922
ßung eines eignen Werkes über die Weisthümer
herausgegeben hat; die Deutsche Mythologie
(1835, in zweiter Bearbeitung 1844); die Geschichte
der deutschen Sprache (1848) und das in Ge
meinschaft mit Wilhelm unternommene, unvollendete
Deutsche Wörterbuch. Zu letzterem, von dem
vor Kurzem die erste Lieferung des 4. Bandes (For.
schel bis Fromm) erst erschienen ist, forderte im Jahre
1837 die Weidmannsche Buchhandlung die damals aus
Göttingen vertriebenen Brüder Grimm auf, aber erst im
Jahre 1852 erschien die erste Lieferung des Werkes,
dem keine Nation bis jetzt ein gleiches an die Seite zu
setzen hat. Bei den vorhandenen gewaltigen Vorar
beiten und bei der regen Theilnahme, die viele.durch
und an Grimms gebildete Gelehrte dem Wörterbuch
als Mitarbeiter bisher gewidmet haben und ferner
widmen werden, ist zu hoffen, daß es fortgesetzt und
vollendet werde. Wir unterlassen es, die vielen an
deren Werke zu nennen, darunter verschiedene Ausga-
ben und Erläuterungen älterer Sprach- und Literatur,
denkmäler, und wollen nur noch die mit Wilhelm ge
meinsam seit 1812 in vielen vermehrten Auflagen
herausgegebenen Kinder- und Hausmärchen und
die ebenfalls von beiden herausgegebenen Deutschen
Sagen hervorheben, beide von größter Wissenschaft -
licher Bedeutung, die Märchen aber zugleich ein Lieb-
lingsbuch der deutschen Kinder und in viele moderne
Sprachen übersetzt. Außerdem sind zahlreiche, zum
Theil sehr umfängliche Abhandlungen und Aufsätze
Jacob Grimms in Zeitschriften, besonders seit 1842
in den Abhandlungen und Monatsschriften der Berli
ner Akademie erschienen. Daß alle diese zerstreuten
größern und kleinern Arbeiten in einer Sammlung
vereint würden, ist schon längst der Wunsch der Ge
lehrten gewesen, der jetzt nur um so lebendiger rege
werden wird. Aber auch für das größere, nicht ge
lehrte, aber gebildete Publikum sollte eine Auswahl
einzelner passender Aufsätze Grimms veranstaltet wer.
den, wir meinen Aufsätze, wie die Italienischen
und Scand inavischen Eindrücke (in Schmidts
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 3), der über
das Pedantische in der deutschen Sprache
(Berliner Akademie 1847), über Schule, Universi
tät, Akademie (Berliner Akademie 1849), über
den Ursprung der Sprache (Berliner Akademie
1651 und seitdem in mehreren Auslagen besonders
abgedruckt). Daß die, wir dürfen hoffentlich sagen
allbekannte Schillerrede in einer solchen Samm-
lung nicht fehlen dürfte, versteht sich von selbst. Außer
diesen und andern Aufsätzen und Reden müßten aber
auch nicht wenige Dedicationen und Vorreden
einzelner Werke Grimms ganz oder theilweise Auf.
nähme finden, die fast sämmtlich von allgemeinstem
Interesse und an Inhalt und Form Meisterstücke find.
Und hier sei es mir noch vergönnt ein Wort über
Grimms Stil zu sagin. Der tiefe Kenner und Er
forscher unserer Sprache war auch ein Meister in
Handhabung derselben. Sein Stil ist einfach und
markig, gemüthvoll und von poetischem Hauch durch
weht, reich an originellen, immer schönen oder an-
muthigen Bildern und Vergleichen. Er versteht es
ältere oder mundartliche treffende Wörter oder mit
Unrecht nicht gebrauchte Wendungen an rechter Stelle
ganz ungesucht zu gebrauchen und so unsere Spra
che zu bereichern. Für manche an gewisse moderne
Stile gewöhnte Leser wird Grimms Stil zunächst et
was fremdartiges haben, aber auf die Dauer wird
niemand seinem Zauber so leicht wiederstehen können.
