GRIMM (WILHELM)
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In der Vorrede, die am 18. Nov. 1839 unterzeichnet ist,
zählt er 19 Handschriften auf, die er bis auf wenige
unbedeutende benutzt hatte; sie sind aber sämmtlich nur
Bruchstücke. In der Einleitung (S. XI — LIII) unter
sucht er das Gedicht. Konrad von Würzburg (starb 1287)
hatte wol den höchsten Gipfel seiner Kunst' erreicht, als
er die gsldene Schmiede, ein Lobgedicht auf die Jung
frau Maria, das ihre Eigenschaften und Tugenden ver
herrlicht, dichtete, und ist in soweit ein religiöses Lehr
gedicht, als es zugleich versucht die höchsten Mysterien
des christlichen Glaubens in Bildern und Gleichnissen aus
zudrücken. Dies sind die Edelsteine, die der Dichter in
ein Schatzkästchen sammelt, oder zu einem schimmernden
Geschmeide in das Gold seiner Rede faßt. Da er nur
Weniges von dem Tode Christi am Schluffe erzählt,
auch nur Einiges von dem Leben der Jungfrau berührt,
so kann weiter von einem Inhalt nicht die Rede sein; es
sind nur Lobpreisungen und Bilder, die sich in zufälliger
oder willkürlicher Ordnung an einander drängen (S. XI
—XIII). Diese Bilder sind entweder aus der heiligen
Schrift oder aus den auffallenden Erscheinungen der
Natur genommen, sie sind aber nicht seine Erfindung,
sondern bei weitem das Meiste war ihm überliefert (XVH.
XVIII). Die Verbreitung dieser Bilder durch das ganze
Mittelalter weist nun Wilhelm Grimm nach, läßt dann
das Gedicht folgen (S. 1—60), zählt darauf die ver
schiedenen Lesarten auf (S. 63 — 141), gibt dann er
läuternde Anmerkungen (S. 145—157) und fügt end
lich ein Register hinzu (S. 159 —172).
In den Gött. gel. Anz. 1840. St. 196. S. 1959
—1960 recensirte er dann: Gudrun, aus dem Mittel
hochdeutschen übersetzt von Adalb. Keller. Stuttgart
1840 (diese Recension ist zwar anonym, dürfte aber jeden
falls ihm zugeschrieben werden), und ließ darauf fol
gen: „Konrads von Würzburg Silvester von
Wilhelm Grimm. Göttingen 1841." Dieses von
Konrad vor der goldenen Schmiede verfaßte Gedicht, dessen
Mittelpunkt die übernatürliche Tödtnng und Wiederbe
lebung eines Stieres ist, wodurch der Streit zwischen
Christen und Juden zu Ende gebracht wird, veröffentlichte
Wilhelm Grimm zum ersten Mal vollständig aus der ein
zigen bekannten trier Handschrift. Die einleitende Vorrede
(S. III—XVI) fällt in die letzten Tage seines casseler
Aufenthalts (s. dessen Brief an G. K. Frommann tu
Pfeiffer's Germania 12, 371), worauf dann das Ge
dicht selbst folgt mit den nothwendigen kritischen Anmer
kungen (S. 1 — 169).
Für die mit dem Jahre 1841 beginnende Zeitschrift
für deutsches Alterthum von Haupt lieferte Wilhelm
Grimm folgende Beiträge: 1, 30—33: „Freidanks Grab
mal", und 423—428: „Zu Wernher vom Niederrhein".
Mit März 1841 beginnt nun die berliner Zeit der
Brüder, welche für Wilhelm Grimm 18 Jahre währte.
Seine Antrittsrede in der Akademie hielt er am 1. und
22. Dec., indem er die Abhandlung: „Die Sage vom
Ursprung der Christusbilder" (Abhandlungen S.
121—175; auch als Separatabdruck, Berlin 1843, er
schienen) vortrug. Mit dieser Abhandlung sucht er eine
A. Encykl. d. W. u. K. Erste Sertivn. XGI.
—
11.
