© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 4
2s
£>tt allgemeine Magistrat verwahrt demnach — unter
Zustimmung und auf den bestimmt ausgesprochenen Wunsch
der Bürgerrepkasentanten — das Land und dte ihm zu
nächst empfohlen» Corporation ge en die Beschlüsse der
jetzt vereinigten s. g. Ständeversammlung, als einer
durchaus ungesetzlichen, und nur durch gefetz- und obser
vanzwidrige Mittel in anscheinender Wirksamkeit erhal
tene Vereinigung, erklärt nochmals, nur die durch das!
Staatsgrundgesetz von 1833 eingeführte landständisch«
Verfassung alS die rechtlich bestehende anerkennen zu wol
len und richtet fein ehrerbietigstes Gesuch an die hohe
Bundesversammlung devotest dahin;
„die heiligen, so vielfach und so gewaltsam verletzten
Rechte des Landes unter Hochdero sichern Schutz kcaf.
tigst nehmen, und für Herstellung des einseitig und
unbefugt aufgehobenen Rechtszustandes hochgewogem-
lichst Sorge tragen zu wollen." —
In der That, wenn dir hohe Bundesversammlung
die unglückliche Lage des Landes beherziget, und einer ge
neigten Berücksichtigung unterzieht, — die dringende
Nothwendigkeit, dem augenblicklich rechtlosen Zustande
ein recht baldiges Ziel zu setzen, kann der Weisheit der
hohen Bundesversammlung nicht entgehen.
Alle Verhältnisse des Landes sind gestört, dir Admi
nistration ohne Kraft und Nachdruck , die Minister ohne
Einfluß und Vertrauen, die Dienerschaft durchweg miß>
vergnügt und schwankend, ihr alter schöner Ruf tadello
ser Rechtlichkeit aufs Spiel gesetzt, der innere Frieden des
Landes verschwunden, Intrigue und Mißtrauen und ge
heimes Spähen an die Stelle getreten, die Familienbandei
zerrissen und durch den Zwiespalt politischer Gesinnung,
und die allsemrine Aufregung — was man auch sagen
und was der Schein äußerer Ruhe überreden mag —
steigend, und sich bedenklicher mehrend von Tage zu
Tage; — und das Alles in einem Lande, bekannt, ja,
man darf sagen, berühmt wegen seiner unerschütlerlichen
Anhänglichkeit und Treue an seinen angestammten Für
sten! Wahrlich, dieses Land ist eines besseren Schickjals
werth, als ihm gegenwärtig zu Theil geworden!
Mit weicher Sehnsucht sah doch das Land der An
kunft des eigenen Königs entgegen, welche theure Hoff
nungen waren an die Anwesenheit deS eigenen Regenten
geknüpft; — und alle, fast alle sind verschwunden!
Nicht weil das Land die erhabenen Eigenschaften sei
nes Königs verkennt, die jedem Regenten zur schönsten
Zierde gereichen würden; nicht weil daS Land zweifelt an
dem wahrhaft.n Willen Seiner Majestät, Seine Unter
thanen möglichst beglücken zu wollen -r- denn wer könnt»
etwas Anderes ahnen von einem Sohne König Georg
des III. —aber die Regirrungsmaßregeln, welche von
dem Cabinel Seiner Majestät empfohlen sind, und mit
starrer Confequenz verfolgt werden, lockern alle Banv»
des Vertrauens, und verhindern ein« Einigung zwischen
König und Volk, die doch der sehnlichste, der heißeste
Wunsch des Landes ist! Diesen Wunsch aber zu errei
chen, wird, unserer Ueberzeugung nach, nur unter der
einen Bedingung möglich sein. wenn «in Mann an der
Spitze des CabinetS steht, der nicht geleitet wird von ein
seitigin und «nghe-zigen Ansichten; nicht hingegeben ist
den Interessen nur «in sStanbeS, nicht den Bürger und
die Masse des Volkes geringschätzt. und das Vertrauen
des Landes wabchrft verdunt Und besitzt. Das Land dr-
grhrt nur Schonung und Beachtung seiner Rechte, und
würde Zern und bereitwillig allen Ansprüchen und Wün
schen des Regenten gerechte Anerkennung widerfahren
lassen, selbst mit den schwersten Opfern von seiner Seite.