Ihn aber nachahmen zu wollen) würde, da er durch
und durch originell ist, ein kühnes Wagstück sein.
Der große Gelehrte und Schriftsteller war auch
ein trefflicher Mensch. Seine Herzensgüte, die schon
aus Antlitz und Stimme unverkennbar hervortrat,
wird von allen, die ihm nahe zu stehen das Glück
hatten, gerühmt, sein tiefes Gemüth leuchtet überall,
wo es möglich ist, aus seinen Schriften hervor. Für
Wahrheit, Recht und Freiheit hat er überall einen
uubeugsamen Sinn gezeigt und in Göttingen bewie-
sen, daß er dafür auch leiden könne'.
Dem deutschen Vaterlande war sein ganzes Leben
gewidmet; sollen wir da noch besonders von seiner
Vaterlandsliebe, seinem Patriotismus reden?
Aber zwei Stellen aus seinen Schriften, in denen er
seiner Sehnsucht nach der Einheit Deutschlands
Ausdruck giebt, mögen diese flüchtige Skizze schließen.
In der aus Frankfurt a. M. vom 11. Juni 1848
datirten Dedikation seiner Geschichte der deutschen
Sprache an GervinuS schreibt er:
„Jetzt haben wir das Politische im Ueberschwank,
md während von des Volkes Freiheit, die nichts mehr
mdern kann, die Vögel auf dem Dach zwitschern,
ner heißersehnten uns allein Macht verleihenden
iheit kaum den Schatten. O daß sie bald nahe
nimmer von von uns weiche!"
Am Schillerfest 1859 aber sprach er in der feier
lichen Sitzung der Berliner Akademie:
„Glocken brechen den Donner und verscheuchen das
lange Unwetter. Ach, könnte doch auch an hehren
Festen alles fortgeläutet werden, was der Einheit un
seres Volkes sich entgegenstemmt, deren es bedarf und
die es begehrt!"
Zur Reformfrage.
Ch. Ans dem Neustädter Kreis, 23. Sept.
(Schluß.)
Sind wir recht unterrichtet, so haben Se. K.
Höh. der Großherzog in den. angedeuteten Richtungen
theils Selbst Antrage gestellt, theils den dießfall-
sigen Anträgen anderer Bundesglieder Sich ange-
schlossen. Von dem gewünschten Erfolge sind diese
Anträge indeß nur in untergeordneten Punkten ge-
wesen. Es ist daher, als man eine Schlußabstim
mung für angemessen hielt und bei dieser die Er-
klärung verlangte, ob man den Mehrheitsbeschlüssen
sich unterwerfen wolle, Weimarischer Seits, wie be
kannt, verneinend geantwortet worden. Man hat
diese Abstimmung getadelt, nach allerhand Motiven
für dieselbe gesucht. Beides, wie wir meinen, mit
Unrecht. Wie Se. K. Höh. der Großherzog Sich
erklärt haben würde, wenn es sich um einen defi
nitiven Abschluß des Reformwerkes gehandelt hätte,
lassen wir dahin gestellt sein. Allein von einem
solchen Abschluß war nicht die Rede. Man war
allseitig darüber einverstanden, daß dieser den Zu-
tritt der nicht anwesenden Bundesglieder, nament
lich Preußens, voraussetzen würde. ES wurde dieß
sogar ausdrücklich ausgesprochen und die Presse ist,
nach unseren Nachrichten wenigstens, falsch unter-
richtet, wenn sie meldet, daß die der Schlußerklä
rung beigetretenen Regierungen sich vereiniget hät
ten, eventuell auch ohne Preußen das Resormpro-.
