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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z4
Las auf die Fortsetzung der bi, j tzt beobachteten Taktik
schließen läßt.
Der hier erscheinende „Moniteur osstciel* hat seinem
Titel heute die Namen „du gouvernement dn Nord de la
France et de la prdfecture de Seine et Oise“ hinzuge
fügt. Der Generslgouverneur von VersMeS, General von
Fabrice, publizttt einen Erlaß, nach welchem er zu» Gou
verneur de- Departements der Seine und Oise, der nörd
lichen Departements, sowie folgerst er: Somme, Oise, Seine-
Jnferimre, Eure und Loire und Loiret ernannt worden ist.
Herr von Fabrice fordert die Munizipalbehörden auf, strikte
seinen Befehlen Ordre zu leisten.
G. Versailles, 9. Januar. Die hier eingelaufenen
Nachrichten aus Paris schildern die durch das Bombarde
ment hervorgebrachte Bestürzung und die damit im Zusam
menhange stehenden Unruhen, welche einen stark demonstra
tiven Charakter gegen die Person Trechu's cm sich tragen.
Man ergebt sich in Paris in den bittersten Lästerungen ge
gen die „PrufstenS", welche ihren schamlosen Barbarismus
so weit treiben, daß dieselben sich nicht scheuen, die „ville
des villes", um mit Hugo zu reden, die heilige Stadt, die an
der Spitze der Civilisation marschirt, zu bombardiren. Die Fran
zosen scheinen ein sehr kurze-Gedächtniß zu haben; muß man
denselben ihren „glorreichen" Trg von Saarbrücken immerin die
Erinnerung zurückrufen, wo alle Pariser Journals ihren Jub l
laut kundgaben, daß man eine offene Stadt bombardüt
hatte. In der Masse der Pariser Bevölkerung hat die Be
schießung der FottS und theilweife auch der Stadt den
größten Eindruck hlnterlaffcn. Man drängt Trochu hin,
große MaffrnauSfäüe zu versuchen, um mit einem glücklichen
Handstreiche unsere Linien zu durchbrechen. Der der großen
Masse überlegene, intelligente Trochu sieht die Unmöglich
keit dieses Planes ein und weigert sich, dem ungestümen
Verlangen r achzugeben. Es ist ein öffentliches Geheimniß, daß
General Vinoy gegen Trochu agitirt und die Volksmaffm
gegen denselben aufhetzt, um durch ihre Hülfe an die Spitze
der Truppen gestellt zu werden. — Die Beschießung der
Süd-, Ost- und Nordsorts hat auch gestern seinen Fortgang
genommen. Während die nördliche und östliche Front fast
gänzlich schweigt und ihre Geschütze in bombenfest" Räume
sicher untergebracht hat, wurde gestern auf der Südseite,
namentlich von Fort Jsiy, daS Feuer stark erwidert. DaS
Fort Jffy ist am stärksten bedroht und in Anspruch
genommen, da eS von der bei der berühmten Diogeneslaterne
bei St. Cloud aufacstelltrn Batterie ur.d von derjenigen bei
Mludon kreuzweise Feuer empfängt. Die französtsch en Batterien
feuerten gestern zwar heftig, aber nicht mit genügender
Präzision, um uns auch nur den entferntesten Schaden zu
zufügen, während wir ihnen abermals starke Verschanzungen
sntzweischcssen. Die Thatsache bestätigt ftch vollkommen,
daß cS in Folge der nach Paris binetngesarrdten Brand
raketen, welche aus 24-Psündern geschossen werden, gestern
und vorgestern an mehreren Stellen in Paris gebran t hat.
Von de» Höben bei Sevres wurde gestern von unseren
Offizieren auf das Genaueste die Beobachtung wahrge
nommen, daß unsere Geschosse mehrere Häuser links vom Jn-
v.tlidendom demolirthatten, welche vollständiginBrandstanden.
Mittelst Fernrohres konnte man deutlich sehen, daßdiePompierS
mit dem Löschen der Häuser in Paris auf daS Eifrigste beschäftigt,
waren. Wie ich höre, war der Befthl ausgegeben, daß die
vier bei Et. Cloud, Meudon und Sevres pofiirten Batte
rien vorgestern Abend um 10 Uhr und die Nacht bindutch
1600 Brandraketen nach Daris hineinsckleudern sollten, so
daß auf ftde der Batterien 400 Geschosse kommen sollten.
