© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z4
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— 1886. 20. — Literarisches
Maria und entstammt den 1838 aus London nach Hannover
abgegebenen Acten der Deutschen Kanzlei, unter denen es aller
dings nicht im Original, sondern nur in einer etwa um die Mitte
des 18. Jahrh.'s zu setzenden Abschrift enthalten ist. Jene sind
französisch, dieses ist englisch geschrieben; der Hrsgbr. läßt die
Frage offen, ob hier Uebersetzung vorliegt, oder ob Maria in
Holland französisch, nach der Rückkehr nach England aber englisch^
geschrieben habe? Für Letzteres spricht, daß sie auch in ihr<
Briefen an die Herzogin Sophie von dem ihr minder gel^ig
gewordenen Französisch später zum Englischen übergeht,/^Die
Königin hat diese Reflexionen gewöhnlich, sobald sie Mußs dazu
hatte, niedergeschrieben und am Jahresschluß redigiert. Ihre
Bedeutung liegt wesentlich auf der biographischen und psycholo
gischen Seite, sie gewähren einen Einblick in die edle Frauen
seele, die in unerschütterlichem Gottvertrauen die Entschlossenheit
und die Kraft findet, welche ihre echt weibliche Natur sonst ent
behrt und deren sie doch in dem unvermeidlichen Conflict zwischen
der Liebe zu ihrem Gatten und der Pietät gegen den entthronten
Vater in besonderem Maße bedurfte. Niemand wird ohne
Rührung den Ausdruck ihres Schmerzes lesen, daß sie nach der
Entdeckung von Grandval's Verschwörung den nicht mehr Vater
nennen darf, der in die Ermordung ihres Gatten eingewilligt
hatte (S. 54). Ihre tief innerliche Frömmigkeit, ihr streng reli
giöser Sinn spiegeln sich auf jeder Seite wieder; daß sie bei dem
Anblick anderer Tanzenden kein Verlangen nach diesem von ihr
sonst sehr geliebten Vergnügen anwandelt, veranlaßt sie zu be
sonderem Danke gegen Gott. Doch sind diese Beiträge zu ihrer
Charakteristik nicht der einzige Gewinn, den die Geschichte aus
diesen Aufzeichnungen zieht, obgleich sie nie eine politische Rolle
gespielt hat und selbst der Gelegenheit dazu ausgewichen ist (S. 22).
Daß sie ein Urtheil über andere Personen besaß, lehrt die scharfe
Zeichnung, die sie von den Mitgliedern des Geheimen Raths
entwirft (S. 29), sowie ihre wiederholte Aussprache über das
gespannte Verhältniß zu ihrer Schwester Anna. Die Briefe im
Anhang sind sonderbarer Weise als solche der Königin Maria
bezeichnet, obgleich die Mehrzahl derselben von Wilhelm III und
Jacob II geschrieben sind; dieselben sind für das neuerdings
mehrfach erörterte Verhältniß der Kurfürstin Sophie zu ihren
englischen Verwandten von Interesse.
Hoffmam», vr. Ludw., ökonomische Geschichte Bayerns unter Mont-
gelas. 1799—1817. 1.TH. Einleitung. Erlangen, 1885. Deichert.
(146 S. Gr. 8.) oÄ 2.
A. u. d. T.: Bayerische Wirthschasts- u. Verwaltungs-Studien.
Hrsg, von Ol-. Georg Schanz. 2. Bd. 1. H.
Ueber ein Buch, von dem erst die Einleitung vorliegt, ist es
natürlich nicht thunlich, ein abschließendes Urtheil zu fällen,
doch erlauben die sehr merkbaren Spuren von Unreife, welche
durchweg in dieser hervortreten, nicht, große Erwartungen von
dem Folgenden zu hegen. Der Verf. ist offenbar in der Kunst
der Composition noch unbewandert, er weiß weder zu begrenzen
noch zu erschöpfen und tischt den Proceß seines Arbeitens statt
nur die Früchte desselben auf. Die biographischen Skizzen, welche
das erste, „die leitenden Männer" überschriebene Capitel bilden
(des Königs Max I, Montgelas, Hompesch, Schenk, Stengel,
Flurl, Utzschneider, Gönner, Hazzi, Hellersberg, Rudhart und
Rottmanner) geben bald zu viel bald zu wenig, und namentlich
die beiden ersten, die wesentlich nur Perthes reproducieren,
müssen als ungenügend bezeichnet werden. Auch das zweite
Capitel, „der rechts- und staatswirthschaftliche Unterricht und
die herrschenden Theorien", bringt in dem, was er über den
cameralistischen Lehrplan der Universitäten Ingolstadt und
München, über einige Lehrmittel und die einschlagenden Werke
von Sonnenfels und Moshamm, von Meusel und Michelsen, von
Soden und Behr mittheilt, mehr nur Materialien, und zwar
zum Theil solche, die über die specifisch bayerischen Verhältnisse
a t t. — 8. Mai. —
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weit hinaMkiegen, als Verarbeitung. Das 3. Capitel sucht den
Plan dep Arbeit zu umgrenzen und giebt Auskunft über die be-
nutztM^nellen, die Gesetze und die Literatur.