Literatur. ^
Die „Encyklopädie der Wissenschaften und Künste" von Ersch und Gru
ber hat auch in der aufgeregten Zeit, die wir erlebt haben, keinen Stillstand
erlitten, wenn sie auch langsameren Schrittes vorwärts gegangen ist. Vor uns
liegt der einundncunzigste Theil der ersten, ihrem Schlüsse sich nähernden Ab
theilung, der die Artikel Grias bis Grizio enthält. Besonders anziehend
sind die ausführlichen Artikel des Namens Grimm. Ueber die beiden Brü
der Grimm, die so innig zusammengehören, daß mit Recht dieser Scelcnbund
hier die alphabetische Ordnung gesprengt hat, berichtet in eingehendster, durch
aus würdiger Weise A. Raßmann, der nicht zu viel behauptet, wenn er sagt,
die Geschichte der Wissenschaft habe keinen Mann auszuweisen, der Größeres
und Epochemachenderes für sic wie zum Heil und Stolz seines Volkes gelei
stet als Jakob Grimm. Einer der jüngeren Brüder der beiden Dioskuren, der
Maler und Kupferstecher Ludwig Emil Grimm, hat in Hermann Grimm
einen ebenbürtigen Darsteller gefunden. Wir erfahren hier, daß die diesen be
treffende Stelle Goethe's in einem Briefe an Bettina in Goethe'S „Brief
wechsel mit einem Kinde" bis auf einige unbedeutende Abweichungen wörtlich
mitgetheilt ist, während Bettina sonst bekanntlich Goethe's Briefe auf das will
kürlichste umgestaltet hat, eine Schuld, die längst durch Mittheilung der wirk
lichen Briefe hätte gesühnt werden sollen. Unter den übrigen Artikeln heben
wir den über die Sage von GriseldiS hervor, der keinen tüchtigeren Be
arbeiter als Neinhold Köhler finden konnte.
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347—367; auch als Separatausgabe, Berlin 1846, er
schienen). Dieses nach einer französischen Quelle in den
ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh, von einem unbekann
ten Dichter verfaßte Gedicht, dessen Sprache ihrer Grund
lage nach hochdeutsch ist, mit einer beträchtlichen Menge
niederdeutscher Worte und Formen — die W. Grimm als
mitteldeutsch bezeichnet — ist nur bruchstückweise erhal
ten : vier Pergamentblätter im königlichen Archiv zu Arns
berg in Westfalen (jetzt in Berlin), herausgegeben von
Grafs in seiner Diutiska 1824, und zwei andere, in
deren Besitz Archivrath Lacomblet gelangt war und sie
in seinem Archiv für die Geschichte des Niederrheins ver
öffentlichte, wozu dann W. Grimm, als er seine Arbeit
fast vollendet hatte, noch zwei weitere Pergamentblätter
vom Professor Nebel in Gießen erhielt. Die nicht un
beträchtlichen Bruchstücke dieses Gedichtes, welches der
Blüthezeit der alten Poesie angehört und einem im
Mittelalter vielfach behandelten und bis in die neuere
Zeit lebendig gebliebenen Stoff besingt (ein Freund liebt
des Freundes Gattin; der Freund opfert sich, geht nach
Nom und vergilt dort seine Liebe dem Freunde durch
Freundestreue), untersuchte er nun nach Sprache, Ursprung
und Inhalt u. s. w. in der Einleitung (S. 3—81 der
Separatausgabe) und gab dieselbe heraus (S. 82—123
ebenda). Weitere Bruchstücke erhielt er später aus der
Meusebach'schen Bibliothek, die er 1852 herausgab, und
eine besondere Abhandlung über diese Sage erschien dann
nach seinem Tode in Haupt's Zeitschrift (s. u.).
1845 erschien von ihm ebenda Bd. 5. S. 381—384:
„Zu Walther von der Vogelweide".
Den 24. April 1845 und 12. Nov. 1846 las er in der
Akademie „Exhortatio ad plebem Christianam, glossae
Castellanae über die Bedeutung der deutschen Finger
namen" (Abhandl. S. 425—511; auch als Separataus
gabe, Berlin 1848, erschienen). Das unter dem Namen
Exhortatio ad plebem Christianam bekannte althoch
deutsche Denkmal enthält eine Ermahnung an die Laien,
welche die Taufe empfangen haben, das apostolische
Glaubensbekenntniß und das Vaterunser sorgfältig zu
lernen: dabei wird ihnen zur Pflicht gemacht, ihre Tauf-
pathen wiederum im Christenthume zu unterrichten. Die
ses Denkmal ist in zwei Handschriften erhalten, in der
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