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Unsere Heimat
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
Das habe ich lebendiger als je empfunden, daß die Liebe das einzige
ordentliche Ding ist, das wir auf der Welt davon tragen und das wider
hält, wenn die andern Lumpereien zu Grund gehen. tö. Grimm
*
der Beachtung und Betrachtung wert so gut als eine übel
riechende Blume, die in unserer Heimat wächst. w. Grimm 1823
*
3d) bin von unbemittelten aber braven, mir frühe entrissenen Eltern
in Hessen geboren und fühle mich noch heftig allen Eigenheiten meiner Heimat
zugewandt, selbst von ihren Mängeln und Gebrechen berührt. Iacob Grimm
was gtbt's Neues doheim?
^^-achdem der JKai und Juni übereifrig hoch-
^ ^ sommerliche Temperaturen gegeben hatten und
der volksmund mit seinem: „Wintert's nicht, so
sommert's nicht" schon unrecht zu bekommen schien,
sprang der Kalender - Sommer doch sehr bald trüb,
kühl und regnerisch auf den Plan und machte die
Hoffnungen aus eine Kusnahme in der Trfahrungs-
reihe der „Ulten" zunichte. Nach dem schnellen Ein
bringen einer überreichen Heuernte war das Bergen
der Körnerernte eine rechte Last, und gar manche
gute Gabe kam nicht ungeschädigt unter Dach. Doch
war es noch lange nicht so schlimm wie im Flutjahr
1912, da der Kegen jeglichen Tag rann und wir
noch am 7. Dezember einen recht Betrübten die
verfaulten Beste auf einem haferacker am hohen-
zeller zusammenrechen sahen. Uber um die Mitte
des Kugust - liebäugelte auch bei uns mancher mit
dem kaltgestellten Stubenofen, der sich über die außer
gewöhnliche Inanspruchnahme nicht wenig wunderte
und meinte: „Es wird wohl nicht eher Sommer wer
den, bis die letzten Sommerfrischlinge heimgeslüchtet
sind." Zehr bedauerlich um derer willen, dir in der
Vergwelt, in Bädern, an der Lee Erholung und Ge
nesung von wirklichen und eingebildeten Leiden suchen.
Nun hoffen wir auf einen günstigen herbst, der frei
lich in diesem Jahre mit süßen Gaben, besonders
Uepfeln, kargen wird, denn die Gbstbäume pflegen
Heuer fast überall nach der übergroßen Anstrengung im
Vorjahre der Kühe. Wen es nicht in die Ferne trieb oder
wer trotz des Triebs nicht das erforderliche Dapolin auf-
treiben konnte, blieb auch diesmal daheim und ging
wie weiland pfarrherr Kömheld, als die „anderen"
ihr Sommerheil in Berchtesgaden, am Kordpol oder
in großen Stäbten suchten, in die Heidelbeeren oder
unternahm Entdeckungsfahrten in der Heimat. Das
haben in ihren Sommerferien auch einige Lehrer
des Kreises getan und in nächster Nähe mit Hilfe
eines Filmstreifens, großer Geduld und viel Geschick
der pflanzen- und Tierwelt unseres Bergwinkels in
den verborgensten Winkeln, auf den einsamsten Trif
ten nachgespürt und Gelegenheitsbildchen von hohem
Werte eingefangen, von denen wir etliche gern schon
in dieser Kummer des Heimatblattes gebracht hätten,
wenn in der Kasse keine Ebbe herrschte. So offen
barte sich ihnen das Buchwassertal als ein Sam
melplatz von pflanzen, die im oberen Kinzigtal fast
völlig ausgeräubert sind, — Präparande, Seminar
und Schulen haben darin allerlei gesündigt. Sie
fanden dort bunt vereint nicht selten Springkraut,
Pfoffenhütlein, Judenkirsche, Kronsstab, Sumpf
wurz, Wasserdost, Tollkirsche, beobachteten den Eis
vogel und belauschten am 23. Juli, während die
große Welt um Sieg oder Kiederlage irgend eines
Preisboxers zitterte, einen Fischreiher und meldeten
von der Sinn, daß man in ihr einen 12 Pfund
schweren hecht gefangen habe. von einer anderen
Lrkundungsfahrt brachte man als Beute mit, daß
nicht nur in Schlüchtern ein neues prächtiges
Schwimmbad eingerichtet sei, das sich und anderes
sehr wohl sehen lassen könne, sondern auch Weichers
bach ein Bad zu Kutz und Frommen von alt und
jung geschaffen habe. Buch im Wassergebrauch ein
bemerkenswerter Wandel im Laufe der Zeit! vor
50 Zähren hielten nicht wenige das Baden im kalten
Wasser für seinen Selbstmord, und noch vor 30 Jah
ren stöhnte ein Einäugiger, der nach seiner Linlie-
ferung ins Krankenhaus vor der Bruchoperation zu
nächst und vor allem gebadet werden sollte: Kun
verliere ich ganz gewiß mein anderes 5luge "auch
