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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 7
er dem Herrn einen Hltar baute, d. h. daß er das
Angesicht der Ewigen suchte. Dadurch wurde ihm das
Neue erst zur Heimat!
So wollen auch wir jetzt tun! Ich müßte mich
schämen, wenn ich diese Pflicht nicht fühlte, wir
wollen uns erheben, es einmal ganz still'werden
lassen um uns und in uns und vernehmen, was
Gottes Wort uns in dieser Stunde zuruft:
„Die ganze Gemeinde dankte dem Herrn, dem
Gott ihrer Väter. Darum seid auch ihr dankbar in
allen Dingen und banket Gott allezeit und für
alles! freuet euch der Barmherzigkeit Gottes und
schämet euch nicht seines £obes; denn die Furcht des
Herrn ist der Weisheit Hnfang.
Gott spricht: 5ln welchem Grte auch meines tla-
mens Gedächtnis gestiftet wird, da will Ich kom
men und segnen. Ich will dich unterweisen und dir
den weg zeigen, den du gehen sollst,' Ich will dich
mit meinen Hugen leiten. Darum will ich den Ewi
gen nicht vergessen, solange ich atme. Der Himmel
und Erde geschaffen hat und ewig Treue hält, der
den Unterdrückten Hecht schafft und die Gebundenen
befreit, der die Blinden sehend macht und die Gram-
gebeugten wieder aufrichtet. Er ist mit denen, die
Gerechtigkeit wollen; Tr behütet die, die keine
Heimat Habens Tr schützt die Witwen und Waisen,
aber die Frevler schickt er in die Irre. Tr will,
daß allen Menschen geholfen werde und sie zur
Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Seht, das ist Brot, das v.om Himmel kommt!
Es gibt der Welt das Leben! Darum ist Gottesfurcht
eine (Quelle des Lebens. Und wer seine Kinder
recht erzieht, siehet seine Lust und Freude an ihnen,
solange er lebt, und wenn er stirbt, braucht er
nicht zu sorgen.
Ehristus spricht: Ich bin der Erste und der Letzte
und der Lebendige. Lasset die Kinder zu Mir
kommen und wehret ihnen nicht; denn ihrer ist das
Gottesreich! Lernet von Mir,' denn ich bin sanft
mütig und von herzen demütig. Ohne mich könnt
ihr nichts tun!
Darum sei und bleibe diese neue Schule allezeit
ein Ort, da Gottes Ehre wohnet, wo stets die Früchte
des Geistes reifen nach des Hpostels Wort: Liebe,
Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Glaube,
Sanftmut, Ueinheit. Ohne diese Früchte kann keine
Schule leben. Sie seien in ihr allezeit Same und
Ernte! Das walte Gott!
Briefe des Malers Ludwig Grimm noch Steinau
..... die gesegneten Rhein- und Mainas-»»,»- «.
ich sie erblicke, doch nicht ohne Erregung und das °
eigentliches »aterianö sind. ansehen kann." Wiihesm
"^^^ie Geschwister Grimm waren Heimatmenschen
J / und haben zeit ihres Lebens gerne des Fleckchens
Erde gedacht, auf dem sie ihreIugend verlebt ha
ben, und dieses Fleckchen Erde ist ein Teil unserer Hei
mat, das Kinzigtal um Steinau. Hm allertreuesten
hing Ludwig Grimm, der Maler, an diesem
Städtchen und seiner Umgebung. Anschaulich hat
er die dort verbrachte Kindheit in seinen „Lebens
erinnerungen" geschildert. Er wird nicht müde, sich
der Schönheit des Kinzigtales, der alten traulichen
winke! und Gassen, der biederen, treuherzigen, ori
ginellen Bewohner zu erinnern, verschiedene Male
hat er Steinau wieder besucht, immer erwärmt und
beglückt von dem Wiedersehen. So lebendig bleibt
das „Iugendparadies" in seinem herzen, daß ihn
dabei niemals die bittere Wehmut überfällt, die sich
mit solchen Erinnerungsgängen gewöhnlich verbindet.
Die Heimat ist ihm immer ein Bad der Verjüngung.
Nie ist sie ihm fremd geworden.
1832 war der Maler mit seiner jungen Frau
nach Steinau gereist. Hochzeitsreise in die Heimat!