jekt zur Ausführung zu bringen. Welchen Nutzen
konnte es also der Sache bringen, auf die erhobe
nen Bedenken und deren fernere unbeschränkte Gel
tendmachung durch Unterwerfung unter die Be-
schlüsse der Mehrheit zu verzichten? Wir wüßten
keinen anderen, als etwa den einen, daß die er
lauchte Versammlung Frankfurt a. M. nicht ver
lassen hätte, ohne ein sofort erkennbares Zeichen
ihrer dortigen Thätigkeit zu hinterlassen. Gewiß
ein sehr werthvoller. Gewinn, wenn es sich um ei
nen Gesammtbeschluß gehandelt hätte, dessen Aus
führung nach Ansicht der hohen Verbündeten mög
lich gewesen wäre. Da aber dieß von keiner Seite
angenommen worden, so will es uns scheinen, als
ob der Gewinn nur sehr gering anzuschlagen sei, um
so geringer, je gewisser kein einsichtiger Patriot unter
den vorliegenden Umständen erwartet hat, daß schon
diese erste Vereinigung ein definitives Ergebniß her
beiführen werde und herbeiführen könne. Es be-
darf daher gewiß keiner besonderen Rechtfertigung,
wenn die Großherzogl. Regierung Bedenken trug,
um dieses geringen, nur scheinbaren, Erfolges wil-
len ihre Einweichungen gegen einzelne Bestimmun-
gen des Reformwerkes fallen zu lassen.
Vielleicht sind diese Bedenken noch durch eine
andere Erwägung verstärkt worden. Man mag
darüber, daß Se. Mas. der König von Preußen
auch der zweiten von der Fürstenversammlung aus
gegangenem, von Sr. Maj. dem König von Sachsen
Selbst überbrachten und besonders befürworteten
Einladung nicht entsprochen und daß in Folge des
sen Preußens Einfluß bei den Frankfurter Verhand
lungen fern geblieben, man mag darüber denken
wie man will, man mag die Schroffheit, mit wel
cher von Berlin aus das Reformprojekt beurtheilt
wird, im Interesse Preußens und im Interesse der
Sache tief beklagen, an der Thatsache, daß ohne
Preußen eine Reform der deutschen Bundesverfas
sung unmöglich, daß für die nord- und mitteldeut
schen Staaten nicht einmal der Versuch eines Son
derbundes, wenn man an einen solchen denken
sollte, denkbar sein dürfte, an dieser Thatsache wird
durch Alles dieß, wie durch alle Klagen über „preu-
ßische Anmaßung" u. dgl. nichts geändert. Auf
der anderen Seite läßt sich wohl hoffen, daß Preu
ßen, mag es von seiner Größe und Bedeutung
noch so lebhaft überzeugt sein und mag es auch
die jetzige Einladung zur Theilnahme an den Re-
formversuchen ablehnen, sich nicht dauernd der Er
kenntniß verschließen werde, daß seine eigensten In
teressen eine Reform der Bundesverfassung, wie sie
nach Lage der Dinge nun eben möglich ist, drin-
gend empfehlen, daß ihm schwerlich versagt werden
wird, was es mit Recht fordern kann, daß es fei*
nerlei Grund hat, eine organische Fortentwickelung
der Bundesverfassung zu fürchten. Bei solcher
Lage de: Sache wäre es dem Reformwerke unserer
Ueberzeugung nach förderlicher gewesen, wenn man
von der Herstellung einer formalen Uebereinstim
mung abgesehen und um so gewisser Preußen den
Beweis geliefert hätte, daß die Gesinnungen, wel
che die Einladung beim Beginn des Fürstenkon
grestes veranlaßt haben, auch in dessen Verlauf le-
bendig geblieben sind.
