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Seite 136 HsZHAsAZAAGZIKZHsAGZZAG-Z Unsere Heimat
tz Nr. 17/18
krieg der Königs Ludwig XIV. von Frankreich davon
abgehalten hätte.
Kber nur kurze Zeit später, am 8. Juni 1698 ver
ließ Vektor Wiesenbach doch Schlüchtern, um eine
Stelle als Präceptor am Pädagogium zu Marburg
anzutreten, die er bis zu seinem im Jahre 1734 er
folgten Tode inne gehabt hat.
Kn Vektor Wiesenbachs Stelle in Schlüchtern t:at
am 2. Dezbr. 1698 der aus Dillenburg stammende
Marburger Präceptor Johann Philipp Hof oder hof-
sius, wie er sich mit latinisiertem Hamen zu nennen
pflegte.
Kuch in der 5arm hopfius findet sich sein Name
gelegentlich verzeichnet, so z. B. in der Klosterrech
nung für das Jahr 1699, der die im Folgenden wie
dergegebene Zusammenstellung der jährlichen Tin-
kommen der einzelnen Lehrer des Schlüchterner Gym
nasiums am Ende des 17. Jahrhunderts entstammt.
Wiesenbach, berufen. Tr war in Wallendorf, einem
Orte des Vassau-Diezschen Landes, geboren und hatte
am Marburger Pädagogium unter Präzeptor Hof,
seinem Vorgänger im Schlüchierner Rektorat, die wis
senschaftliche Grundlage zu seinem späteren Beruf als
Lehrer gelegt. Nach Vollendung seines Studiums
hatte er das Rektorat der Lateinschule in Diez erhal
ten, das er 10 Jahre inne gehabt hatte, als ihn der
Nuf nach Schlüchtern erreichte.
vis zum Jahre 1725, somit einen Zeitraum von
17 Jahre hindurch, hat Vektor Wiesenbach die
Schlüchterner Schule ^geleitet, anscheinend ohne daß
sich während dieser Zeit etwas Wichtigeres ereignet
hat, was Knlaß zu besonderen schriftlichen Keutzerun-
gen hätte geben können, denen wir heute noch einen
Einblick in seine Kmtstät'.gkeit in Schlüchtern zu ver
danken hätten. Trst von seinem Tode berichten einige
alte Schriftstücke. So heißt es in einer Kufzüchnung
d
«
Lehrer
Gehalt
in Geld
Brenn
holz
Korn
Weizen
Gerste
Erb
sen
Hafer
Heyden
Stroh
Schock
1
Vektor hopfius
80 Guld.
12 Kl.
10 Mltr.
2 Mltr.
5MI.4Mß.
4Mß.
6 Mltr
2 Mltr
2
Konrektor Kratzeller
70 „
10 „
9 „
1 „
4 „ -
4 „
4
i
ö
3
Präzeptor Schlemmer
50 „
9 „
7 „
4 Maß
3 „ -
1 „
^ ,,
3
n
1
3
4
Präzept. u. Tant. vaupel
62 „
8 „
10 „
1 Mltr.
2 „ -
2 „
6 „
1 n
2 „
2
2
Dazu kamen freie Wohnung und Stallung für das
Vieh, sowie Gartenland und Wieswachs, denn ohne
die Haltung von Vieh (Kühen bezw. Ziegen, Schwei
nen und Federvieh) war zu jener Zeit die Führung
eines Haushalts in Schlüchtern noch nicht möglich.
Vektor Hof oder hopf scheint ein tüchtiger Päda
goge gewesen zu sein. Jm besonderen hatte es die
Schule ihm zu verdanken, daß von seiner Zeit au
alljährlich auf Grund der CErgebni.se der Tramina in
den einzelnen Schulklassen an die besten Schüler
auf Kosten .dies Klosters Prämien verteilt werden
konnten, die für den (Eifer und das Streben der
Schüler sicherlich kein geringer Knsporn gewesey sein
mögen.