Ä&- dtt'S Artillerie« növer vor sich gegangen ist, -Z nn ich
' Ihnen in diesem Augenblicke noch nicht speziell mittheilen.
Sowohl der Pariser Bevölkerung, welche wohl bald müde
fein wird, den wahnsinnigen Widerstand k cxitrance
zu predigen, als auch der in den Forts liegenden
Truppen hat fich in Folge der veränderten Situation eine
wahre Panik bemächttgt. Seit zwei Tagen schickt der
Feind keine Pat ouillen mehr aus und unsere Soldaten
gehen ruhig und harmlos bis zu den französischen Feld
wachen. Ein höherer Jngenirur-Ojfizier ritt gestern allein
durch mehrere Dörfer, die noch vor einigen Tagen von fran
zösischen Posten besetzt waren; die dort zurückgebliebenen
Einwohner konnten ihr Erstaunen nicht unterdrücken, plötz
lich einen Preußen vor Augen zu haben. — Ja der Nacht
vom 6. zum 7. kamen mehrere Bataillone Linien- und Mobil-
foldaten auS dem Fort Valerien hervor, dieselben waren in
völlig angetrunkenem Zustande und trieben bei anhaltendem
ES fei zwischen Deutschen bei Kriegsbeil auf ewig begra
ben; sogar mit Inbegriff der „nächtlichen Axt* dcS Stutt
garter „Beobachter-*.
Das lang erstrebte Ideal ist Realität geworden. Die
letztere entspricht nicht in Allem dem ersteren. Die Freiheit,
die man täglich und stündlich erkämpfen muß, gleicht aller
dings nicht jener ätherischen Freiheit, von welcher Max von
Schenckendorf fingt:
„Freiheit, die ich meine,
Die mein Herz erfüllt,
Komm' mit Deinem Scheine,
SüßeS Engelsbild.*
Aber, wo in aller Welt, hat sich jemals Idee und Er
scheinungsform vollständig gedeckt? Sollen wir uns deshalb
von der Freiheit wieder scheiden laffen, weil bei ihr a S F au
einige kleine Mängel zu Tage treten, welche bei der Braut
nicht bemerklich waren? GervinuS will, daß wir da wieder
anfangen, wo wir 1849 aufgehört habe^. Seltsame Menschen,
diese „legitimistifchen" Liberalen! Als wir damals an die
entscheidende Strecke des Wegs kamen, dg hatte der Sturm
und der Regen dieselbe weggeschwemmt. Wir standen vor
einem Abgrund, wir mußten umkchten. Jetzt hat ein kühner
Ingenieur mit einem enormen Aufwand an Arbeit, an That
kraft, an Genie, den Abgrund überbrückt; und nun sollen
wir sagen: „Nein, auf diese Brücke trete ich nicht, ich stelle
mich an den abgeschwemmten Weg und warte, bis ihn der
Sturm wieder anschwemmt?*
Bet einem Manne von der Größe und dem Geiste
eine- GervinuS würde man eine solche Erscheinung geradezu
für unmöglich halten, wenn man fich nicht an die Vorge
schichte verdeutschen Gelehrsamkeit erinnerte, welche während
unserer theologisch-scholastischen Periode großentheilS aus
eitel Streitsucht und Klcpffcchterci bestand. Nieder
schläge davon rxlstiren auch heut noch. Wenn man in
England sagt: Der König kann nicht Unrecht thun, so könnte
man tn Deutschland sagen: Der Gelehrte kann nicht Unrecht
haben.
Der„seelige" Stahl sagte: „Die Wiffenschast bedarf der
Umkehr.* GerotnuS sagt: „Die Weltgeschichte bedarf der
Umkehr.* Und Unrecht haben fie Beide.
Karl Braun-Wieöbaden.
G-johle den größten Unsuq. Nachdem sie bis auf 3000
Schritt vorgegangen und MitraMeusenftuer geg-ben hatten
zogen fie sich wieder zurück. — Vorgestern wurde ei« bai
rischer Arttüeriemajor von einer feindlichen Granate der
maßen zerschmettert, daß der Körper nach allen vier Winden
aufgelöst wurde; unter den Todten befindet sich auch der
Rrtillerichauptmann von Waldau. — An der Loire wird für
heute ein entscheiden! er Schlag erwartet, der mit der Armee
des Generals Chanzy aufräumen wird; man hat hier die
günstigsten Depeschen erhalten, die eine große Niederlage
der Loirearmee in Aussicht stellen.
