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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z4
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ff>a nicht nur in de;: Stand setzt', dir L-?tßtzung der Festung
Betört zu verhindern, sondern auch dem Andringen j Ut j
stärkeren südlichen HeereSmaffe begcgn-n zu können. Der
faktisch-- Mangel irgend welcher brauchbaren Kavallerie t?ug
wesentlich dazu bei, die französischen Befehlshaber über die
dieffeiügen Bewegungen völlig im Unklaren zu erhallen; über
dies verhinderten Bourbaki's gegründete Besorgnlffe wegen
Bedrohung; seiner linken Flanke ebenso wie GaribaUi's
lancsrmkS Vorrücken jebm überraschenden Erfolg. Am
9. d. sii ßen die bciderfeitigkn Armeen auf einander: die
Ufer des Oignon, an welchem General v. Werder bereits
einmal wir Erfolg gekämpft, bildeten abermals das G-ftchts-
seld. Dcr General v. Werder zog dem Feinde von Vesoul
aus entgegen; bei LtaileroiS, kaum 2Meilen südlich jener
Start, stttß er bei s inem Vormarsch auf Villers-xel auf die
Flank- des 20. französischen Korps, das Genera! Clinchamp
befehligt. General v. Werder nahm Valllrois, zwang
den Feind, auch noch Truppentheile des 18. KarpS des
Generals Billault zu entwickeln und wies fodann alle
Angriff? dtSFeir-des mit eigenem unbedeutenden Verluste ab,
indem er 2 Stabsoffi icrc, 14 Offiziere und über 500 Mann
g fang/n und außerdem 2 Adler nahm. Bereits am Tage
zuvor hatten Bataillone des entgegenrückenden 7.Aämeckorps
(bei Montbard) ein siegreiches G-feckt gegen Garibaldifche
Freifchaaren bestanden und so konstotirt, daß auch
nndimst^ärtS Vesoal der Weg dahin verlegt sein dürste.
Inzwischen hat General von Tresckow mit der demselben
zugcthnlt n Reserve-Division die Belagerung von Bel-
fort fortzefttzt, in derfelhcn wesentliche Fortschritt: gemacht
und in mehreren glücklichen Vorpssterigffechten die voraesen-
beten Abtheilungen des Feindes zurückgewiesen. Es ist be-
WerkenkWerth, daß alle diese Erfolge erzielt worden sind,
bevor die von Seiten der deutschen Heeresleitung angeord
net! Verstärkung d.s Werderschcn Korps zur Ausführung
gekommen und diejenigen Verbindungen hergestellt waren,
vulch: durch den Amnanch mehrfach disponibler Streitkräfte
nunmehr erziel; worden find. Das bisher allein operirende
14. ArmerkporpS ist in Folge dcr jüngsten fanMsche« Opc-
rstionen in Ostfrankceith erheblich verstä.kt und behufs ge
meinsamer L itung der Operaliomn der Oberbefehl über dies:
unsere Süvarmee dem General der Kavallerie Freiherr»
v. M ntcuffll übertragen worden.
