Full text: Zeitungsausschnitte über Wilhelm Grimm

nur 0e^tr-aMle'?MMMM^»M^W 
graue Kleid trägt — und Lu? Sie wissen es 
-draußen ganz genau, -dag du ebenso freudig 
Soldat würdest, wie sie es geworden sind, aber 
du stehst hier auf einem Platz, auf dem du ge 
braucht wirst, den d-n nicht verlassen darsst. aus 
dem du ebenso notwendig t)ist wie der Karl 
draußen i-m Bunker. Auch du bist Front! 
In den ersten Tagen habt ihr euch in der 
Kantine darüber unterhalten, nach Feierabend 
habt ihr euch wieder zusammengesetzt und über 
legt. ob ihr nicht etwas Besonderes tun könntet 
für die da draußen — fast ein halbes Jahr ist 
das schon her. Und heute sind alle diese Dinge, 
die damals besprochen wurden, zu einer freu 
digen Selbstverständlichkeit geworden. Heute 
weißt du, daß die Betriebsgemeinschaft, in der 
du stehst, in ständiger Verbindung mit den 
Kameraden i-m feldgrau-en Kleid ist, daß diese 
große Gefolgschaft nicht aufgehört hat, sondern 
weiterbesteht. 
Was wurde alles getan in den vergangenen 
Monaten. Wie viele Briefe mögen wohl zwischen 
den beiden Fronten drinnen und draußen ge 
wechselt worden sein! In den ersten Tagen 
schrieb der Karl und schnitt die Frage an: „Für 
Essen und Trinken, für die Miete und die lau 
fenden Verpflichtungen wird meine Frau ja das 
notwendige Geld bekommen. Wißt ihr was, ob 
der Betrieb . . .?" Und dann fandest -du eines 
Tages am Schwarzen Brett die Mitteilung, daß 
der' Betrieb freiwillig die staatliche Fürsorge 
für die Familien der Eingezogenen ergänzen 
werde. Auf deinen Brief schrieb dir der Karl 
zurück: „Es war eine freudige Ueberraschung, 
zu hören, daß der Betrieb einen freiwilligen 
Zuschuß an die Familien zahlt. Inzwischen hörte 
ich von meiner Frau, daß sie das Geld für Sep 
tember schon bekommen hat. Ich betrachte dieses 
Entgegenkommen als echte kameradschaftliche 
Verbundenheit von Führung und Gefolgschaft." 
Und wieder einen Brief später dankte er dir 
und allen Kameraden für die Feld-postpäckchen 
mit Zigaretten, für die Zeitungen und Zeit 
schriften. die nun regelmäßig vom Betrieb ge 
schickt würden. Besonders die Liebesgaben träfen 
überraschender Weise haarscharf vor dem Löh 
nungsappell ein, so u-m die Tage herum, wenn 
nicht mehr viel im Brustbeutel klappert. Im 
Oktober, im November und i-m Dezember hörtest 
du -dann, daß die freiwilligen Zulagen a-uch für 
diese Monate bezahlt würden. 
* 
Alle diese großen und kleinen Dinge sind heute 
schon zu einer Selbstverständlichkeit für uns i-m 
Zur Entgegennahme von 
Familien-Anzeigen 
für unsere Ausgabe vom 
27. Dezember 
halten wir unsere Schalter 
räume am 26. Dezember 1939 
(zweiter Feiertag) in der Zeit 
von 11 bis 13 Uhr geöffnet. 
SgtfflMeuUüiß 
Neues Magdeburger Tageblatt 
Ausn.: Otto Vieth 
Für die Kinder der Eingezogenen veranstalteten die Betriebe Weihnachtsfeiern, während fast am 
gleichen Tage draußen die Feldpostpäckchen des Betriebes in die Hand der Väter gelangten 
herausgibt, mag sie nun auf dem Vervielfälti 
gungsapparat abgezogen oder sogar wie eine 
richtige Zeitung gedruckt werden. Viele Betriebe 
haben diesen „direkten Draht" zwischen drinnen 
und draußen in den vergangenen Monaten „ge 
spannt" — und die Begeisterung, mit der jede 
neue Ausgabe an der Front begrüßt wird, spricht 
aus allen Briefen, die aus den Bunkern uns er 
reichen. Durch diese eigene Frontzeitun-g stehen 
wir mit ihnen und sie mit uns in ständiger Ver 
bindung. Wenn der Betrieb schon immer eine 
Gemeinschßlft gebildet hat — jetzt i-m Kriege ist 
er zu einer großen Familie geworden, deren 
Kinder überall in deutschen Landen auf Posten 
stehen und ihre Pflicht erfüllen, der eine bei 
einem Truppenteil, der andere bei der Polizei, 
-der dritte i-m Bautrupp — und wir im Betrieb! 
* 
Wie schön hat sich dieser einzigartige Familien 
geist der Vielverzweigten Gemeinschaft in dieser 
Kriegs-Weihnachtszeit gezeigt. Als es 
die Gratifikationen gab, wurdest die Familien 
der Eingezogenen nicht vergessen. Kurz vor dem 
Fest herrschte Hochbetrieb im ganzen Haus. 
