Full text: Zeitungsausschnitte über Jacob Grimm

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ßung eines eignen Werkes über die Weisthümer 
herausgegeben hat; die Deutsche Mythologie 
(1835, in zweiter Bearbeitung 1844); die Geschichte 
der deutschen Sprache (1848) und das in Ge 
meinschaft mit Wilhelm unternommene, unvollendete 
Deutsche Wörterbuch. Zu letzterem, von dem 
vor Kurzem die erste Lieferung des 4. Bandes (For. 
schel bis Fromm) erst erschienen ist, forderte im Jahre 
1837 die Weidmannsche Buchhandlung die damals aus 
Göttingen vertriebenen Brüder Grimm auf, aber erst im 
Jahre 1852 erschien die erste Lieferung des Werkes, 
dem keine Nation bis jetzt ein gleiches an die Seite zu 
setzen hat. Bei den vorhandenen gewaltigen Vorar 
beiten und bei der regen Theilnahme, die viele.durch 
und an Grimms gebildete Gelehrte dem Wörterbuch 
als Mitarbeiter bisher gewidmet haben und ferner 
widmen werden, ist zu hoffen, daß es fortgesetzt und 
vollendet werde. Wir unterlassen es, die vielen an 
deren Werke zu nennen, darunter verschiedene Ausga- 
ben und Erläuterungen älterer Sprach- und Literatur, 
denkmäler, und wollen nur noch die mit Wilhelm ge 
meinsam seit 1812 in vielen vermehrten Auflagen 
herausgegebenen Kinder- und Hausmärchen und 
die ebenfalls von beiden herausgegebenen Deutschen 
Sagen hervorheben, beide von größter Wissenschaft - 
licher Bedeutung, die Märchen aber zugleich ein Lieb- 
lingsbuch der deutschen Kinder und in viele moderne 
Sprachen übersetzt. Außerdem sind zahlreiche, zum 
Theil sehr umfängliche Abhandlungen und Aufsätze 
Jacob Grimms in Zeitschriften, besonders seit 1842 
in den Abhandlungen und Monatsschriften der Berli 
ner Akademie erschienen. Daß alle diese zerstreuten 
größern und kleinern Arbeiten in einer Sammlung 
vereint würden, ist schon längst der Wunsch der Ge 
lehrten gewesen, der jetzt nur um so lebendiger rege 
werden wird. Aber auch für das größere, nicht ge 
lehrte, aber gebildete Publikum sollte eine Auswahl 
einzelner passender Aufsätze Grimms veranstaltet wer. 
den, wir meinen Aufsätze, wie die Italienischen 
und Scand inavischen Eindrücke (in Schmidts 
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 3), der über 
das Pedantische in der deutschen Sprache 
(Berliner Akademie 1847), über Schule, Universi 
tät, Akademie (Berliner Akademie 1849), über 
den Ursprung der Sprache (Berliner Akademie 
1651 und seitdem in mehreren Auslagen besonders 
abgedruckt). Daß die, wir dürfen hoffentlich sagen 
allbekannte Schillerrede in einer solchen Samm- 
lung nicht fehlen dürfte, versteht sich von selbst. Außer 
diesen und andern Aufsätzen und Reden müßten aber 
auch nicht wenige Dedicationen und Vorreden 
einzelner Werke Grimms ganz oder theilweise Auf. 
nähme finden, die fast sämmtlich von allgemeinstem 
Interesse und an Inhalt und Form Meisterstücke find. 
Und hier sei es mir noch vergönnt ein Wort über 
Grimms Stil zu sagin. Der tiefe Kenner und Er 
forscher unserer Sprache war auch ein Meister in 
Handhabung derselben. Sein Stil ist einfach und 
markig, gemüthvoll und von poetischem Hauch durch 
weht, reich an originellen, immer schönen oder an- 
muthigen Bildern und Vergleichen. Er versteht es 
ältere oder mundartliche treffende Wörter oder mit 
Unrecht nicht gebrauchte Wendungen an rechter Stelle 
ganz ungesucht zu gebrauchen und so unsere Spra 
che zu bereichern. Für manche an gewisse moderne 
Stile gewöhnte Leser wird Grimms Stil zunächst et 
was fremdartiges haben, aber auf die Dauer wird 
niemand seinem Zauber so leicht wiederstehen können. 
