
zu nachsichtig gewesen sein, so wurde diese Schwäche
bei ihm durch sein großes allgemeines Wissen, seinen
durch den langjährigen Rufenthalt im Ruslande er
weiterten Gesichtskreis und durch sein Bestreben, die
Schüler seines heimischen Gymnasiums nicht nur zu
bloßen Lateinern und Griechen, sondern zu allseitig
gebildeten Menschen zu erziehen, reichlich ausgewogen.
Rls eine Folge davon wird die Tatsache gelten
können, daß sich das Schlüchterner Gymnasium unter
seiner Leitung wieder eines stetig zunehmenden Be
suchs von Schülern zu erfreuen hatte und daß sich
unter ihnen auch wieder nicht wenige aus der näheren
und weiteren Umgebung von Schlüchtern befanden.
Zu den von Nektor Hadermann veranlaßten Ver
besserungen im Schlüchterner Schulbetriebe, die geeig
net waren, den Unterricht zu fördern und zu befruch
ten, gehörten vor allen Dingen die Schaffung und
weitere Rusgestaltung einer Bibliothek für das Gym
nasium, die er sich ganz besonders hat angelegen
sein lassen. Um die für die Bücherkäufe nötigen
Mittel zu beschaffen, schlug er dem Konsistorium be
reits im Jahre 1752 mit Erfolg vor, daß jedes
frei werdende Stipendium 1 Jahr lang unverliehen
bleiben und die infolgedessen unverausgabt geblie
bene Summe Geldes zu Bücherkäufen für die Schul
bibliothek verwendet werden solle. Damit aber die
Bibliotheksbücher vor Beschädigungen oder Verlust
möglichst bewahrt blieben, verfügte das Konsisto
rium, wohl auch auf die Rnregung des Nektars hin,
gleichzeitig, daß für sie ein besonderer Naum im
Kloster bereitzustellen und mit den nötigen Bücher
bänken zu versehen sei und nur wenige Jahre später,
im Jahre 1755 des weiteren, daß zur Beschaffung des
nötigen Geldes für die Unterhaltung und die Ergän
zung der Bücherbestände der Bibliothek in der folgen
den Zeit ein jeder zur Universität zu entlassende
Primaner ein Bibliotheksgeld von 15 albus zu ent
richten habe.
Doch kam von diesen beiden Verfügungen des Kon
sistoriums zunächst nur die zuletzt genannte, die nicht
Geld erforderte, sondern einbrachte, zur Rusführung,
während die Einrichtung eines besonderen Bibliotheks
zimmers noch eine geraume Seit auf sich warten ließ.
Erst im Jahre 1765 wurde, um dies gleich, hier zu
erwähnen, eine alte, noch aus der Klosterzeit her
rührende, unbenutzt neben dem Lehrzimmer des Nek
tors liegende Mönchszelle mit einem großen ver
schließbaren Bücherschrank ausgestattet und zum Bib
liothekszimmer des Gymnasiums gemacht.
Um auch bei der Bürgerschaft Schlüchterns das In
teresse für das Gymnasium zu heben, führte Nektor
Badermann ein, daß der Abschluß der am Ende
eines jeden Schulhalbjahrs stattfindenden Schulprü
fungen wieder, wie es bereits in der früheren Zeit
der Schule üblich gewesen war, durch das halten
von Neben und durch musikalische Darbietungen zu
einer Schulfeier ausgestaltet wurde, an der auch die
Bürger Schlüchterns, denen es Freude bereitete, teil
nehmen konnten. Besonders bedeutungsvoll nicht nur
für die Schüler hes Gymnasiums, sondern auch für
ihre Ungehörigen und die übrigen Bürger Schlüch
terns, die an ihr teilnahmen, war am 29. März
1763 die das Wintersemester abschließende Schulfeier,
nachdem nur wenige Wochen zuvor, am 15. Februar
dieses Jahres, der Friede von Hubertusburg, der schon
lange währenden Kriegszeit das langersehnte Ende
bereitet hatte.
Das herz von Dank erfüllt, bestieg Nektor Hader-
mann an diesem Tage in der großen Stube des
Klosters, in der sich die Schüler des Gymnasiums
und ihre Lehrer mit zahlreichen Gästen aus der Stadt
vereint hatten, das Katheder, um den abgehenden
Primanern das Rbschiedswort zu sagen und im Rn-
schlutz daran in längerer Nede den schon so lange her
beigesehnten und nun endlich zur Wirklichkeit gewor
denen Frieden zu preisen.
Die Rrt der uns zur Verfügung stehenden geschicht
lichen (Quellen hat es bedingt, daß bisher noch wenig
von dem eigentlichen Schulbetrieb und im besondern
auch von der Schularbeit im Schlüchterner Gymna
sium hat die Nede sein können. Daß uns in dieser
Beziehung für die letzte Zeit des hadermannschen
Nektorats recht ergiebige (Quellen zur Verfügung
stehen, haben wir dem Umstande zu' verdanken, daß
das Konsistorium zu Hanau einige Zeit nach dem
Friedensschluß, im Mai 1770, den Lehrbetrieb im
Schlüchterner Gymnasium einer eingehenden Prüfung
hat unterziehen lassen und daß uns deren Bericht
und der sich ihm anschließende Schriftwechsel als
wertvolles urkundliches Material erhalten geblieben
sind.
Die Wichtigkeit dieser (Quellen für die Geschichte
des Gymnasiums wird es rechtfertigen, wenn sie hier
in ihren wichtigsten Teilen im Wortlaut wiedergegeben
werden.
Um 30. 5. 1770 lief beim Konsistorium in Hanau
eine Rnzeige ein, in der sich nicht nur die. Lehrart,
sondern auch die Handhabung der Disziplin im
Schlüchterner Gymnasium stark beanstandet fanden,
von wem sie ausgegangen ist, geht aus den Rkten
nicht hervor. Man wird aber wohl Kaum fehl gehen,.