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1944
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Am 4. Januar 'vor 160 Jahren wurde in
Hanau Jakob Grimm geboren, einer der
besten Deutschen, auf den stolz zu sein das
deutsche Volk allen Anlaß hat. Er war als
Mann der Wissenschaft ebenso hochgeschätzt
wie als aufrechter Charakter, und vom gan
zen Volk, insbesondere der Jugend, wird er
geliebt als Herausgeber der berühmten „Kin-
| der- und Hausmärchen", die er in engster Zu
sammenarbeit mit seinem jüngeren Bruder
Wilhelm Anfang des 19. Jahrhunderts ver
öffentlichte: eine Märchensammlung, die
gleich nach ihrem Erscheinen großen^ßeifall
fand und in schneller
Aufeinanderfolge
viele Auflägen er
lebte. Diese Märchen
waren, wie schon ihr
Titel sagt, eine Samm
lung in erster Linie
für die Familie und
ganz besonders für
die Jugend; siesollten
ihr den Blick er
schließen für eine
ganz neue Welt, die
fernab lag von Kriegs
geschrei und Säbel-
gerassel, wovon mit
geringen Unter
brechungen die Zelt
seit den Schlesischen
Kriegen des zweiten
Friedrich über die Französische Revolution
hinweg und die Napoleonische Zeit bis zu
Napoleons Verbannung nach Sankt Helena
beherrscht war.
So wie nach der deutschen Niederlage von
1918 Freikorps und militärische Geheimbünde
aller Art entstanden und nach Betätigung
% lechzten, Landsknechtsnaturen, die meist den
Kampf um des Kampfes willen liebten, waren
auch nach Jena und Auerstedt von abenteuer
lichen Naturen Freikorps ins Leben gerufen
worden, die Politik auf eigene Faust machten
und wie die Korps von Sch:!! und Lützow
auch den Krieg nach eigenen Gesetzen führ
ten. Theodor Körner hat sie besungen. Es Ist
das Verdienst der Brüder Grimm, mit ihren
tiefsinnigen und lehrreichen Märchen dem
Volk und ganz besonders der Jugend d i e
Welt des Friedens zurückgegeben und
gezeigt zu haben, daß es neben Kriegsver
herrlichung und'Schlachtgesängen eine Welt
des Friedens und Fortschritts gibt.
Das Lebenswerk Jakob Grimms erschöpft
sich nicht in der Herausgabe seiner Kinder-
und Hausmärchen. Als Sprach- und Altertums
forscher hat er sich ln der Wissenschaft un
sterblich gemacht. Seine erste Amtsstellung
als Bibliothekar am Hofe des Königs Jerome
— König Lustick! — in Kasse! ließ ihm viel
Muße zum Studium der deutschen • Poesie.
Später erhielt er den Auftrag, in Paris nach
den von den Napoleonischen Truppen preußi
schen Archiven entnommenen wertvollen
Handschriften und Dokumenten zu suchen
und sie zurückzuholen, ein Auftrag, den Jakob
Grimm dank seiner umfassenden Kenntnis von
dem Bestand der meisten Sammlungen ebenso
gewissenhaft wie erfolgreich ausgeführt hat.
Späterhin vertiefte sich Jakob Grimm ganz
ln die Altertumswissenschaft und gab die
beiden grundlegenden Werke über „Deut
sche Grammatik" und „Deutsche Mythologie"
heraus, die zum erstenmal einen wissen
schaftlichen Stoff nicht nach trockener Ge-
iehrtenart, sondern In lebendiger Darstellung
behandelten. Beide Werke erregten die Be
wunderung weitester Kreise. 1829 wurde Ja
kob Grimm als Ordentlicher Professor an die
Universität Göttingen berufen, wohin ihn sein
Bruder begleitete. Als der Kurfürst von Han
nover, dem reaktionären Zug des Zeitgeistes
folgend, 1833 die freiheitliche Verfassung von
Hannover aufhob, schlossen sich beide Brü
der Grimm der Protestaktion der „Göttin
ger Sieben" an, blieben ohne Rücksicht
auf Amt und Würden auch fest in Ihrem Pro
test, worauf sie prompt Knall und Fall ent
lassen wurden. Jakob Grimm hatte bald die
Genugtuung, in die Preußische Akademie der
Wissenschaften nach Berlin berufen zu wer
den, womit das Recht verbunden war, an der
Berliner Universität Vorlesungen zu halten.
Diese Berufung ist weniger auf freiheitliche
Neigungen des ebenso reaktionären Preußen
zurückzuführen als auf das Bestreben, damit
dem hannoverschen Kurfürsten ein Schnioo-
chen zu schlagen.
Für die Brüder Grimm begann nun die
Hauptarbeit ihres Lebens, sie machten sich
an die Herausgabe des monumentalen
Deutschen Wörterbuches, in dem
der gesamte neuhochdeutsche Sprachschatz
von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zur
Gegenwart dargestellt werden soll: Das ge
waltige Werk Ist nämlich heute noch nicht
fertiggestellt! Es ist das große Verdienst
Jakob Grimms, zu diesem vollständigen deut
schen Sprechlexikon gerade jetzt vor hun
dert Jahren den Grund gelegt zu haben.
Diese im besten Sinne schöpferische Gelehr
tenarbeit ist nunmehr so weit gediehen, daß
Hoffnung besteht, d : e letzt lebende Gene
ration werde es zur Vollendung bringen.
Man sieht: ein wissenschaftlich erfolg
reiches Leben, das heute vor 160 Jahren be
gann und erst im hohen Alter zur Neige ging.
Jakob Grimm war in gleicher Weise ein ver
dienter Mann deutscher Wissenschaft wie ein
Lieblina des Volkes, eine lener reich begna
deten Naturen, die Unsterbliches in Werken
des Friedens geschaffen haben. Men