— Nach dem Fr. I. ist der Wortlaut des
Schreibens, welches der König von Preußen be
züglich der Reformprojekte an die deutschen Für
sten unterm 22. d. M. gerichtet hat, folgender:
„Durch daß Schreiben, welches Eure rc. in Ge-
meinschaft mit andern deutschen Fürsten und Ver
tretern der freien Städte am 1. d. M. an mich
gerichtet haben, sind die in Frankfurt a. M. be-
rathenen Bundesreformvorschläge zu meiner Kennt
niß gelangt. Ich habe dieselben der sorgfältigen
Erwägung unterzogen, welche ich in meinem, am
20. v. M. an Se. Majestät den Kaiser von Oest-
reich nach Frankfurt a. M. gerichteten Schreiben
zugesagt hatte. Diese Prüfung hat mir nicht die
Ueberzeugung gewähren können, daß die vorge
schlagene Reformakte in ihrer gegenwärtigen Ge-
statt geeignet sei, einen Abschluß unserer vieljähri
gen Bemühungen um die Verbesserung der Bun-'
desverfassung zu bilden. In dem Entwürfe habe
ich nicht den Ausdruck der wirklichen Verhältnisse
und Bedürfnisse, deren Berücksichtigung allein einem
solchen Werke Leben und Dauer verleihen kann,
zu erkennen vermocht. Ich darf daher nicht zö-
gern, Eurer re. wenn auch mit Bedauern auszu
forschen, daß meine Pflicht als König von Preu
ßen und als deutscher Fürst es mir nicht gestatten,
den mir mitgetheilten Entwurf als die Grundlage
einer neuen Bundesverfassung anzunehmen. Ich
vermag in eine Erweiterung des bisherigen Vertrags-
mäßigen Bundeszweckes und der Kompetenz der
Bundescentralbehörde nur dann zu willigen, wenn
dieselbe mit voller und gerechter Rücksichtnahme
auf das Gewicht Preußens im Bunde und auf die
Gesammtinteressen der deutschen Nation erfolgt.
In diesem Sinne betrachte ich als Vorbedingungen
meiner Zustimmung zu einer durchgreifenden Re
form der bestehenden Bundesverträge die Verstän
digung über drei Punkte, mit deren näherer Dar
legung bei Eurer ic. Regierung ich meinen Mini
ster der auswärtigen Angelegenheiten beauftragt
habe. Dieselben betreffen: 1) Das Veto Preußens
und Oestreichs mindestens gegen jeden Bundes
krieg, welcher nicht zur Abwehr eines Angriffes
auf das Bundesgebiet unternommen wird. 2) Die
volle Gleichberechtigung Preußens mit Oestreich
zum Vorsitze und zur Leitung der Bundesangele-
genheiten. 3) Eine Volksvertretung, welche nicht
aus Delegation, sondern aus direkten Wahlen nach
Maßgabe der Bevölkerung der einzelnem Staaten
hervorgeht, und deren Befugnisse zu beschließender
Mitwirkung in Bundesangelegenheiten Gegenstand
der Verhandlung, aber jedenfalls ausgedehnter zu
bemessen sein würden, als indem vorliegenden Ent
würfe einer Reformakte der Fall ist. Vor einer
Verständigung über diese Grundlage kann ich ein
gedeihliches Ergebniß der Erörterung der sonstigen
Einzelheiten deS mir mitgetheilten Entwurfes nicht
in Aussicht nehmen. Ich habe daher meinem Mi-
nister der auswärtigen Angelegenheiten den Auf
trag ertheilt, über die erstere zunächst mit der kais.
östreichischen Regierung in Unterhandlung zu tre-
ten, in der Hoffnung, daß es Eurer K. gefallen
werde, sobald das erforderliche Einvernehmen an
gebahnt sein wird, in Gemeinschaft mit mir die
Berufung von Ministerialkonferenzen zu veranlas-
sen, welche die definitive Beschlußnahme der deut-
schen Souveräne vorzubereiten haben würden. Em
pfangen 5C, (gez.) Wilhelm, (gegengez.) v. Bis-
marck.
Zur fchleswig-holsteinischen Frage.
Vom Main, 23. Sept. (Nürnb. K.) Die
Drohung, welche bisher von dänischer Seite mit
so großer Ostentation zur Schau getragen wurde,
daß eine Bundesexekution in Holstein und Lauen
burg von Dänemark als Casus belli betrachtet
werden würde, wird allen Anzeichen nach völlig
unerfüllt bleiben. Sie war offenbar nur darauf
berechnet, auf die Verhandlungen am Bund eine
gewisse Einwirkung zu üben, und, wenn möglich,
den wirklichen Eintritt einer BundeSexekulion ab-
zuwenden. Die Drohung hat ihre Wirkung ver-
fehlt. Dem Einmarsch der mit der Besetzung der
Elbeherzogthümer beauftragten hannoverischen und