Aus dem Hauptquartier deS 12. Armeekorps geht urs
folgende Korrespondenz zu:
J Clichy, 9. Januar. Wir staben heute wieder
Cchneefall und sie Beschießung von Paris wird dadurch
erschwert. A^f tausend Schritt Entfernung ist in diesem
Augenblick schon nichts mehr zu erkennen. Dies hindert
nicht, daß gerade während ich dstse Zeilen schreibe, meine
Scheiben fast unablässig von Geschützdonner klirren, ver
muthlich vorzugsweise vom feindlichen, da er nach Seemannes
Bitte gern in ganzen Lagen schießt. Dies hat er vor
Allsm in letzter Zeit wenigstens während der nachmittäg
llchen Visitenstunden so getrieben, ich weiß nicht ob
mit Rücksicht auf feine Hörer in Paris oder auf die in
Clichy und Nachbarschaft. Denn aus zahlreichen Anzeichen
läßt sich der Schluß ziehen, daß er von der moralischen Bo
schaffenheit der CernirungSarmee noch immer di: wunder
lichsten Begriffs hat, und ich glaube schier, er meint unS mit
seinem Lagensckießen einzuschüchtern. Hiermit stimmt denn
auch, daß General Trochu sich neulich einen seiner
sächsischen Gefangen « — eS sind deren in Parts 400 — zu
dem Geschäfte aussuchte, sächsische Offiziere als Deserteure nach
Paris hineinzuschmuggeln. ES klingt schier unglaublich, doch
ist dem Marne richtig zu solchem Zwecks Gelegenheit ge
geben wo.den, sich mit allerlei Versprechungen an derartige
Überläufer aus Paris herauszustMen und er ist seit gestern
wieder bei seiner Trupse. Danach zu urtheilen, fehlt dem
obersten Vertheidiger von Paris durchaus die richtige Vor
fttllung von d>m Feinde, welcher ihn bedrängt. Er kalkulirt
auf die alten Zerwürfnisse und Antipathien und weiß nicht,
obschon selbst Sold st, daß dergleichen nie und nimmer
inmitten eines siegreichen FeldzugS gegen das mächtige Band
der Waffenbrüderschaft ins Gewichr fällt. Eia fernerer
Schluß wäre, daß Paris noch immer seinen Offizieren ein
leidliches Dasei t bieten muß, denn wie könnte Trochu sonst
überhaupt auf den ganz« Einfall kommen? Man dcsertirt
d.:ch nicht aus dem Uebrrfluß in die Hungersnoch hinein.
Ein schönes Gegenstück ist die von dem sächsischen Sol
raten L ue vom 103. Regiment gelieferte neulich
schon durch die Blätter rrzählte Zähigkeits-Probe,
gleichen kann man zwei Mal hören und aus
Gefahr hin erzähle ich's. Der Mann war also mit
sogenannten Unterosfizier-Schleich-Patrouille Nachts über den
Avron hinauSg-cki-.ttert, erhielt dann vnverfe ens auf dem
Wege nach dem Dorfe Nosny einen Schuß in beide Ober
sch'Nikel, fiel und mußte von seinen Kameraden in Stich ge>
laffen werden. Die Franzosen fanden ihn nicht. Als er
sich daher von stilrein Gckrcck erholt hatte, versuchte er ob
er Hein kriechen könne, eine Wegstunde etwa, nämlich bis
Villemombre natürlich ging eS langsam, zumal er sehr blutete
und die Hände ihm auf dem eisigen Boden schier anfrieren
wollten. Aber er kroch so wett eS gchen wollte und dann
wieder ein Stück und dann noch ein Stück uno so die ganze
Nacht durch Lismer früh Mv'gens tzüe -in armer Hund an
den fächsi^LM>Mposten vo|*Me sich heran
geschleppt hattE Mx Mann lirgt jetzt in^VaujouiS im Ls
zareth, hat das eiserne Kreuz auf der Jacke und freut fich
sehr, daß er dem General „Dtochu* ein X für ein U ge
macht hat.