Ueber die Eröffnung der Beschießung der
S üdfortS von Paris wird dem „St.-A * aus den Haupt-
quartieren in Versailles unterm 5. Jrnuar geschrieben:
„Nachdem die Batterien auf der südlichen Front der Cenri-
rungslinie in der Nacht vom 3 zum 4. Januar montirt wor
den waren, haben sie heute ihr Feuer gegen die Südsorts
von Paris eröffnet. ES hatte düs Bombardement eigentlich
am 4. Januar, mit dem Eintritt der Tageshelle, beginnen
sollen. Der Nebel war jedoch an dies m Tage so dicht, daß
cS der Artillerie unmöglich gewesen wäre, ein Resultat zu er
zielen. Auch heute war die Luft nicht ganz neb-lfrei, den
noch daS Wetter hell im Vergleich zu den vorangegangenen
Tagen: m ',n konnte auf Entfernung von 2500—3000 Schritt
selvst kleinere Obj kte, wie einzelnes Gesträuch oder mäßig
hohes Mauerwerk genau unterscheiden. Eingeleitet wurde dcr
Geschntzkampf, der sich unsererseits erst nach 8Uhr Morgens
entwickeln sollte, durch eine Kanonade der Franzosen. Der
Valerien schoß seit dem 4. Januar Nachmittags in kurzen
Untubrcchungcn die ga-'ze Nacht hindurch und f tztc sein
Feuer, d.rS hauptsächlich die Richtung auf Marocs und
St. Cloud yatte, a^ch am Morgen d S 5. fort. Die
Südfortssi:len mir ihrem Feuer schon vor der Morgen
k ein, woraus sich folger n läßt, daß dem Feinde
- vw* jd>- iK ) t. ju-.t (UyCre .iürk» ^Äbl st>. ß ö:ii
jc-wächc nfanterie-DetachementS. ES war noch nicht ganz
Uhr, arö dirse eien Angriff auf die bairischen Vorposten
bei Clamart unternahmen. Küingewehrfcuer wurde von
biestm Punkte hörbar, das aber nach kaum 20 Minuten in
dem Augenblicke verstummte, als die deutschen Geschütze in
Wirksamkeit traten.
Um 8V* Uhr fiel der erste Schuß, nachdem zuvor in
j der der Batterien ein lautes Hoch auf Ce. Majestät den
König Wrlhelm ausgebracht worden. DaS diesseitige Ge-
schützscuer war gegen dieorei SüdsortS Jffy Vnvres, Mont-
rouge und die provisorischen Befestigung-?« gcrichter, welche
die Franzos:« zwischen diesen Forts und der Seine angelegt
haben. Da jedoch unsere Batterien, über deren Bertheilung,
Ewrichtung und Stärke im gegenwärtigen Augenblick noch
Angehörigen dcs groß herzoglich beffen-darmstädtischen Klein
staates, in w elchem er zu H rufe ist. Grade wie sein berühmter
Darmstädtifcher Landsmann, Freiherr Heinrich von Wägern,
den feine- Zeit die deutsche 3l4icn geehrt hat, w.e kaum einen
Zweiten, schließlich dazu zurückgekehrt ist, die Ideen dcs Herrn
v.Dalwigk hei demWiener Hofund in dem, Haufe der Gemeinen*
des bksagtenGroßherzogthums zu vertreten. Ich rechne Niemand
zur Schuld an, was nur kein Verhängniß ist. Jeder von
urS, der in der ncuren Z it die französischen Provinzen
bereist hat, kann ft<S> des Eindrucks kaum erwehren, daß
dieses Land,obgleich feine Bevölkerung, namentlich die bäuer
liche, der unftigcn an J teUigen?, Fleiß, Ausdauer, Geschick
und Sparsamkeit unendlich weit nachsteht, unS in Wirth-
fchaftlichen Dingen vielfach voraus ist; und wenn wir nach
der Ursache forschen, so staden wir sie schließlich nur darin,
daß eS sich schon seit langer Zeit dcr wirthsckastlichen Ein
heit, welche identisch ist mit dcr wirthschaftlickm Freiheit,
erf.eut. während bei unS bis vor Kurzem der ökonomischen
Entwickelung überall Territortalschranken, Grenzpfähle,
Schlagbäum-: und Binnenzölle, für Menschen wie für
Waaren, im Wege standen, und selbst noch im Dezember
1870 die bairischen Vorbehalte dafür gesorgt haben, daß
dergleichen mißständige Antiquitäten wlbst „tot neuen Reich*
nicht ganz auSsterben. Aus ähnlichen Gründen kann es
denn ausnahmsweise wohl kommen, daß auch einmal ein
junger Franzose richtiger sieht, als ein alter Deutscher, und
zwar in einer deutschen Frage.