Ihn aber nachahmen zu wollen) würde, da er durch 
und durch originell ist, ein kühnes Wagstück sein. 
Der große Gelehrte und Schriftsteller war auch 
ein trefflicher Mensch. Seine Herzensgüte, die schon 
aus Antlitz und Stimme unverkennbar hervortrat, 
wird von allen, die ihm nahe zu stehen das Glück 
hatten, gerühmt, sein tiefes Gemüth leuchtet überall, 
wo es möglich ist, aus seinen Schriften hervor. Für 
Wahrheit, Recht und Freiheit hat er überall einen 
uubeugsamen Sinn gezeigt und in Göttingen bewie- 
sen, daß er dafür auch leiden könne'. 
Dem deutschen Vaterlande war sein ganzes Leben 
gewidmet; sollen wir da noch besonders von seiner 
Vaterlandsliebe, seinem Patriotismus reden? 
Aber zwei Stellen aus seinen Schriften, in denen er 
seiner Sehnsucht nach der Einheit Deutschlands 
Ausdruck giebt, mögen diese flüchtige Skizze schließen. 
In der aus Frankfurt a. M. vom 11. Juni 1848 
datirten Dedikation seiner Geschichte der deutschen 
Sprache an GervinuS schreibt er: 
„Jetzt haben wir das Politische im Ueberschwank, 
md während von des Volkes Freiheit, die nichts mehr 
mdern kann, die Vögel auf dem Dach zwitschern, 
ner heißersehnten uns allein Macht verleihenden 
iheit kaum den Schatten. O daß sie bald nahe 
nimmer von von uns weiche!" 
Am Schillerfest 1859 aber sprach er in der feier 
lichen Sitzung der Berliner Akademie: 
„Glocken brechen den Donner und verscheuchen das 
lange Unwetter. Ach, könnte doch auch an hehren 
Festen alles fortgeläutet werden, was der Einheit un 
seres Volkes sich entgegenstemmt, deren es bedarf und 
die es begehrt!" 
Zur Reformfrage. 
Ch. Ans dem Neustädter Kreis, 23. Sept. 
(Schluß.) 
Sind wir recht unterrichtet, so haben Se. K. 
Höh. der Großherzog in den. angedeuteten Richtungen 
theils Selbst Antrage gestellt, theils den dießfall- 
sigen Anträgen anderer Bundesglieder Sich ange- 
schlossen. Von dem gewünschten Erfolge sind diese 
Anträge indeß nur in untergeordneten Punkten ge- 
wesen. Es ist daher, als man eine Schlußabstim 
mung für angemessen hielt und bei dieser die Er- 
klärung verlangte, ob man den Mehrheitsbeschlüssen 
sich unterwerfen wolle, Weimarischer Seits, wie be 
kannt, verneinend geantwortet worden. Man hat 
diese Abstimmung getadelt, nach allerhand Motiven 
für dieselbe gesucht. Beides, wie wir meinen, mit 
Unrecht. Wie Se. K. Höh. der Großherzog Sich 
erklärt haben würde, wenn es sich um einen defi 
nitiven Abschluß des Reformwerkes gehandelt hätte, 
lassen wir dahin gestellt sein. Allein von einem 
solchen Abschluß war nicht die Rede. Man war 
allseitig darüber einverstanden, daß dieser den Zu- 
tritt der nicht anwesenden Bundesglieder, nament 
lich Preußens, voraussetzen würde. ES wurde dieß 
sogar ausdrücklich ausgesprochen und die Presse ist, 
nach unseren Nachrichten wenigstens, falsch unter- 
richtet, wenn sie meldet, daß die der Schlußerklä 
rung beigetretenen Regierungen sich vereiniget hät 
ten, eventuell auch ohne Preußen das Resormpro-. 