noch!" Den Verlust des einen führte er auf einen
Gewitterguß in der Heuernte zurück. — Unsere Hei
matforscher brachten ferner mit, daß es in Mar oß
übel genommen worden sei, als ein heimatbericht
der Zossa dortselbst 5 von ihren 7 Metern Breite
unterschlagen habe. Vas ist wahrhaftig nicht gern
geschehen, sondern darauf zurückzuführen, daß bei
schlechter Schrift die 2 der 7 ähnlich werden kann
und auch der Vruckfehlerkobold manchmal hinter
dem Thronisten her ist. Ulso, darum keine Feind
schaft nicht! Erfreulicher als- solcher Kachweis eines
ungewollten Irrtums ist zweifellos die Pflasterung
der Hauptstraße in Elm, das auch in dieser Bezie
hung vorn marschiert, und das Emporwachsen der
neuen Schule in Salmünster, deren Grundstein am
l5. Juli feierlich gelegt wurde. — Buch in diesem
Sommer erfreute sich unsere Heimat zahlreichen Be
suchs. Ms erster sei der längst ersehnte des Zeppelin-
Luftschiffs erwähnt, dessen Unblick bei nachtschla
fender Zeit freilich nur die beglückte, die sich vom
Dröhnen der Propeller wecken ließen. Buch in die
sem Sommer haben wieder viele Kmerikaner die
alte Heimat aufgesucht, froh empfangen von ihren
Lieben und allen Bekannten. In Bellings allein
waren es fünf, von denen einer, wie wir hören, in
Heimaterde gebettet wurde. Im übrigen verliefen
die Berichtsmonate für die Heimat still. Und wenn
ich noch notiert habe, daß in Steinau Pfarrer Pfeiffer
und in Elm Pfarrer Liz. Thimme in ihr 5lmt ein
geführt wurden, bin ich am Ende mit dem, was
ich unseren Heimatfreunden in der Ferne vom Keuen
daheim in diesen Blättern berichten kann. In den
Streit der^Menschen, den öffentlichen und geheimen,
in dessen Trauer- und Lustspiele, mischt sich der Hei
matbund nicht. Er liebt und fördert am liebsten Be
sinnlichkeit und Stille, dir weithin fehlen und doch
so notwendig, d. h. notwendend, sind. wie viele
Menschen stecken heute so im Getriebe, daß sie nicht
mehr Herr über Urbeit und Vergnügen sind, sondern
diese sie beherrschen. Das wird bezeugt durch gar
manches 5lus-der-hautfahren am Wege durch den
Tag und die Woche. Wieviele „Scherben", die die
der Stille geboren wurde. Wer telephonieren will.
hört die eine Stimme nur, wenn die anderen schwei
gen. So hört auch der nur die Stimme aus der
ewigen Welt, die im Tagestreiben unser Ohr sucht,
der einmal still sein kann oder will. Wir stehen
wieder in einer Wahlzeit. Wahlzeiten zerstören unsag
bar viel mit Mühe aufgebautes vertrauen und wir-
l^drahams schwerster Gang / Rudolf Schäfer
Die Bilder 5. 155 u. 158 stammen aus der heiligen Schrift, die, von Nudolf Schäfer sehr reich bebildert, inr
verlag der privil. Württembergischen Bibelanstalt in Stuttgart erschienen ist. N. Schäfer ist der rechte
Mann dazu, den Inhalt des wichtigsten Buches der Welt dem evangelischen Volk durch Mittel der Kunst nahezubringen;
denn seine Kunst wächst aus dem Glauben, ist lauter, schlicht, demütig, männlich. Sein Können meistert die Mannigfaltigkeit
des Stoffes und feine letzte Einheit; seine Herzensfrömmigkeit spricht den Beschauer an; Kraft und Reinheit gehen von diesen
Bildern aus. wer in Haus oder Schule eine neue Bibel braucht, schaffe sich diese beste aller volkstümlichen deutschen Bilder-
bibeln an; sie ist für 12.- Mk. sehr billig! In voppelleinen vorzüglich gebunden; großer, klarer Druck.
Unrast oder das Fehlen der Stille in uns verursacht,
liegen auf ihm: von dem in Wut zertretenen Kragen
knopf an über die barsche, Zutrauen zerstörende Unt-
wort an das fragende Kind bis zum Familienzwist.
Wie kraftlos ist oft das Wort, das nicht aus der
Stille kommt. Kein Unterricht taugt etwas, hinter
dem nicht Stille steht, und selbst dem Wort der
Feier merkt man es an, wenn es zwischen der hast
der Tage erarbeitet werden mußte und nicht aus
ken meist wie Unwetter mit hagelschlag auf grü
nende Saaten des Heimatfriedens und nachbarlichen
Einvernehmens. Möchten doch alle im Kampf der
Meinungen und Ueberzeugungen nicht vergessn, daß
sie auch nachher noch miteinander leben wollen,
sollen und müssen, und daß unseres lieben Volkes
größtes Unglück noch stets erwuchs aus seinem eigenen
verderblichen Zwist. Flg.