GervinuS ist der Repräsentant des alten Liberalismus
(nicht Alt-LlberaUSwus) von Deutschland, deS Liberalismus
der Kleinstaaten, welche „konstitutionell* waren, während
Preußen beim Absolutismus verharrte. Preußen aber ist
s it zwetundzwanzig Jahren in die Rühe der Versaffungö-
staatcn eingetreten; und bei ihm ist die Verfassung eine
Realität geworden, während sie bei den Kleinstaaten eine
Fiktion war. Denn wie kann man im Ernst? daran denken,
für ein Ländchen, für das eine gute Provinzial-, Kreis- oder
Siädteordnung vollkommen hinreicht, eine Veifaßung nach
englischem Zuschnitte, etwa gar mit „zwei Häusern* und
„konstitutioneller Theilung der Gewalten,* während doch von
irgend einer Macht oder Gewalt gar keine Rede sein kann,
aufzurichten und durchzuführen?
Der deutsche Liberalismus ist im Begriffe, sich aus dem
hcsien-darmstädtifchen, kurheffifchen, bairischen Liberalismus
in den deutschen Liberalismus umzugestalten; und das ist
eS, waS ihm die Herren, welche an dem Standpunkte dcr
dreißiger und vierziger Jahre festhalten, nicht verzeih.« kön-
nicht berichtet werden kann, auf e'nem weitem Berge emp-acir^
sind, so konnten noch einige andere Punkt-? d:r ftanzöfiftuen'
Auß^nstellungen, die ohne gerade befestigt »u sein, dos» als
KantonnementSorte veröarrikadirt find, unter Settenftuer ge
nommen werden. Ueber die Wirkungen, welche da- Bombar
dement auf den Feind h rvorbrachte, läßt sich Folgendes niit
Sicherheit angeben. Zunächst zog sich dre gegen Clamart
drbouchirende Infanterie, wie bereits erwähnt, schleunigst
zurück, sowie die deutschen Geschütze ihr Feuer eröffnet halten.
DaS Krachen derselben des an den Felswänden des Scinethals
einen dumpfen, dem Rollen des Donners vergleichbaren
WirderhaL fand, mochte auf den Gegner einen furchtbaren
Eindruck machen. Denn m n bemerkte, wie drcjenmen
Stellungen, aus denen bis dahi r während der ganzen Zeit
der Belagerung ein lebhaft?s Grwehrfmer von den französi
schen Vorposten unterhalten worden ist, sofort ge
räumt wurden. ES war dies besonders ersichtlich bei
Billancourt, wo die sonst stets rührigen feindlichen
Vorposten heute nach 8\'* Uhr nicht einen Schuß mehr ab
gaben, sogar eine bastlest erbaute Batterie nickt zur Thätigkeit
kommen konnte. Aehnliches wurde in der Vorstadt Bo ul og ne,
gegenüber dem Schlöffe von St. Cloud, beobachtet. Mobil-
Zarden, die hier liegen, wichen ohne Säumen zurück, und
cine französische Batterie kam gar nicht zum Fmern.
WaS die Forts betrifft, so schoß die Citadelle des
Valerien ziemlich heftig, obwohl in geringerem Maße
als früher, und nur in der Richtung gegen St. Cloud uns
den Thalrand, der von hier nach Sev-i.es läuft, während sonst
ihr Feuer in l-tzter Zeit mehr gegen dir Stellungen von
Vancieffon, Bougivat, Louvcciennes gerichtet gewesen war.
Am stärksten f uerten Vanvres und Montrouge, nur
schwach Fort Jssy. Bet Billejuif erwiderte die fcanzo.
fische Artillerie das Feuer der bairischen Batterien gar nicht.
Die Kanonenboote auf der Seine griffen auch heute m den
Kampf mit ein, an dem sich auch die Batterienber Le Pornt
du jour und dem Aquädukt betheiligten.