jekt zur Ausführung zu bringen. Welchen Nutzen 
konnte es also der Sache bringen, auf die erhobe 
nen Bedenken und deren fernere unbeschränkte Gel 
tendmachung durch Unterwerfung unter die Be- 
schlüsse der Mehrheit zu verzichten? Wir wüßten 
keinen anderen, als etwa den einen, daß die er 
lauchte Versammlung Frankfurt a. M. nicht ver 
lassen hätte, ohne ein sofort erkennbares Zeichen 
ihrer dortigen Thätigkeit zu hinterlassen. Gewiß 
ein sehr werthvoller. Gewinn, wenn es sich um ei 
nen Gesammtbeschluß gehandelt hätte, dessen Aus 
führung nach Ansicht der hohen Verbündeten mög 
lich gewesen wäre. Da aber dieß von keiner Seite 
angenommen worden, so will es uns scheinen, als 
ob der Gewinn nur sehr gering anzuschlagen sei, um 
so geringer, je gewisser kein einsichtiger Patriot unter 
den vorliegenden Umständen erwartet hat, daß schon 
diese erste Vereinigung ein definitives Ergebniß her 
beiführen werde und herbeiführen könne. Es be- 
darf daher gewiß keiner besonderen Rechtfertigung, 
wenn die Großherzogl. Regierung Bedenken trug, 
um dieses geringen, nur scheinbaren, Erfolges wil- 
len ihre Einweichungen gegen einzelne Bestimmun- 
gen des Reformwerkes fallen zu lassen. 
Vielleicht sind diese Bedenken noch durch eine 
andere Erwägung verstärkt worden. Man mag 
darüber, daß Se. Mas. der König von Preußen 
auch der zweiten von der Fürstenversammlung aus 
gegangenem, von Sr. Maj. dem König von Sachsen 
Selbst überbrachten und besonders befürworteten 
Einladung nicht entsprochen und daß in Folge des 
sen Preußens Einfluß bei den Frankfurter Verhand 
lungen fern geblieben, man mag darüber denken 
wie man will, man mag die Schroffheit, mit wel 
cher von Berlin aus das Reformprojekt beurtheilt 
wird, im Interesse Preußens und im Interesse der 
Sache tief beklagen, an der Thatsache, daß ohne 
Preußen eine Reform der deutschen Bundesverfas 
sung unmöglich, daß für die nord- und mitteldeut 
schen Staaten nicht einmal der Versuch eines Son 
derbundes, wenn man an einen solchen denken 
sollte, denkbar sein dürfte, an dieser Thatsache wird 
durch Alles dieß, wie durch alle Klagen über „preu- 
ßische Anmaßung" u. dgl. nichts geändert. Auf 
der anderen Seite läßt sich wohl hoffen, daß Preu 
ßen, mag es von seiner Größe und Bedeutung 
noch so lebhaft überzeugt sein und mag es auch 
die jetzige Einladung zur Theilnahme an den Re- 
formversuchen ablehnen, sich nicht dauernd der Er 
kenntniß verschließen werde, daß seine eigensten In 
teressen eine Reform der Bundesverfassung, wie sie 
nach Lage der Dinge nun eben möglich ist, drin- 
gend empfehlen, daß ihm schwerlich versagt werden 
wird, was es mit Recht fordern kann, daß es fei* 
nerlei Grund hat, eine organische Fortentwickelung 
der Bundesverfassung zu fürchten. Bei solcher 
Lage de: Sache wäre es dem Reformwerke unserer 
Ueberzeugung nach förderlicher gewesen, wenn man 
von der Herstellung einer formalen Uebereinstim 
mung abgesehen und um so gewisser Preußen den 
Beweis geliefert hätte, daß die Gesinnungen, wel 
che die Einladung beim Beginn des Fürstenkon 
grestes veranlaßt haben, auch in dessen Verlauf le- 
bendig geblieben sind. 