Dort im Pfarrhaus, wo der Großvater über 30 Jahre
gewohnt hatte, wo der Vater geboren war, lernte
er den Pfarrer Dr. vomel kennen (vergl.
„U. h." 1929, Nr. 8/9). Das junge paar schloß
mit den liebenswürdigen Pfarrersleuten gute Freund
schaft, die später durch herzlichen Briefwechsel lebendig
blieb. Die Briefe des Malers sind in den Besitz
von Frl. E. vömel (Franksuri) gekommen, die sie
dem Heimatbund zum Hbdruck freundlichst über
lassen hat. Sie folgen hier wort- und zeichengetreu,
aber stark gekürzt.
In diesen Tagen, da das Haus, darin sie zum
erstenmal gelesen wurden, aufgehört hat, Pfarrhaus
zu sein und anderen Zwecken entgegensieht, wird
den Heimatfreunden die Veröffentlichung dieser schlich
ten herzlichen Blätter aus einer versunkenen Welt
willkommen sein. w. Pr-
*
-freute sind, es 4 Wochen, daß wir in Steinau
anlangten, und von Ihnen und der Fraupfarr
^ ß so freundlich aufgenommen wurden, ja so, als
wenn wir bei nächsten verwandten gewesen, die vielen
Vergnügungen und angenehm verlebten Tage, die
freundlichen Gesichter, das günstige Wetter, alles trägt
dazu bei, uns immer mit wahrer Freude der Tage zu
erinnern, die wir Ihnen allen zu verdanken haben.
In der freundlichsten Begleitung bin ich wieder ein
mal die längstbekannten Wege und Stege, Berge
und wiesen durchgangen, und es war uns wohl in
Ihrem Haus, weil es da aufrichtig und natürlich war.
*
wir kamen, ich glaube um^5 Uhr, nach Fuld, in
Schlüchtern besuchten wir dis Tochter des verstorbenen
Praeceptors Zinkhan'), eine Jugendfreundin von
meiner Schwester. In Fuld blieben wir im Gaithaus
znm Kurfürsten, es zeichnet sich durch seine schöne
Lage und Hussicht aus ebenso auch durch die schlechte
Bedienung in jeder Hinsicht, da die wirthsleuie gern
gehabt hätten, daß wir ihren eignen wagen bis Gassel
nehmen sollten, haben sie trotz aller Erkundigung
hintertrieben, daß wir keine Gelegenheit bekommen,
und wir sind Montags früh 5 Uhr erst nach Tassel
gereißt. In Fuld haben wir alles merkwürdige in
Kirchen, in und außerhalb der Stadt so viel als es
') Lieschen, war mit einem Schlüchterner Glasermeister
verheiratet. Ihr Bruder war der als vortrefflicher Musiker
bekannte Kantor Zinckhan, damals 4. Knabenschullehrer.
das schlechte Wetter erlaubte besehen. Der jetzige
Bischof Pfaff den wir gelegenheit gehabt haben ken
nen zu lernen, ist ein gebildeter und äußerst ange
nehmer Mann und in seinen besten Jahren. Unter
den Büchern des verstorbenen Bischofs Uieger soll
nichts von bedeutung geweßen seyn.
Ihr Schreiben an das Ministerium des Innern
habe ich sogleich Hassenpflug gegeben, und ihm alles,
worüber wir in Steinau gesprochen, dabei bemerkt
und erzählt.
*
5ln den Staatsbeamten Gettschalck 2 3 ) bitte ich 10
Drachmen Grüße zu sagen, ich kann mir noch nicht
vergeben, daß ich von
dem berühmten Hmt-,
Stadt- und Landphisicus
habe verlangen können,
daß er mich unter sein
Messer nehmen sollte -
Herr! ich wußte aber
nicht, daß er das Messer
an den Nagel gehangen
und Hrtzt geworden. Der
Himmel erhalte diesem
Gall junior sein fröh
liches Gemüt und schenke
ihm bei seinen kranken
die gehörige Einsicht,
an Hussicht fehlt's ihm
nicht.
Endlich meinen Gruß
an die Frau pfarrin
doch den habe ich schon
meinerFrau ausgetragen
um ihn zu melden. So
auch meinen alten treuen
Jugendfreund, das Wäs
chen") nicht zu ver
gessen, es tut einem
recht innerlich wohl,
wenn sich ein Freund
nach so vielen Jahren
in seinen freundlichen
Gesinnungen unverän
dert erhalten. Grüßen
Sie ihn und seinen Bru
der, er soll nicht zu viel
arbeiten und an seine Gesundheit denken und nicht
vergessen, mich zu besuchen.