Daß er auch Klagen über Mißstände an seiner
Schule sein Ohr nicht verschloß, wenn er deren Be
rechtigung anerkennen mußte, zeigen uns die Nieder
schriften der Schlüchterner presbyterialsitzungen aus
seiner Zeit. So wurde z. B. nach einer solchen in
der betreffenden Sitzung des Presbyteriums darüber
geklagt, daß der Präzeptor vaupel „allzuhitzig sei
und die' Kinder gelegentlich so übel traktiere, daß
die Schule dadurch Schaden erleide",' in einem ande
ren, „daß die Lehrer der Schule von den Kindern zu
hohe Kkzidenzien fNebeneinnahmej verlangten."
Kllen derartigen Klagen scheint Vektor Hof auf
das Bereitwilligste stattgegeben zu haben, sodaß sie
bald verstummten.
Bereits im Jahre 1708 erhielt Vektor Hof den
Ruf, das Rektorat an der in Heidelberg wieder er
öffneten Lateinschule zu übernehmen, dem er, nicht
zum Nutzen >der Schlüchterner Schule, folgte. Nach
einer 34 jährigen Gesamt-Wi.kfamkeit als Lehrer und
Vektor ist er dort im Jahre 1742 nach einem arbeits
reichen Leben gestorben. Zum Nachfolger des Vektors
Hof am Schlüchterner Gymnasium wurde der Leiter
des Gymnasiums zu Diez, der Vektor Johann Ludwig
(r —«./uvtuuami, seines Nachfolgers
im Rektorat des Schlüchterner Gymnasiums von ihm:
„fatah casu obiit“ [CEr ist durch einen verhängnisvol
len Vorfall zu Grunde gegangen) und in einer an
deren: „Obiit morte sibi ipM per melandioliam"
procurata“ [(Er ist infolge von Schwermut durch Selbst
mord zu Grunde gegangen). Ltwas Genaueres über
dieses ungewöhnliche Tnde des Vektors berichtet das
Kirchenbuch von Schlüchtern, in dem sich Folgendes
eingetragen findet: „Km 24. Juli 1725 ist alllstestgen
Gymnasii Vektor Johann Ludwig Wiesenbach in sei
ner Stube durch einen Pistolenschuß mit Tod abge
gangen und am 27. Mittags gegen 5 Uhr nach
herrschaftlichem Befehl in der Stille, ohne Klang, Ge-,
sang und predigt begraben worden."
Die Erkenntnis, daß der Vektor offenbar ein un
glücklicher, an Schwermut leidender Kranker gewesen
ist, dem die Verantwortung für seine Tat nicht zuge
rechnet werden konnte, hat man in jener Zeit nicht
gehabt und nach Lage der Verhältnisse auch noch nicht
haben können. Lehrer des Gymnasiums unter Vektor
Joh. Ludwig Wiesenbach waren der auch schon unter
seinem Vorgänger tätig gewesen? Konrektor Joh.
Taspar henric-petri, der Sohn eines Schlüchterner
Hutmachers, der aus Basel stammte und von dort in
Schlüchtern eingewandert war, und der Kantor Jo
hann Daniel vaupel.