— Nach dem Fr. I. ist der Wortlaut des 
Schreibens, welches der König von Preußen be 
züglich der Reformprojekte an die deutschen Für 
sten unterm 22. d. M. gerichtet hat, folgender: 
„Durch daß Schreiben, welches Eure rc. in Ge- 
meinschaft mit andern deutschen Fürsten und Ver 
tretern der freien Städte am 1. d. M. an mich 
gerichtet haben, sind die in Frankfurt a. M. be- 
rathenen Bundesreformvorschläge zu meiner Kennt 
niß gelangt. Ich habe dieselben der sorgfältigen 
Erwägung unterzogen, welche ich in meinem, am 
20. v. M. an Se. Majestät den Kaiser von Oest- 
reich nach Frankfurt a. M. gerichteten Schreiben 
zugesagt hatte. Diese Prüfung hat mir nicht die 
Ueberzeugung gewähren können, daß die vorge 
schlagene Reformakte in ihrer gegenwärtigen Ge- 
statt geeignet sei, einen Abschluß unserer vieljähri 
gen Bemühungen um die Verbesserung der Bun-' 
desverfassung zu bilden. In dem Entwürfe habe 
ich nicht den Ausdruck der wirklichen Verhältnisse 
und Bedürfnisse, deren Berücksichtigung allein einem 
solchen Werke Leben und Dauer verleihen kann, 
zu erkennen vermocht. Ich darf daher nicht zö- 
gern, Eurer re. wenn auch mit Bedauern auszu 
forschen, daß meine Pflicht als König von Preu 
ßen und als deutscher Fürst es mir nicht gestatten, 
den mir mitgetheilten Entwurf als die Grundlage 
einer neuen Bundesverfassung anzunehmen. Ich 
vermag in eine Erweiterung des bisherigen Vertrags- 
mäßigen Bundeszweckes und der Kompetenz der 
Bundescentralbehörde nur dann zu willigen, wenn 
dieselbe mit voller und gerechter Rücksichtnahme 
auf das Gewicht Preußens im Bunde und auf die 
Gesammtinteressen der deutschen Nation erfolgt. 
In diesem Sinne betrachte ich als Vorbedingungen 
meiner Zustimmung zu einer durchgreifenden Re 
form der bestehenden Bundesverträge die Verstän 
digung über drei Punkte, mit deren näherer Dar 
legung bei Eurer ic. Regierung ich meinen Mini 
ster der auswärtigen Angelegenheiten beauftragt 
habe. Dieselben betreffen: 1) Das Veto Preußens 
und Oestreichs mindestens gegen jeden Bundes 
krieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffes 
auf das Bundesgebiet unternommen wird. 2) Die 
volle Gleichberechtigung Preußens mit Oestreich 
zum Vorsitze und zur Leitung der Bundesangele- 
genheiten. 3) Eine Volksvertretung, welche nicht 
aus Delegation, sondern aus direkten Wahlen nach 
Maßgabe der Bevölkerung der einzelnem Staaten 
hervorgeht, und deren Befugnisse zu beschließender 
Mitwirkung in Bundesangelegenheiten Gegenstand 
der Verhandlung, aber jedenfalls ausgedehnter zu 
bemessen sein würden, als indem vorliegenden Ent 
würfe einer Reformakte der Fall ist. Vor einer 
Verständigung über diese Grundlage kann ich ein 
gedeihliches Ergebniß der Erörterung der sonstigen 
Einzelheiten deS mir mitgetheilten Entwurfes nicht 
in Aussicht nehmen. Ich habe daher meinem Mi- 
nister der auswärtigen Angelegenheiten den Auf 
trag ertheilt, über die erstere zunächst mit der kais. 
östreichischen Regierung in Unterhandlung zu tre- 
ten, in der Hoffnung, daß es Eurer K. gefallen 
werde, sobald das erforderliche Einvernehmen an 
gebahnt sein wird, in Gemeinschaft mit mir die 
Berufung von Ministerialkonferenzen zu veranlas- 
sen, welche die definitive Beschlußnahme der deut- 
schen Souveräne vorzubereiten haben würden. Em 
pfangen 5C, (gez.) Wilhelm, (gegengez.) v. Bis- 
marck. 
Zur fchleswig-holsteinischen Frage. 
Vom Main, 23. Sept. (Nürnb. K.) Die 
Drohung, welche bisher von dänischer Seite mit 
so großer Ostentation zur Schau getragen wurde, 
daß eine Bundesexekution in Holstein und Lauen 
burg von Dänemark als Casus belli betrachtet 
werden würde, wird allen Anzeichen nach völlig 
unerfüllt bleiben. Sie war offenbar nur darauf 
berechnet, auf die Verhandlungen am Bund eine 
gewisse Einwirkung zu üben, und, wenn möglich, 
den wirklichen Eintritt einer BundeSexekulion ab- 
zuwenden. Die Drohung hat ihre Wirkung ver- 
fehlt. Dem Einmarsch der mit der Besetzung der 
Elbeherzogthümer beauftragten hannoverischen und
	        

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