Full text: Zeitungsausschnitte über Jacob und Wilhelm Grimm

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 4 
Nr. 17. 
Mage M 
Dienstag, 17 Januar 
1871. 
Verlag der I. G. Gotta'schen Buchhan^ung. Für die Redaction verantwortlich: Dr. I. v. Gosen. 
Torrespondenzen find an die Redaction, Inserate dagegen an die Expedition der Allgemeinen Zeitung zu adr^fire». 
AULElKEK werden von der Expedition aufge 
Expedition aufgenommen und der Raum einer dreigespaltenen Colonelzeile berechnet: 
iraHauptblatt mit 13 kr., in der Benage, welcher das Montagsblatt gleich geachtet wird. mit 9 kr.; 
nuaserdem ist zu Ermöglichung der Selbstausrechnung des Insertionspreises durch den Tit. Auftraggeber und der Anhersendung des Betrags ln Papiergeld ur 
wertweise Berechnung eingeführt, bei welcher eine Anzeige (Aufschrift, Firma etc. durch fette Lettern ausgezeichnet) um „naar und franeo * kr. südd. (auch 7 Nkr. S. W„ 
und Briefmarken eins 
Uebersicht. 
Eine Nachschrift zu einem Vorwort. — Franz Grillparzer. Ein Bild 
aus Oesterreich. (I.) — Der Krieg. 
Neueste Posten. München: Sitzung der Kammer der Abgeordneten. 
Am Fuß des Schlern. 
Telegraphische Berichte. 
X München, 16 Jan. Abgeordnetenkammer: v. Stauffenberg, 
Golsen und Louis sprachen für die Verträge, Kolb und Jörg replieirte» 
ersterem. Morgen Fortsetzung. 
* Berlin, 16 Jan. (Offieiell.) Versailles. General v. Werder 
meldet aus Breviller, 15 d.: Der Feind hat mich heute mit anscheinend 
4 Corps von Chagey bis MontbÄiard lebhaft, besonders mit Artillerie, 
angegriffen. Auf allen Punkte» wurde der Angriff zurückgeschlagen. 
Meine Positionen wurden auf keiner Stelle durchbrochen. Diesseitiger 
Verlust 300 bis 400 Mann. Der Kampf dauerte von Morgens halb 9 Uhr 
bis Abends halb 6 Uhr. 
* Bern, 16 Jan. Ein Telegramm de» „Bund" aus Pruntrut vom 
15 d. meldet: Das gestrige Gefecht bei Croix war unbedeutend. Heute 
von 11 Uhr Vormittags bis Abends heftige- Geschütz- und Gewehrfeuer 
iu der Gegend von Montböliard, Abends räumten die Deutschen Croix 
«nd Delle, und verließen die Schweizer Gränze. Die französische Haupt 
macht ist angeblich 150,000 Mann stark, und soll auf der Linie Champell e 
Dampierre, Väsoul stehen. 
Diese Depeschen <ml dem Hauptblatt hier 
* Berit«, 16Jan. (Offieiell.) Versailler, 16Jan. Telegramm 
LeS Königs an die Königin. General v. Werder ist gestern von Bourbaki mit 
vier Corps in seiner Posttion-von BelfortbeiMontbSliard und ChagrY an 
gegriffen worden, und hat in 6stündigem Kampf alle Angriffe abgeschlagen, 
so daß an keiner Stelle der Feind die Stellung durchbrach. Verluste nur 
300 bis 400 Mann. Hauptsächlich Artilleriekampf. Bei Le Mans ist die 
Zahl der Gefangenen auf 20,000 gestiegen. Während des Rückzugs deS 
Feindes nach Alenyon nördlich und Laval westlich auch »och fortwährend 
Kriegsmaterial und Vorräths erbeutet, sowie 4 Locomotiven uud 400 
Wagen. 
* Berlin, 16 Jan. Die hier ein getroffene Pariser „Amtszeitung" 
vom 13 Jan. veröffentlicht ein Rundschreiben Favre'S. Dasselbe legt die 
Gründe dar welche Frankreich verankaffen den Wünschen Englands, Oester* 
reichs, der Türkei und Italien- bezüglich der Theilnahme an der Conse« 
renz nachzugeben. Gleichzeitig werden die Motive entwickelt aus welchen 
für die gegenwärtig Bombardirten die unveränderte Beibehaltung deS 
bisherigen Regierung-programms hervorgeht, Das Rundschreiben schließt: 
^Sobald ich einen Geleit schein habe, und sobald die Lage von Paris es 
gestattet, werde ich nach- London gehen." 
Weitere Depeschen f. fünfte Seite. 
ljArre Nachschrift zu einem Vorwort. 
* PÄbrlberg, im Jan. Sie haben dem Vorwort zu der neuen 
Auflage meiner Dichtung-geschichte einen Platz gegönnt; ich hoffe daß Sie 
auch dieser Nachschrift die Aufnahme nicht versagen werden. 