Weihnachtsfeiern für die Kinder der Soldaten 
wurden vorbereitet, der Abteilungsleiter für die 
Familienbetreuung legte eine große Liste an, 
auf der die Kinder aller „Betriebsfoldaten" 
standen, tritt Name und Geschlecht. Der fünf 
jährige Hans, der -gern mit „Trommeln und mit 
Pfeifen" durch die Zimmer marschiert, sollte 
und das Werkorchester probten -und 'studierten 
zarte Weihnocht'sklänge mit rauhen Mänüer- 
kehlen ein. die Wevksrauengrup-pe legte „papie 
renes Linnen" auf lange Tafeln, die mit 
Tannengrün geziert wurden. Und dann kam der 
große Tag: Die Frauen -und Kinder der Sol 
daten rückten an. Pakete -und Weihnachtstüten 
türmten sich im Gemeinschaftsraum auf — und 
in der Hand des Betriebsführers knisterten ge 
heimnisvolle Er-atifikationstüten. die Mutter in 
Empfang nahm, während der kleine Schor-fchel 
dem Weihnachtsmann die Patschhand gab und 
Tüte samt Paket mit den kleinen Äermchen 
zwingen wollte. Nach Tan-nengrün und Kuchen 
duftete es — und es fehlte nur der „Soldat 
Papa", um das Glück vollständig zu machen. 
Aber er war auch nicht vergessen worden und 
bekam am gleichen Tag das Wei-hnachtspäckchen 
des Betriebes in die Hand, das alles enthielt, 
was ein Soldatenherz erfreut. Und nicht nur 
darüber, sondern ganz besonders über die Weih- 
nachtsüberrafchung. die seine Frau und seine 
Kinder im Betrieb erlebten, hat er sich gefreut. 
Ihr hättet ihn sehen und hören müssen, als er 
jetzt zwei Tage vor dem Fest auf Weihnachts 
urlaub kam und drei Stunden nach seiner 
Ankunft schon iur Betrieb erschien . . . Um zu 
erzählen und zu danken. Mit ruhigem Herzen 
wird er wieder abfahren, denn er weiß, daß er 
nicht vergessen wird und seine Familie nicht 
allein auf sich gestellt ist. Ein ganzer Betrieb ist 
WMMtslleder für Verwundete 
Der Domchor spendete Freude — Prof. Lhemm-Petit dirigierte im Standortlazarett 
Am Sonnabendnachmittag stattete unser Dom 
chor den Verwundeten des Standortlazarctts 
einen unverhofften Besuch ab und sang auf den 
Hauptfluren aller drei Etagen eine Reihe der 
schönsten Weihnachtslieder. Schnell hatten sich 
die Zimmertüren geöffnet, Leichtverletzte kamen 
herbei und lauschten unter brennenden Weih 
nachtsbäumen den von Professor Ehemin- 
Petit, dem komm. Leiter des Domchors, sorg 
fältig zusammengestellten, Darbietungen. 
Den Auftakt bildete die stimmungsvolle Mo 
tette von Hammerfchmidt: „Macht die Tore 
weit." Markig klangen die gewaltigen Akkorde 
durch den Raum, bestens abgestimmt in der 
musikalischen Auslegung der Engführungen und 
in der tonlichen Struktur. Mit bester Heraus- 
g des polyphonen Gewebes deutete der 
dieses Stück. Nach diesem Werk er- 
M ä n n e r ch o r mit der alten Weise 
ein Ros' entsprungen", die in ihrer 
rmonje die Entfaltung der technisch 
geschulten Stimmittel ermöglichte, 
rkungsvollen Gegensatz bot dazu der 
' o r mit einer schlichten VöUsweise, 
die, mit äußerster Pianokultur vorgetragen, diel 
hellen Stimmen wirkungsvoll in Erscheinung! 
treten ließ und in ihrer Auslegung feierlichs 
verklärt, fast visionär anmutete. 
Dann gelangten mehrere Lieder für gemischten! 
Chor zur Wiedergabe, schlichte, altbekannte Wei-I 
sen, die unter einem lichtschimmernden Tannen-I 
bäum nicht fehlen dürfen. Jetzt leuchtete manches! 
Auge auf, wohl ein jeder fühlte sich innerlich! 
berührt von der Einfachheit und dem Adel! 
dieser alten Gesänge. Prof. Chemin-Petit ver-I 
stand hier die Herzen zu bannen und die Ver-I 
mundeten in eine von weihnachtlichem Zauber! 
umgebene Stimmungswelt einzuführen. Schnell! 
war hier der Kontakt zwischen Ausführende und! 
Hörer geschloffen, und sichtlich ergriffen oon| 
diesen schönen Tonharmonien standen unsere 
tapferen Helden völlig in dem Bann unsere- 
herrlichen Domchors, der sich besonders in der 
letzten Jahren zu einem ruhmreichen Faktor de- 
Magdeburger Kuystlebens entwickelt hat. Der 
schönen Veranstaltung wohnte u. a. auch der 
Kommandant von Magdeburg, Oberstleutnant 
C r e u tz b u r g, bei. Gerharcy^oN-schieldt.
	        
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