und ihre Ämter daselbst als Bibliothekare und Professoren ausgegeben,
weil sie ihren auf die alte Verfassung geschworenen Eid nicht brechen
wollten. Sie zogen sich wieder nach Kassel zurück, bis der neue
preußische König Friedrich Wilhelm IV. sie, auf tatkräftige Ver
wendung der Frau Bettina v. Arnim, nach Berlin berief, als freie
Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, in welcher Eigenschaft
sie das Recht hatten, an der Universität Berlin Vorlesungen zu
halten. Zum Sommersemester 1841 übersiedelten sic von Kassel
nach Berlin, wo sie von Potsdam kommend am 19. Marz 1841
mittags eintrafen und zunächst im Rheinischen Hof in der
Leipziger Straße abstiegen, bis sie ihre Wohnung in
der öennöstraße 8 mit Tiergarten beziehen konnten. Nach
Wilhelm Grimms genau geführtem Tagebnche kam Frau v. Arnim
tagtäglich hilfreich zn ihnen, ebenso öfters ihre Söhne Freimund und
Siegmund; es war das herrlichste Frühlingswetter, am 26. April
heißt es im Tagebuch: „Heute ganz sommerlich, 19 Grad im
Schatten", und weiter am 28. April: „Fortwährend heiß wie im
Sommer, die Kastanien grün, die Eichen brechen schon auf" (also
wie in den warmen Apriltagen dieses Jahres) — und, notiert
Wilhelm am 30. April: „Jacob eröffnete um 4 Uhr sein Kollegium
und ward mit dreimaligem Vivat empfangen."
Es sind über den sachlichen Inhalt der Vorlesung einige Berichte
und Briefe erhalten. Jacob Grimm hatte über die deutschen Rechts
altertümer zn lesen angekündigt; er bezeichnete seine wissenschaft
liche Methode als die Weise, nicht die Betrachtung, sondern die
Sachen vorwalten und die Gedanken ans dem Stoffe hervorquellen
zu laffen, und erzählte, wie er in den dumpfen, grauen Tagen der
Erniedrigung Deutschlands unter der Fremdherrschaft beim vater
ländischen Altertum Trost gesucht und neben ccm Studium
der deutschen Grammatik besonders auf Poesie und Recht
sein Auge gerichtet habe. Georg Curtius war unter den Zuhörern,
nnd er bemerkte, wie Jacob Grimui, gehemmt von der Bewegung
-feines Herzens, sinnend in die Kastanienbäume vor dem Fenster
blickte, und lautlose Stille herrschte unter den Hunderten, bis er
-das Wort wiedergefunden hatte. Wie unbefangen Jacob Grimm
dem Gefühle seines Herzens gehorchte, läßt die Art seiner Stellung
nahme zn Savignys, seines geliebten Lehrers und Freundes,
römischer Rechtsgeschichte erkennen. Ans Vorhalt Dahlmanns, dem
sein ältester Sohn Hermann berichtet hatte, erklärte Grimm: „Ich habe
mich offen zn der historischen Ansicht bekannt, nur behauptet,
daß unsere Gesetzgebung nicht in alle Ewigkeit bei diesem
römischen Recht beharren könne, was er (Savigny) meines Wissens
selber auch nicht annimmt." Er widerstand jedoch der Aumutuug,
Me Vorlesung drucken zu lqsseg, denn er habe etzmal^Mt alles.
Niedergeschriebene gesprochen, noch alles Gesprochene geschrieben, so
baß es ihm nicht mehr möglich sei, alles ganz getreu herzustellen.
Einiges Manuskript hat sich freilich erhalten und ist von Wilhelm
Scherer in seiner Rede ans Jacob Grimm 1885 benutzt worden.
Am Abend des 30. April 1841 verzeichnet das Tagebuch auch
wieder den Besuch der Frau v. Arnim, so daß sie frisch den Ausfall
und Eindruck der Vorlesung in sich aufnehmen konnte. Einige
Tage später schrieb sie ihrem ältesten Sohne darüber: „Den Fried-
mund wird sehr freuen zn erfahren, daß Jacob Grimm mit unend
lichem Jubel bei seinem Eintritt ins Kolleg empfangen wurde. Es
waren an 600 Studenten, das größte Auditorium mußte eröffnet
werden. Als er den Gang entlang kam, riefen die Studenten,
welche au der Tür standen: vivat! Sogleich erscholl mit ungeheurem
Feuer das Vivat im Saal, die Studenten sprangen auf die Bänke,
schwenkten die Mützen, riefen und klatschten noch einmal! und so
hörte es während zehn Minuten nicht auf zu donnern. Der Jacob
ward leichenblaß, konnte sich in diese Überraschung, die er nicht ge
ahnt hatte, gar nicht finden, er hielt die Hand vor die Augen, um
sich zu sammeln, und sagte: „Ich weiß, dies gilt nicht mir,
sondern meinem Schicksal, das mich nicht gebeugt hat!
nnd dem ich auch nun zn danken habe, daß cs mich
in Ihre Mitte führt!" Dies wurde mit großem Applaus
aufgenommen, aber der gute Jacob konnte sich nicht mehr sammeln,
und war so bewegt, daß er oft Pansen machen mußte. Auch kam
er sehr angegriffen nach Hause und war den andern Tag krank.
Jetzt ist er aber fröhlich in der Mitte seiner Schüler, das (!) un
gefähr aus zweihundert Zuhörern besteht. Komisch war, daß er vor
dem Kolleg im Sprechzimmer von dem Profeffor Stahl angeredet
wurde, der ihn tröstete und ihm sagte: Er, der Stahl, sei auch im
Anfang übel empfangen worden, Grimm möge sich also nicht
ängstigen, die Studenten wären in Berlin etwas barsch gegen die
Professoren."
Wie sehr die Begeisterung dem persönlichen Geschicke Jacob
Grimms galt, zeigt auch das rasche Abnehmen der Zahl der Zu
hörer, die bei Bettina schon von 600 ans 200 sinkt. Jacob Grimm
selbst bemerkt im Juni 1841: die teilnehmende und neugierige
Menge habe sich natürlich bald verlaufen, es seien ihm nur einige
dreißig bezahlende Zuhörer geblieben, das wäre für ein Kolleg, das
nicht eigentlich gehört zu werden brauchte, immer der Ehre wert; er
war auch gefaßt darauf, im nächsten Winter, wo er deutsche
Grammatik lesen wollte, sich mit »och geringerer Zahl begnügen zu
müssen. Aber, bekannte er: „Die Empfindung beim ersten Wieder
austreten soll mir teuer und unvergeßlich bleiben." rs.
Dr. Ljuba Stojanowitsch und Dr. Lazar Patschn. Durch ! „Die französischen Politiker dürfen es nicht als Feindseligkeit be-
Zufall erhielt aber auch der Privatsekretär des Ministers ! trachten, wenn ihre steten Berufungen auf die koreg majeure