Man bringt mir die „Nat.-Ztg." vom 7d. M., worin ein Angriff auf 
mein Vorwort von einem vielgenannten Herrn aus Wiesbaden enthalten 
ist. Mit den Widerreden gegen meine politischen Andeutungen habe ich 
Nicht- zu thun; der Autor wäre auch unter den allerletzten mit denen ich 
politische Weisheit pflegen möchte. Gelbst auf die dreiste Frage: „Wer und 
was mir das Recht gebe zu sagen W. Grimm, I. Grimm, F. C. Dahl 
mann urtheilten über die Ereignisse (neuesterZeit) soundso"—eineFrage 
deren Beantwortung ich nicht füglich verweigern dürfte — würde ich ihm 
als einem wenigst dazu Berechtigten und Berufenen die wenigste Lust haben 
eine Erwiederung zu gebe». Aber er beruft sich auf Berufenere: es sollen 
„Tausende und darunter die nächsten Angehörigen und Freunde dieser 
der Nation theuren Männer, die ihnen vielleicht denn doch noch näher ge 
standen als ich, glauben, ja geradezu wissen, daß sie eine ganz andere An 
schauung hatten als die welche ich aus meiner individuellen Verstimmung 
heraus ihnen aufoctroyire." Ob eS wirklich solche nächste Angehörige und 
Freunde gebe? ob sie gar den Schreiber der „Nat.'Ztg." zu ihrem Sprecher 
gegen mich erkoren hätten? Ich kann eS nicht wissen, und ich werde eS 
nicht glauben. Aber da die Sache doch zur Frage steht, ihnen will ich, auch 
wen» s i e nicht gefragt hätten, Rede stehen. 
Die Worte die ich jenen stummen Todten, zum Verdruffe der leben» 
den Tonangeber, in dm Mund gelegt, find nur von zweien derselben be 
hauptet. Wilhelm Grimm besaß eine viel zu reinliche Seele, als daß er je 
eine Neigung hätte haben könnm in dem trüben Wasser der Politik zu 
baden. 
Was Jacob Grimm angeht, so will ich nicht von Wortm und Briefen 
berichten die unter uns gewechselt worden find; ich könnte sie mit meiner 
„individuellm Verstimmung" verfärben. Ich will für heute nur einen 
längst gedruckten Satz von ihm wiederholen, welcher dem Vorstehenden 
völlig gmug sagt. Er schrieb am 26 Nov. 1859 an Franz Pfeiffer wie 
folgt: „Den Sommer machte mich der traurige Krieg und der unselige 
Friede beklommen. Alle deutschen Hoffnungen find dadurch herunterge 
kommen, und das Verhältniß Oesterreichs zu uns ist wieder viel unsicherer 
geworden. Die Hoffnung soll man fest haltm; doch wie getrübt liegt der 
Schluß meine- Leben- vor mir, der ich als Jüngling und im Mannes 
alter mich immer dem fteudigsten Glauben an die Größe deS Vaterlandes 
hingegeben habe. Ich brauche nicht mehr zu sagen." Ueber jenen Krieg von 
1859 dachten damals sehr viele gute Patrioten anders als Jacob Grimm; 
2ie es nicht für Deutschlands Pflicht ansahen die Sünden die Oesterreich 
in Italien ohne Deutschland begangen mit ihm auszubüßen. Aber wenn 
jene- deutscheste aller deutschen Herzen schon diesen Krieg und Frieden von 
1859 ttaurig und unselig nannte, der Oesterreichs Verhältniß zu uns nur 
unsicherer machte — hätte der Mann weniger, als ich ihn sagen ließ, von 
dem Bürgerkriege von 1868 gesagt, der da- Verhältniß Oesterreichs zu 
unS zerriß? und von dem Frieden der seine Trennung von uns so sicher 
als möglich gemacht? Von dem Frieden der die Hoffnung zertrümmerte 
welche der weitherzige Vaterland-freund, der aus der deutschen Familie 
keine Seele misse« wollte, noch festgehalten hatte? der seinen freudigen 
Glauben an die Größe des Vaterlandes, wie er sie sich gedacht, zerstörte? 
Und das wäre immer und erst der eineKrieg und nur der eineFriede mit 
Oesterreich gewesen! Was würde er vollends zu den andern Kriegen und 
Friedensschlüssen, waS gar zu der Niederwerfung von fünf selbständigen 
Staats- und Stammkörpern in dem übrigen Deutschland gesagt haben! 
Dieser Erforscher des Alterthums war kein politischer Rechner und Klügler ; 
nur um so stärker und gesünder war in ihm das instinctive Gemeingefühl, 
in dem er als ein lebenvollstes Glied an dem deutschen Volkskörper empfand 
WaS aus dessen Natur und wider seine Natur war. Ihm war die ganze 
Vergangenheit unsere- Volks- und StaatSlebenS in Geist und Seele ein 
geprägt, und er hätte der politischen Weisheit gespottet die von einem 
Luftzug de- Tage- erwattet ein Gebäude der Jahrtausende verweht zu 
sehen. Ich habe in diesem Mann, ehe da- Jahr 1866 eine Verstimmung 
in mir erzeuge» konnte, die herrliche Doppelkraft der Vaterlandsliebe 
öffentlich gepriesen, dem (wie jedem Schweizer und Amerikaner) der Miß 
gedanke undenkbar gewesen wäre, „der Millionen Deutschen in ihrer poli 
tischen Gedankenlosigkeit und Verkommenheit arglos geläufig ist, der Ge 
danke, seine Sonderheimath—um der Einheit willen, die in einer strengen 
Bundesverfassung zu retten ist—dem Einheitsstaate verrathen zu wollen;"! 
ich habe vor jener Zeit gewußt und gesagt wie bitter er dem gezürnt habe« 
würde der ihm sein hessisches Volkthum hätte antasten wollen, deffen »»* 
natürlich getrennte Theile einmal wieder vereint zu sehen sein Lieblings- 
gedanke war, von dem er mit mir im Men, ja öffentlich zu sprechen 
sich gefiel. War hätte er gesagt wenn er die Antastung von 1866 
erlebt hätte? Ich will viel kühnere« als das Gesagte von ihm 
sagen. Der schon 1859 über „den getrübten Schluß seines Lebens," 
das traurigste gesagt hatte, der hätte nichts mehr z« sagen gehabt 
MM
	        
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