*
Hm Sonntag vor 8 Tagen ließ sich durch einen
Lohnbedienten ein Jugendfreund von mir melden, der
Jugendfreund kam und es war der Wanfrieder Loll
Denhard; er war hier, um sich verpflichten zu lassen,
und seine Frau Gemahlin hatte ihn nach Kassel be
gleitet, um dann nach Wilhelmshöhe zu lustwandeln.
Ich habe sie. nicht zu sehn bekommen, weil sie den
andern Tag in aller Frühe wieder abreiste. Der
Denhard erzählte mir, er sei außerordentlich glücklich
2) (Ein Jugendfreund des Malers, derselbe, der winters
dem Präzeptor das erwärmte Brettchen für die Orgelbank
hatte nachtragen müssen. Im Kurh. Staats- und Bdreß
handbuch aus d. I. 1834 ist er als Bmts-Wundarzt genannt.
3 ) Der Töpfer Nikolaus Dell, Haus Nr. 107.
verheiratet, seine Frau besäße alle Tugenden einer
liebenswürdigen Frau, der Denhard sieht sehr wohl
und vergnügt aus und erzählte mir viel von den
Steinauer Unruhen 4 ). So sehr er sich verbessert hat,
so äußerte er doch noch viel Hnhänglichksit an dortige
Gegend. Tr beklagte sich, es sei gar zu teuer in
Wanfried und er habe ganz ungeheuer viel zu tun,
so daß ihm kaum Zeit zur kaffeetrinken übrig bliebe.
(8. Juli 1832)
*
vorgestern kam dem Staatsbeamten sein Erstge
borener und brachte mir Ihren Brief und das Täfel
chen • ) gut erhalten an, meinen herzlichsten Dank dafür
wie für Ihre freund
liche Hufmerksamkeit, es
ist bei das andere ge
hängt worden und er
innerte mich an Steinau,
wenn das noch notig
wäre. Den jungen
kriegsmann habe ich
nach allem ausgefragt,
und hat er mir erzählt,
was er wußte, aber er
schien mir doch nicht
viel aus dem Schloß
gekommen zu sein. von
zwei glänzenden, dort
gehaltenen kindtausen
schien er mit Behagen
zu erzählen, wo sein
Vater die Freundschaft
gehabt hätte, zum Tanz
zu musizieren. Hch! wer
da dieses überselige,
lächelnde, schaukelnde,
matt freundliche Hnge-
sicht von diesem Staats
mann hätte betrachten
können. Die vielen un
passenden Höflichkeiten,
dieses Gemisch von alten
und neuen Hedensarten,
dieses Huskramen von
lateinischen Worten, die
ses immer den Nagel auf
den köpf treffen wollen
und doch daneben schlagen, ach was für ein Feld für
jemanden, der so etwas gern sieht, so lebhaft ich mir
dieses nun alles vorstellen Kann, so geht doch nichts
über die Natur, so einen Erzphilister in seiner vollen
Liebenswürdigkeit genießen zu können, so eine Drach-
men-konservation ist in jetziger Zeit schon etwas
wert, wo man Hufheiterung bedarf von innen und
*) „Krawall 1830". Ziehe Bergwinkel-Thronik" Seite 53.
5 ) Das Täfelchen mit den eingefchnitzten Anfangsbuchstaben
P. W. G. oder ein ähnliches. — L. Grimm schreibt 1816 in
einem Brief: „Nachher habe ich die ganze Kirche betrachtet
und alle Grabsteine und auch die Orgel, wo überall unsere
Namen noch eingeschnitten stehen!" — Wilhelm Grimm
schreibt 1826: „Ich suchte den geistlichen Stand auf und fand
vornen auf dem Brett für die Gesangbücher zweimal den
Namen meines Vaters p. W. G. (Philipp Wilhelm Grimms,
den er als Kind vor länger als siebzig Jahren da eingekratzt
hatte, wahrscheinlich während der Langenweile, die ihm die
predigt machte." (Siehe unsere Bbbildung S. 143).
Der Griesschreider: Ludwig <L. Grimm
Selbstbildnis 1813