Full text: Zeitungsausschnitte über Jacob Grimm

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aus : Schulblatt der Provinz Sachsen 
Nr. 38, 1933, Sex. 21, S. 345 - 346 
Aus Zakob Grimms Werkstatt. 
Zu seinem 70. Todestage am 20. September. 
Ueber hundert Jahre sind vergangen seit dem Auftreten 
dieses großen Mannes, der als Begründer der sogenannten Ger- 
manistik, auch deutsche Philologie genannt, d. h. der methodi 
schen Erforschung der deutschen Sprache und Literatur, ange 
sehen werden muß. Der zugleich aber auch der Vater der deut 
schen Altertumswissenschaft geworden ist. Im Jahre *8*9 war 
es, daß der vierunddreißigjährige, der als Bibliothekar an der 
Kasseler öffentlichen Bibliothek tätig war, den ersten Band 
seiner „Deutschen Grammatik" herausgab. Mit vier Bänden 
vollendete er *857 dieses Riesenwerk. Sie war, wie sein Lebens- 
beschreiber Wilhelm Scherer sagt, nicht nur eine deutsche 
Grammatik schlechthin, sondern sie enthielt etwas viel 
Größeres: eine Geschichte der germanischen 
Sprache. Die unermüdliche Forfchertätigkeit, die seit jenen 
Tagen aus dem Gebiete der deutschen Sprachforschung herrscht, 
ist fast ausschließlich auf ihn zurückzuführen. Denn Grimm ist 
es gewesen, der durch seine gründlichen, umfassenden Kennt 
nisse und Einsichten, sowie durch seinen rastlosen Fleiß der 
deutschen Sprachforschung nicht nur einen festen Platz unter 
allen anderen Wissenschaften verschaffte, sondern der ihr zugleich 
ein großes einheitliches Ziel wies, zu dem feine Nachfolger 
hinstreben konnten. 
Grimm deutete in seinem werke hin auf den geschichtlichen ; 
Zusammenhang der deutschen Sprache mit allen ihr verwandten j 
wissenschaftlichen Zweigen, und er lehrte eine geschichtliche und 
vergleichende Betrachtung der deutschen Sprache vom Urbeginn 
bis heute, wenn auch seit seiner Zeit die Sprachforschung viel 
Neues für die Geschichte unserer Sprache erbracht hat, so steht 
doch Jakob Grimm über allen Gelehrten unvergleichbar da in 
seiner Vielseitigkeit und seiner wissensliefe. 
Am q. Januar *785 war der Gelehrte zu Hanau geboren, 
ein Jahr vor seinem Bruder Wilhelm, mit dem er sich von früh 
an eng zusammenschloß. *804 sehen wir sie beide als Studen 
ten der Rechtswissenschaft in Marburg, dann trennen sie sich 
vorübergehend. Aber schon *8*6 finden wir sie wieder in 
Kassel vereinigt, wo sie beide an der öffentlichen Bibliothek 
Anstellung gefunden haben, von nun an sollten sie sich auf 
lange Zeit nicht trennen, wie es ihr Wunsch war. Als Hessen 
von Geburt wollten sie in ihrem Heimatlande leben und sterben. 
Schon *806 hatten die Brüder beschlossen, gemeinschaftlich 
eine große Sammlung alter und neuer deutscher Sagen und 
eine gleiche von deutschen Kindermärchen zu veranstalten, von 
diesem Plane gehen die Arbeiten beider in den folgenden *0 
Jahren aus, da sie getrenut leben. Jakob Grimm will zunächst 
eine Geschichte der altdeutschen Poesie schreiben, um so den 
Ursprung der deutschen Sage zu ergründen. So entwickelt er 
sich zum Literaturgeschichtsschreiber und Sagenforscher. Da 
neben aber wird in ihm das verlangen wach, die deutsche 
Grammatik zu ergründen. Schon nach einem Jahre altdeutscher 
Studien tritt er, 22 Jahre alt, mit kleinen streitlustigen Auf 
sätzen au die Gessentlichkeit, und *8** kommt sein erstes Buch 
heraus unter dem Titel „Ueber den altdeutschen Meistergesang". 
Nebenher aber geht die unermüdliche Sammlung der Kinder-
	        
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