'Wechsel zwischen Jacob u. Wilhelm Grimm, Dahlmann und
^.'Gervinus. Hrsg, von EduardJppel. 2 Bände. Berlin, 1885/86.
Dümmler's Verlagsbuchhandlung, Harrwitz & Großmann. (VIII,
544; 1 Bl., 592 S. 8.) dfl. 20.
Die Männer, deren vertrauter Briefwechsel uns hier vorge
legt wird, sind ihrem Volke in doppelter Beziehung werth. Sie
haben uns Allen vorgeleuchtet als die gelehrten Meister ihres
Faches, die mit epochemachenden Werken ihre Wissenschaft för
derten, sie sind zu gleicher Zeit lange Jahre unsere politischen
Vorbilder gewesen, in jener Periode, als nicht Staatsmänner
die Träger unserer Zukunft zu sein schienen, sondern die Blicke
der Nation auf einzelne Vertrauensmänner gerichtet waren, zu
denen sie emporschaute, von denen sie das Heil für ihre Zukunft
erwartete, während Alles sonst umher in Trümmer zu zerfallen
drohte oder ein solches Schicksal doch zu verdienen schien. Damals,
in der Zeit von 1837 bis 1848, waren die Namen Jacob und
Wilhelm Grimm, Dahlmann und Gervinus in Aller Munde,
sie waren die Sterne, zu denen man hoffend aufschaute, die man
als mannhafte Vorbilder, als leitende Führer verehrte. Durch
die wüthige That von 1837 hatten sie die Augen ihres Volkes
auf sich gelenkt und sich die Achtung und das Vertrauen desselben
erworben, jene That aber sprengte sie zugleich auseinander, und
so kommt es, was wir jetzt wohl als ein Glück begrüßen möchten,
daß eben von da an sie gezwungen waren, ihre Gedanken brief
lich auszutauschen und dadurch auch der Zukunft zu sichern. Es
ist ein durchaus einheitlicher wohlthuender Eindruck, den diese
Briefe hervorrufen. Der Ernst und der Adel der Gesinnung,
der hier überall, im Großen wie im Kleinsten, hervortritt, sichert
den Männern, die wir hier ihre Gedanken austauschen sehen,
für immer unsere Verehrung, wenn wir auch zu dem Urtheil
gelangen müssen, daß die politische Rolle, die die Nation ihnen
zuwies, nur durch die Kläglichkeit der damaligen Verhältnisse
begründet war, daß wir in Wirklichkeit es nicht mit politischen
Organisatoren zu thun haben, auch beiDahlmann nicht. Aber ihre
Urtheile bilden so zu sagen den Chorgesang zu der damaligen poli
tischen Tragikomödie und werden als solche auch eine geschicht
liche Bedeutung in Anspruch nehmen dürfen: unleugbar sind
diese Briefe, so genommen, auch eine wichtige Quelle für die
deutsche Geschichte jenes Decenniums; vor Allem aber sind sie
ein Ehrendenkmal deutscher Rechtschaffenheit und Gesinnungs
tüchtigkeit und unverbrüchlicher Treue in Freud und Leid.
Der erste Band enthält den Briefwechsel der Grimm's mit
Dahlmann. Er beginnt schon mit 1830 und der letzte Brief ist
vom Februar 1860, aber der Hauptsache nach fallen auch diese
Briefezwischen 1837und 1848.Besonders trittdieSchilderungder
Göttinger Verhältnisse nach 1837 hervor, als Wilhelm allein in
Göttingen zurückgeblieben war. Der zweite Band bringt zunächst
die Briefe zwischen den Brüdern Grimm und Gervinus, mit
1834 beginnend und mit März 1860 schließend; dann die zwi
schen Gervinus und Dahlmann, mit 1833 beginnend und bis zum
August 1860 reichend.
Die Briefe sind auf Wunsch der Erben herausgegeben von
Eduard J pp el, dem wir schon für seinen Antheil an der Heraus
gabe der kleineren Schriften Jacob Grimm's zu Dank verpflichtet
sind, und dessen Sorgfalt wir bereits von daher kennen. Er hat
sich über sein Verfahren in der Vorrede zum ersten Bande aus
gesprochen und wir können uns mit demselben ganz einverstanden
erklären. Wir müssen auch hier die Sorgfalt hoch rühmen, mit
der er seiner Arbeit gewaltet hat. Alles ist dem Leser so bequem
zurecht gelegt, daß Nichts zu wünschen bleibt. Ein ganz beson
deres Verdienst hat er sich erworben durch die eingehenden und
ganz vorzüglichen Anmerkungen, die er am Schluffe des zweiten