Tin anschauliches Bild von der Schullaufbahn eines
offenbar nicht schlecht begabten Schülers des Gym
nasiums in jener Zeit stTnds des 17. Jahrhunderts)
sowie von der Krt der den guten Schülern damals
verliehenen Prämien vermag uns der selbst ver
faßte kurze Lebenslauf zu geben, den wir dem ehe
maligen Schüler des Gymnastums und späteren Leh
rer Johann Thomas Pauli zu Tlm zu verdanken
haben. Tr liegt uns in einer Kbschrift vor, die
Dr. Lotich einstmals angefertigt und in seinem Hefte
mit allerlei sonstigen geschichtlichen Kufznchnungen
Nr. ms Unsere Heimat mmmmmmmmmmmm -E- m
von seiner Hand hinterlassen hat. Pauli schreibt von
sich:
„Knno 1690 den 19. November bin ich Johann
Thomas Pauli zur Welt geboren worden. Mein
nunmehr seliger Vater war damaliger Schuldiener
zu Tlm und aus Schlüchtern. Knno 1700 ließ mich
derselbe durch den rectorem Johann Philipp hof-
fium bei dem Schlüchterischen Gymnasio einschreibeu
und zu dem praeceptor quartae classis Herrn Jo
hann Daniel vaupel*) in die Zcbul setzen. Knno 1701
wurde ich ex quarta ad tertiam zu Herrn prae-
ceptcrem Schlemmer promovirt. — 1703 hab ich
beim examine ein praemium und zwar den orbem
pictumh davon getragen. In diesem Jahr bin ich
ad secundam zu Herrn Tonrector Johann Georg
vüffer promovirt worden, wob.i zum praemium den
Tornelium nepotem 2 ); anno 1704 die vhetoric ^) zum
praemium, in demselben Jahr Tlaubergii logi-
cam 4 ) und 1706 die Medullam cratoriam h und
ad classem primam zu Herrn Rector hoffio pro
movirt worden,' 1707 zum praemium den teutschen
Heidelberger Tatechismum mit Hanau scher Erklärung.
In diesem Jahr kam Herr rector hoffius auf erhal
tene vocation (Berufung) nach er Heidelberg an das
dasige rectorat. 1708 zum p.aemium den heb.äischen
Psalter und kam Herr Johann Ludwig Wißenbach,
welcher an der Schule zu Diez als rector gestanden,
an das hiesige Gymnastum. Bei seiner Knkunft war
eine gar kleine frequrnz von Tla siquern [wohl Schü
lern in der prima) maßen unserer nicht mehr als 3
waren als 1) Ich, 2) Johann Vonhebel,**) 3) Gerhard
0>eul von Seckbach. 1709 wurde ich ad lictiones pub-
licas promoviert [zur Universität b fördert).
Ich frequentirte ein Tollegium bvm rector Wißen
bach. Durch den Tod meines Vaters (1710) mußte ich
abbrechen und mein vorhaben gänzlich herausstellen.
Mutter und Geschwister zu unterstützen hi lt ich um
den Schuldienst zu Tlm an. Ich war 19 Jahre alt."
Pauli ist, wie schon gesagt, sicher kein schlechter
Schüler gewesen. Wenn er zum Durchlaufen der
Ouarta 1 Jahr, der Tertia 2 Jahre, der Sekunda 3
Jahre und der prima ebenfalls 3 Jahre gebraucht
hat, so wird angenommen werden dürfen, daß 9
Jahre damals die normale Dauer für die Schullauf
bahn eines Schlüchterner Gymnas asten gew.sen sein
wird. Bemerkenswert erscheint die Kngabe Paulis,
daß er nach glücklicher Vollendung seiner Gymna
siallaufbahn, ein Tollegium bei Vektor Wißenbach
gehört habe, weil sie darauf schließen läßt, daß
dieser Vektor seinerzeit in Schlücht.'rn auch noch eine
über das gewöhnliche Maß dos Gymnasialunterrichts
hinausgehende Krt von Universiiätsunterricht erteilt
hat. Das wird heute weniger merkwürdig erscheinen,
wenn man sich vergegenwärtigt, daß es in jener
*) Da Vaupel nur Schüler annahm, die schreiben und
lesen konnten, mutz Pauli schon vorher Unterricht genossen
haben.
**) Uonhebel war der Uame einer Schlüchterner Bürger-
familie jener Zeit.
Anmerkungen: ') zu deutsch: „Die Welt im Bild",
abgekürzter Titel einer im Jahre 1675 von dem bekannten
Pädagogen Tommenius herausgegebenen, mit Bildern ver
sehenen Schrift in lateinischer Sprache. - Alter lateinischer
Schriftsteller, der heute noch in den Gymnasien k. gelesen
wird. a ) Anleitung zur Redekunst. 0 Tin von einem pä-
dagogen Namens Tlauberg verfaßtes Lehrbuch von den Ge
setzen des Denkens, y Zu deutsch: „Der Rern der Redekunst."