AuS dem Lager vor Paris gehen unS folgende
Korrespondenzen zu:
v. <3. Ferriere«. 6. Januar. Durch eines jener Zufalls
spiele, denen man so oft im Krieg« unterwrrfen ist befinde ich
mich hrute wieder an demselben Punkt vor der trotzigen Seine-
stadt, der die letzte Station meiner Pilgerung nach derselben im
vorigen Herbst bildete. Wie verschieden find aber nach jeder
Richtung hin jrtzt und damals die Verhältnisse. Als ich am
27. September hier anlangte, war FerriereS noch königlich-S
Hauptquartier und das mit der reichsten Pracht anSgrstaitete
Schloß das europäischen Krösus erhielt eine dauernde histori-
sche Weihe durch den längeren Aufenthalt unseres Königs mit
seiner ganzen Umgebung. Damals wasts Heller Sonnenschein;
wohl
Dev
dies!
einer
Eine neue Erzählung SpielhagenS.
Deutsche Pioniere. Eine Geschichte auö dem vori
gen Jahrhundert von Friedrich Spielhagen.
(Berlin, O to Zanke, 1871.)
Für die Kritik giebt cs keme angenehmere Aufgab', als
dis Fortschritte und Entwickelungen eines bedeutenden
Talents zu beobachten, mit ihrem Für oder Wider zu be
gleit n. Der Freude des Gch-rffenden stellt fich der Genuß
des Betrachtenden beinahe ebenbürtig zur Seite. Friedrich
Spielhagen'S Schöpfungen gewähren in ihrer Reihenfolge,
die im Großen und Ganzen zugleich rin stetiges Wachsthum
ist, ein so befriedigendes und erfreuliches Schauspiel. Ein
Talent, das vor Allem darum anzieht und frssrlt, weil cS
sich zu immer reineren und schöneren Harmonien aufzu
schwingen sucht. Hier ist kein Stillstand, nur selten ein
kurzes Ausruhen, um den Gang zu dem nächsten, höher
gesteckten Ziele wüthiger beginnen zu können. So
will es unS bedünken, als wären die „Deutschen
Pioniere" auch nur der erste Schritt, den Spülhagen aus der
Gegenwart in daS Gebiet der Geschichte thut. Aesthctische
Streitfragen werden am besten durch Thaten gelöst, und der
vielangkfochtea'' historische Roman beweist das Recht seiner
Existenz vielleicht durch nichts schlagender, als daß er all-
mälig jedes hervorragende rptsche Talent in seine Kreise
zieht, m hr oder minder natürlich, je nachdem den Dichtern
historischer Sinn und die Fähigkeit, fich in ein vergangenes
Leben und Treiben zu versenken, vom GentuS zuge
messen ward. Baut doch selbst Goethe, der vor allem
Historischen, weil eS im l'tzten Grunde politisch ist, ein ge
heimes Grauen empfand, s:ineJsylle„Hermann und Dorothea"
auf dem Hir tergt und der französischen Revolution auf. Aehn-
lich lehnt fich SpielhagenS neueste Erzählung an die Ge
schicke der dlUischen Auswanderer nach Amerika, an ihre
Kämpfe mit den Franzosen und Indianern an. Wie bekannt,
wurde der siebenjährige Krieg nicht nur in Deutschland,
sondern in Nordamerika und Indien geführt; war nicht nur
ein Kampf zwischen Preußen und Oesterreich, sondern in
noch stärkerem Maße zwischen England und Frankreich.
Damals haben die Engländer den Franzosen Kanada und
Indien entrissen und endgültig ihre Mrerherrschast festge-
stellt, dem Dreizack Britarmia'S die Hegemonie verschafft.