Könnte Se. Maj. sich Allerhöchst entschließen, unter
Vorbehalt selbst aller der durch das Patent vom 1. No
vember 1837 gegen die Gültigkeit des Staatsgrundgese
tzes erhobenen Einwendungen, und lediglich von dem
landesväterlichen Wunsche geleitet, dem Vaterland» den
Frieden wieder zu geben, und die verlorene Ruhe — die
Stande brS Landes nach dem Gesetze von 1833 zusam
men zu berufen und mit ihnen die Aenderungen zu be
rathen, welche da« Grundgesetz erleiden kann, um die
königl. Sanction zu erlangen — die kurze Zeit weniger
Monate würde genügen, jeden Zwiespalt zu schlichten
und den Frieden heimzuführen. Lauter Zadel würde das
Land erfüllen und den Thron Sr. Majestät mit heißen
Segnungen umgeben; und ist es für einen Regenten,
der den Abend feines Lebens nahen sieht, nicht etwas
werth, sich von der Liebe seines Volkes gehoben und ge
tragen zu sichen, und dieses schone Erdtheil seinem einzi
gen Sohne und Thronfolger dereinst überliefern zu
können ? —
Möge die ersehnte Entscheidung der hohen Bundes
versammlung dieses dem Lande willkommene Resultat
baldigst herbeiführen; mög« dis gegenwärtige ehrerbietigste
Bitte des allgemeinen Magistrats einiger hochgeneigten
Berücksichtigung würdig gesunden werden. — Möge die
hohe BundeSv-rsammiung in ihrer Weisheit geneigtest
, wohin es führen kann, und am^Ende führen
MUß, wennVolke jeder gesetzliche Weg, zu seinem
guten Rechte zu gelangen, versperrt und verschlossen
wird.
Indem der allgemeine Magistrat zugleich den Conff-
storiulrath Dr. Hefsinberg zu Frankfurt a. M. zur Ue-
berreichung dieser Schrift, so wie zur Empfangnahme et
waiger Resolutionen hierdurch ermächtiget, verharret der
selbe in tiefstem Respecte als
Einer Hohen Bundesversammlung
ganz gehorsamster Diener
der allgemeine Magistrat der k Residenzstadt.
Rumann. Evers. Kern. Oelzen.
Meyer. G. H. Dr icke. F. Mithoff.
(L. 8.) H. C Habenich t. G. Fr. R ö se. B a l -
dentuü. D. Winter. E. S. Tänzel.
C. L. B lum."
Es enthält diese Vorstellung, ohne daß Wir jedoch
durch Unsern Ausspruch dem Erkenntnisse der zuständigen
Gerichtshöfe irgend vorzugreifen gemeint sind—folgende
peinlich zu strafende Verbrechen.-
1) das Verbrechen der Verletzung der Unserer königl.
Majestät schuldigen Ehrerbietung;
2) Calumnien gegen unsere Regierung;
3) Oeffenlliche Injurien gegen Unsere Regierung im
Allgemeinen, insbesondere gegen Unsere sämmtlichen Mi
nister und außerdem gegen die Mitglieder der allgemeinen
Ständeversammlun,,, namentlich diejenigen, welche der
zweiten Kammer angehören.
Es enthält daneben diese Vorstellung den Versuch,
UnS von Unserm Cabinet zu trennen, um die irrige An
ficht zu begründen, daß die von Unserm Cabinet getroffe
nen Verfügungen Unserer Allerhöchsten Genehmigung er
mangelten , während doch schon Unsere CabinetSverord-
nung vom 14 November 1837 zur Genüge ergiebt,
daß die Entscheidung der an Unser Cabinet gelangen
den Angelegenheiten von UnS ausgeht. Auch erklären
Wir hiermit noch ausdrücklich, daß Wir »ine solche
Trennung Unseres Cabinets von UnS niemals gestalten
werden.
Wir sind mcht gemeint den begangenen Frevel unge
ahndet zu lassen.
Wir haben die Frage, welche Maßregeln deßhalb zu
ergreifen seien, in die sorgfältigst» und reiflichsie Erwä
gung gezogen.
Unsere hierauf gefaßt« Entschließung hat auf zwei
Maßregeln für jetzt sich beschränkt:
Erstens haben Wir unS veranlaßt gesehen, dir Sache
an die zuständigen Gericht» zu verweisen, damit von die
sen dasjenige erkannt werde, was Gesetz und Recht er
heischen, und die Schuldigen die verdient« Strafe treffe.
Wir haben aber auch zweitens im allgemeinen öffent
lichen Interesse es für nothwendig gehalten, unter Vor
behalt weiterer Verfügung, die einstweilige Suspension
des Skadldirertors Rumann von dem wichtigen ihm an
vertrauten Amte anzuordnen, weil er nicht allein die
obige Vorstellung mitunteczeichnet, sondern auch die ihm
als Direktor des allgemeinen Magistrakscollegii obliegen
den Verpflichtungen gänzlich hintangesetzt hat.
Es ist wegen einstweiliger Wahrnehmung der dem
Stabtdireclor obliegenden Geschäfte eine interimistisch»
Verfügung bis dahin erforderlich geworden, daß der nach
tz 64. der Vrrsaffungsurkunde für Unsere Residenzstadt
dem Skadtdirector die Behinderungsfällen im allgemei
nen Magistratscollegio vertretende Stadtgerichtödirector
von einer Reift zurückgekehrt sein wird.