Um ll 1 /* Uhr trat in dem GesLützkaMpse eine Pause
ein, die bis 2 Uhr währte. In dieser Zeit ereignete sich em
bemerkenSwerther Zwischenfall. Am rechten Seincuser auf
der Höhe der abgebrochenen Sevres-Brücke entfalteten die
F»anzofen die weiße P-?'rlamentärfiagqe. Man glaubte
unsererfeits, daß Unterhandlungen beabsichtigt seien. ES
ergab sich jedoch bald. daß das Bufitehen der Flagge mrt
der Beschießung in künem Konnex stand. Es handelte sich
nur darum, den amerikanischen Gencral-Ksnsul Recd, der
bisher in Paris grblieb.n war und jetzt die Etadt za ver
laßen wünschte, bei unseren Vorposten aufzunehmen. Gene
ral Graf Moltke Hütte demfclbm sckon vor drei Tagen dre
hierzu erforderliche Erlaubniß ertheilt, daher derselbe denn
auch in Eevr?s von einem preußischen Generalstabs-Ossizrer
e?wartet wurde. .
Ueber den Grsammtfchaden und Verlust, der dem
Feinde zugefügt worden, ist ein Urtheil noch nicht möguch.
An verschiedenen Stellen, wie Billancourt ubd Boulogne
wurden durch die dieffertigen Gcfchoffe Häuser zertrümmert
nnd angezündet. Auch auf dem Fort Jffy brach ein Brand
aus. Die franzöfifchtn Granaten zündeten nur in einem
Wohnhaufe von St. Cloud.
Ueber die Oertlichkeiten von Paris, auf welche beim
w iteren V?rlavf der Beschießung Pariser B^llonbrieftn zu
folge deutsche Bomben und Granaten niedergefallen sind,
giebt der „St.-A.". folgende Notizern „Als zuerst bedroht
wird der Gartev du Luxembourg genannt;
das letztere l?r toJM- g'Mau in der Mitte deS lud-
lick- — Stad^HWA^-^Aschev dem
Schritte in gerader öiriic von der Enceinte der Stadt,
4400 Schritte vom Fort Montrouge, und also mindestens
6000 Schritte direkte Meffung von den nächsten deutschen
Batterien entfernt; auf dem Plan vouParis findet man den
Garten deS Luxembourg durch direkte Verlängerung der Route
imperial-' von O'.leans nordwärts bis an die Seine. West
lich deS Luxembourg liegt der Faubvurg St. Germain,
daö reichste und vornehmste Stadtviertel von Paris, östlich das
Quartrer latrn. —Von Clraßen, in denen bereits deutsche
Geschosse niederfielen, nennt die „Korrespondenz HavaS*
zunäo st die Rue Madame, eine schmale Straße, welche
ctwa 200 Schritte westlich des LuxembourggartenS, ven Leng-
seiten diffetben parallel, von Süden nach Norden läuft; fer
ner die Rue St. Jacques, eine schöne breite Straße, welche
östlich deS Palais du Luxembourg von Südweft nach Nordost
nen. Nun ist es ja wahr, dieser Ucberganq ist schwierig, und
eS werden, während er bewerkstelligt wird, such Mißgriffe
begangnen. Allein er ist unvermeidlrck.
ES wäre ein großcs Verdienst, einmal eine aufrichtige
und rvahrhaste Geschichte deS füd- und westdeutschen kiein-
staatlichen Liberalismus und feines Verhaltens zu Preußen
m schreiben. DaS letztere Hai oft und seltsam gewechselt.
Unmittelbar nach der Juli-Rcvolution, welche die meisten
deutschen Kleinstaaten in eine fieberhafte Aufregung ver
setzten, war bei der liberalen Bevölkerung dieser Staaten
die Hegemonie Preußen- sehr populär. Preußen sollte kon
stitutionell werden, eS tollte sich dann an die Spitze der
übrigen kleinen Staaten stellen, welche bereits konstitutionell
waren. DaS war noch geraume Zeit nach der
Juli. Revolution dcr Lieblingswunsch der Liberalen.