Von Kanada aus, im Bunde mit den indianischen Stämmen,
die an den großen Seen im Nordwesten de- Staates New-
York ihre Jagdgebiete hatten, brachen die Franzosen wieder-
holt plündernd, sengend, mordend, eine wüste Rotte, gegen
die englischen und deutschen Niederlassungen am
sommerlich blickten noch Himmel und Erde, und wenn
ich mich anch in Feind: stand, m sinem eroberte»
Dorfe befand, aus dessen Einwohner schrn damals die
Kriegslasten und da- eiserne Gesetz des Krieges schwer
drückte, so schützte sie die Anwesenheit des Kriegsherrn und die
strenge Ordnung, die naturgemäß damit verbunden war vor
Manchem, was heute nach so viel längerer Dauer des Krieges,
nach lo sehr in Folge der Jahreszeit, der Zahl und Mannig
faltigkeit der Durchzüge sich steigernden Bedürfnisse und nach
der wachsenden Erbitterung der Gemüther in Foste der großen
Leiden, die jedem einzelnen Kämpfer der rähe Widerstand dieser
Nation bereitet, sie vielleicht oft unverschuldet, aber darum nicht
weniger unvermeidlich trifft. Heute Abend in kalter Winter
nacht aus dem Wirrwarr des von Soldaten, Kranken, Ge
fangenen wir von Ungeheuren Gütervorräthen wimmelnden
Eifenbahnendpunktes Lagny hier angelangt, finde ich in dem
Orte, in welchem von 800 Einwohnern kaum 400 zurückgeblieben
find, noch einmal so viel Mannschaften aller Waffengattungen,
Proviant - und Munitionskolonnen und die entsprechende
Anzahl Pferde, für deren Unterkommen unter gewöhnlichen
Verhältnissen die vorhandenen Räume und Mittel bei Weitem
nicht ausreichen würden. Heute aber muß Rath geschafft wer
den. und es gelang mir denn auch endlich, der klemm Kara-
vane von fünf Wagen, sechs Pferden und stehen Mann, der ich
mich angeschloffen hatte, zu einem leidlichen Unterkommen zu
verhelfen. Das von den unaufhörlichen Truppendurchzügen er-
schöpfte Rothschilo'sche Dorf hatte in dieser unfreundlichen
Wintemacht ganz dasselbe Aussehen wie tausend andere fran-
zöstsche Dörfer in ähnlicher Lage und wenige von denen, die
jetzt die verschiedenen Aufgaben deS hatten KrregsdiensteS hm-
durchführen, werden Luft und Mutze haben, die Herrlichke t, die
es birgt, fich anzuschauen.
Don meinen sächsischen Freunden in Montfermeil war
heute Morgen der Abschied ein ziemlich plötzlicher. Ich erfuhr,
daß an dieser Ostseite zunächst nichts Ernstliches mehr beabfich-
tiflt, dagegen der Angriff an der Süd front aller Wahrfchem-
lichkeit mit allem Nachdruck durchgeführt werde. Dahin zu
gelangen, mußte ich also streben, bis wann es mir ge-
lingt, steht dahin Da man Nachricht haben wrll,
daß die kasemaitirten Räume auf Fo:t Rosny durch
unsere Batterien zerstört seien, machte fich mehrfach
die Ansicht geltend, daß das gestrige furchtbare Schießen
von dort her nicht von dres m Fort selbst, fon-
dern von Batterien aukgegavgen sei, welche die Franzosen
mittlerweile seitwärts errichtet. Was drese Annahme unter-
stützt ist der Umstand, daß man sich die Unthatigkeit gegenüber
den auf dem Mont Avron am lichten Tage^ von Hunderten
ausgeführten Dem olirungs arbeiten gar nicht erklären könnte, wenn
diese im Stande gewesen wären, von den Forts aus diese Thätigkeit
noch zu stören. Als ein hoffnungser weckendes Moment für
die moralische Wirkung des Bombardements auf den Feind
wurde noch erzählt, daß zwei Bataillone Nationalgarde, welche
zur Besatzung des Forts St. Denis gehört, als vor ein Paar
Tagen dte ersten preußischen Granaten dorthineingeschleutert
wurden, sofort verlangt hätten, nach Parts zurückgesuhrt zu
werden, da sie keinen Berns suhlten, sich dem Feuer auszusetzen.
Morgen früh denke ich da- erste bairische Armeekorps (von der
Tann) zu erreichen und werde wahrschernlich, sollten die vor
dessen Front liegenden Forts brschoffm werden, von der dortrgen
Feuerlinie aus meine nächsten Berichte einsenden.