Zeit ein Berechtigungswefen, wie wir es heute haben,
noch nicht gab, und daß es daher jedem, der sich
einem der sog. akademischen Berufe widmen wollte,
freistand, sich die dazu nötigen Kenntnisse zu erwer
ben, wie und wo sich ihm die Gelegenheit dazu bot.
Die durch den plötzlichen Ted des Vektors Wißen
bach notig gewordene Wahl eines neuen Vektors
fiel auf den aus Hanau gebürtigen Lehrer Johannes
Kndreas Scherer. Kuch in ihm erhielt das Gym
nasium wieder einen kranken Mann zum Leiter, denn
er litt offenbar an sich nicht selten wiederholenden
epileptischen Krampfanfällen. Des oftern finden sich
in den presbyterial-peotokollen aus seiner Z.it Tin-
träge wie: „Der Vektor Scherer hat gestern wieder
das Unglück in der Schule bekommen und furchtbar
geschrien und haben sich die Schüler sehr entsetzt",
oder „die discipuli [Schüler) wollen nicht mehr die
Klasse besuchen."
Kls Lehrer des Gymnasiums unter Vektor Scherer
werden in den damaligen Klosterrechnungen genannt:
Der bereits im Dienste des Schlüchterner Gymna
siums ergraute Konrektor Johann Kaspar henric-
petri, der Präzeptor Johann Heinrich Schlemmer und
ein Kantor namens Pauli.
Km 28. Mürz 1736 starb Graf Johann Rein
hard III. von Hanau als letztes männliches Glied
seines Geschlechts, sodaß die Grafschaft Hanau-Mün
zenberg gemäß dem bereits im Jahre 1643 geschlos
senen Erbvertrag an das landgräfliche Haus Hessen-
Kassel fiel.
Da Landgraf Friedrich I. von Hessen-Kassel in
seiner Ligenschaft als König von Schweden bereits
im Jahre 1750 auf die Erbfolge in der Grafschaft
Hanau zu Gunsten des jedesmaligen ältesten Prinzen
des regierenden Hauses verzichtet hatte, so wurde
sein Bruder Wilhelm, der nachmalige Landgraf Wil
helm VIII. von Hessen, regierender Graf der einst
weilen noch selbständig bleibenden und nur einen
Teil der Landgrafschast Hessen bildenden Grafschaft
Hanau.
Vektor Scherer verwaltete trotz seines Leidens das
Rektorat des Schlüchterner Gymnasiums noch bis
zum Jahre 1740. Erst in dieser Zeit erhielt er unter
Bewilligung eines geringen Ruhegehalts seine Ent
lassung aus dem Schuldienste. Tr behielt auch in
seinem Ruhestände den Wohnsitz in Schlüchtern bei
und ist daselbst am 18. Febr. 1748 gestorben.
Nachfolger des Vektors Scherer im Rektorat des
Gymnasiums wurde der aus einer Schlüchterner
Handwerkerfamilie hervorgegangene und durch. ein
langes Studium wissenschaftlich trefflich vorbereitete
Lehrer Johann Heinrich Hadermann.
von seiner Person und seiner, einen Zeitraum von
nicht weniger als 45 Jahren umfassenden Wirksam
keit am Schlüchterner Gymnasium soll in den nächsten
Kbschnitten dieser Kbhandlung die Rede sein.
(Fortsetzung folgt)
wenn ich hat die ganze Welt
gold silber und den Zoll am Reihn
so soll mir mein schätz doch lieber sein.
1851
Lieb in Lieb geschlossen
treu in treu verflicht
bis uns der Tod das Leben bricht.
Eva Margarethe Bertholt» (Truhenspruch Wallrath)