Allein Preußen, damals noch in einer Verbindung mit
Oesterreich und Rußland, welche ihre defensive Spitze gegen
Frankreich richtet-, konnte diesem Wunsche zur Zeit noch
nicht entgegenkommen. Der kleinstaatliche Liberalismus,
für welchen nur innere Fragen cxisttrtcn, während er in
europäischen Angeftgenheiten einer poetisch-sentimentalen
Stimmungspvlitik folgte, faßte die Zurückhaltung Preußens
als Böswilligkeit, ja als Beleidigung aus; und als Preußen
z.ur Bewältigung des polnischen AusstandcS Rußland die
Hand bot, verwandelte fick die bisherige Liebe in den bitter
sten Haß. Denn die Pelm waren die erklärten Lieblinge
des füdwestdeutfchen Liberalismus. Derfelbeließ sich auch durch
die Gründung des Zollverein- durchaus nicht versöhnen,
vielmehr war eS überall die liberale Opposition in den Land-
tagen, die den Anschluß auf daS Lebhafteste bekämpfte, jedoch
nur um auch hier ihre Ohnmacht zu zeigen; denn sie wurde durch
die Macht dcr Dinge bewältigt. DaS dauerte so bis in den
Anfang der Vierziger Jahre, wo das Geschrei der Franzosen
nach dem linken Rhctnufer wieder die nationale Stimmung
erstarken, und in Folge deffen Preußen in den Vordergrund
treten ließ. Diese Stimmung war im Wachsen bis Acht-
undvrerzig. Die Einheitsbewegung diese» Jahres war am
lebhaftesten in den Kleinstaaten, weil diese die Leiden der
Zerstücklung am lebhaftesten fühlten. Die Bevölkerung
Preußens hielt ihre Blicke mehr auf die Berliner, als auf
die Frankfurter Nationalversammlung gerichtet. DaS Bor-
Parlament in der PaulSkirche bestand überwiegend aus Klein»
staatlern; und daS Parlament beging den ächt kleinstaatliu,en
„kühnen Griff*, richtiger Mißgriff, einem österreichischen
Erzherzog, von welchem damals ein apokryphes geflügelt.?
Wort: „Ktin Oesterreich, kein Preußen!* umlief, 'die Auf-
rnr S'lne f hrl. Die Rue Danneau liegt mitton zwischen
Luxembour» u :d Jnvalivenbo«; die Rue Gnfflot ist dir
breite Vrrbinduv.^str^ß; zwischen ersterem uns dem Pan-
tbeon. — Der Boulevard de Port Roval führt vom
Standbilde Ncy's im Luxembouragarten süvoflwärtS zum
Boulevard St. Marcel; die Avenue de Breteuil, eine
der breitesten von Paris, verbindet den gleichnamigen Platz
mit der dem Juvalidendome südlich unmittelbar vorliegenden
Place Baubar; sie bat eine ungefähre Länge von 1000
schritten bei etwa 60 Schritten Breite.
AuZ dem Großen Hauptquartier erhalten wir nach
stehende Korrespondenzen:
G. Versailles, 8. Januar. Die Beschießung der drei
südlichen ForiS Jssy, Vanvres und Montrouge nimmt ihren
Fortgang, ohne daß d e feindlichen Batterien Miene machen,
ernstlich unseren Fragen eine Antwort zu The l werden zu
laffen. Die bis jetzt in Scene gefetzten Operationen können
nach arttll ristifchen Begriffen schwerlich ans die Bezeich
nung deS begonnenen „Bombardements* Anspruch machen.