v. G. Villenenve le Roi. 9. Januar Wenn meine
Benchte vorläufig noch den Charakter eines ReisetagrbucheS
tragen, so hat daS seinen Grund darin, daß ich aus meiner
Wanderung von der Ost- zur Südsront von Paris noch nicht
den Punkt.erreicht habe, von wo aus sich die Entwickelung und
Entscheidung des großen artilleristisch-n Kampfes, der seft dem
5. d. Dt. begonnen hat, aus der Nähe beobachten läßt. Da tch
jedoch den weit aus dem Schuß liegenden Kolonnenweg über
Corbeil vermieden und mich wenigstens stets tm Hörbereich des
Bombardements von Ost nach West vorwärts bewegt habe, so
bin ich sicher, keinen wichtigen Punkt übergangen m haben und
kann auch vom Stand der Dinge an solchen Stellen unserer
Umschlietz.maslinie, deren, Namen, der iTelegraph vtelletcht
nicht mehr als den Schauplatz entscheidender Erirgniifelbezetchnerr^
wird, erzähltn, was der Landsmannschaft we^en Diesen und
Jenen besonders interefstet und was für Denjenigen, dem an
einem klaren Gesamwtüberblick gelegen ist, auch nicht unwill
kommen sein dürste. In dieser Beziehung sei mir zunächst er-
laubt, wiederholt darauf aufmerksam zu machen, daß unsere
Armeeleitung schon ans Gründen der materiellen U-tmöglichkeit
von dem Gedanken abschen muyte, sämmtliche 20 Forts von
Paris nebst den vor denselben aufgeführten Erdwerken
als ebensoviel selbstständige Festungen zugleich mit Bc-
laaerungSbatterien anzugreifen mit der Absicht, fie entweder in
Trümmerhaufen zu verwandeln oder nach gelegter Bresche mit
Sturm zu nehmen. Die Belagerungsgeschütze des gesammten
Europa würden dazu nicht ausreichen und die Opfer, die ein
so üllgemcincr Angriff uuS kosten würde, wären nicht zu ver-
antworten. Das Menschenmögliche bat die deutsche Energie
und Arbeitskraft geleistet, indem sie bis zur Stunde auf dem
Fortsetzung im ersten Beiblatt.
Mohawk- und Shoherie - Fluß vor, damals die äußersten,
in den U'wald vordringenden Stätten freundlich-menschlicher
Kultur. Aus diesem jungfräulichen Boden, unter den Rtescn-
bäumcn deS Waldes, im einsamen Blockhaus entwickelt sich
ein tragisches Geschick: der Streit zweier bisher in innigster
Freundschaft und Eintracht lebender Brüser um ein Mädchen.
In scharfer Gegensätzlichkeit treten sich beide gegenüber, der
ältere L:mbert eine ernste, wägende, tiesimrerliche Natur, ein
Ackerbauer, der mit jedem Jahre der Wildniß neuen Grund
für das Weizenfeld abgewinnt, der jüngere, Konrad, ein
umherschweif nder Jäger, unstät und wild auflodernd in
plötzlicher L idenschast. Vom Bord eines holländischen Aus-
wandererschiff, s hat Lambert ein Mädchen, Katharina,
wäh-end der Ueberfahrt h^.t fie ihren Vater verloren
und steht verlassen, freund- und schutzlos in der frem
den Welt, nach seiner Farm geführt. In den
schönsten und lieblichsten Farben ist die erwachende und
rasch wachsende Liebe beider gemalt; die sie umgebende
großartige und eigenthümliche Natur utnrauscht wie eine ge
waltige Symphonie, b -ld feierlich ernst mit mächtigem Stern-
«funket und Tannenrauschen, bald lieblich heiter, mit
Rorger sonnenschein und Vögelgezwitscher, das Geständniß
der Herzen: in harmonischer Weise vermischt fich da- Un-
entweihte der Natur mit dem Unentweihten der Seele. In
diese Idylle bringt nun die wilde Leidenschaft Konralvs,
der ebenfalls das Mädchen begehrt, den -.ragischen Zwie
spalt. Mit dem Schwur, nie wieder heimzukehren,
verläßt der Jäger die Schwelle deS Vaterhauses.
Das Zureden der Freunde, die gtmtinsame Noth
der Heimath führet ihn zmück, ritterlich kämpfend
stirbt er, ein siegreicher Held, der Franzosen und Indianer
vom Hause seiner Väter zurückschreckt. Ein breiteS und ge-
staltenrcicheS, echt rpifcheS Bild des deutschen LebenS in der
Ferne, in der Zerstreuung entrollt sich; den alten Muth, aber
auch die alte Streitsucht und Etgenwiüigkett haben fie auS
der alten Heimath in die neue mit hinüber genommen. Erst
die allgcmeinfame Gefahr und Noth bringen sie mühsam
znsammen. Dann aber find fie auch stark, ruhig, unüber
windlich. Hüben wie drüben bedrohen fie dieseidm Tod-
einde deS deutschen Wesens, die Franzosen; am Shoharie
wie am Rhein und am Neckar immer sind eS dieselben Plün
derer, Räuber und Mordbrenner. Eine vortreffliche durch
aus originelle Figur ist die alte kriegerische Base Ursel,
welche die Wildniß und der Kampf äußerlich zu einem
Fortsetzung tut ersten Beiblatt.