Unsere Artiller e hat die Aufgabe, sich vor der Hand
die richtigen Zielpunkte zu wählen, um dann mit dem ge
hörigen Effekt und Nachdruck das systematische Bombarde
ment beginnen zu können. Dies ist der Grund, weshalb wir
hier nicht weit von der Stätte der Begebenheiten, nur von
Zeit zu Zeit dumpfe Schläge vernehmen, da di- Batterien
in je 5 Minuten einen Schuß abfeuern. Seit zwei Nächten
tst auf den'?Forts, insbesondere auf dem Valerien eine auf
fallende Stille bemerkbar. Unsere auf Vorposten ziehenden
Soldaten, dir unter dem Granatenhagel des Valerien volle
drei Monate haben Stand hallen muffen, jabeln vor Freude,
daß st- wohl für einige Z ;it von den „Zuckerhüten de»
Baldrian* verschont bleiben werden. Für einen Statistiker
wäre eS eine interessante Aufgabe, den Nachweis zu führen,
wie groß der Prozentsatz unserer Verwundeten und
Todten ist, welche wir durch die in den drei Mo
naten vom Valerien entsandten Geschosse eingebüßt
haben. Das Generalkommando deS 5. Korps ist in der Lage,
nach Einsicht der Verhältniffe zu bestätigen, daß auf je 300
vom Valerien abgegebene Schüffe nur eine Verwundung
immer zu rechnen ist. — Für gestern be ürchtete man einen
größeren Ausfall des Feindes, weshalb die hiesige Garnison
konftgnilt war. Unserer Artillerie ist die Aufgabe zugefallen,
unsere Cernirungsl-.nie zu deckm und dieselbe gegen jeden etwai
gen Ausfall deS Feindes zu schützen. Die französische Krieg
führung macht die oerzweifeftsten Anstrengungen, um unS in
der Beschießung zu stören und glaubt, mit beabsichtigten Aus
fällen uns in den Operationen stören zu können. — Die
Beschießung wurde gestern sowohl in der Süd- als auch
Nord- und Ostfront fortgesetzt und hatte den Erfolg, daß
wir die Kasernementö beim Fort Jffy stark zerschoffen haben,
so daß wir nun mit Beschießung der ersten Parallele beim
Fort Jffy beginnen werden. Von Mcudon auS schoß
gestern unsere Baiterie ein vierstöckiges Haus rn Brand,
welches hintcr der feindlichen Enceinte liegt und in einer
der Vorstädte von Paris seinen Stand hatte; ferner
gelang es uns, das in den Händen der Franzosen noch
befindliche ;Dors Billancourt arg mitzunehmen und
starke Verwüstungen dort anzurichten. Das ftanzöfische
Parlamentairhaus bei StzvreS, welches schon so
Mancher mit getäuschten Hoffnungen vrrlaffea bat, ist un
mittelbar nach dem mit dem Oberst Read am 5. stattgehabten
Intermezzo in Grund und Boden geschossen. Die Franzo
sen, welche cs mit dem Aufhissen der weißenParlamentärflagge
bei Sevres zu verschiedenen Malen darauf abgesehen, unS zu
täuschen, befestigten auf dem Parlamentairhause am 5. daS
pip, nm Zeit zum Armiren ihr^r Batterto^-'^
gewtoncn. Unsere Artillerie ließ sich indessen durch daS
Manöver k?in:n Augenblick täuschen, sondern bohrte da»
ParlameniairhauS mit der Fahne in Grund und Boden.
Von großer Wichtigkeit ist es, daß cS uns gelungen ist, gestern
Morgen von SevrcS aus den Viadukt bei Äuteuil zu zerstören.
Derselbe war unser, r Artillerie als Hauptziclpunkt destgnirt
worden,dader ViadukldieEtsenbahnverbindungmiL der.FortS er
möglichte. Da das Geländer der Brücke und einige Eisen
bahnschienen auch verwüstet find, wird es für die Franzosen
schwierig fcin, neue TruppeNMüffen, die der Kälte halber
jetzt in Kantonnements liegen, mittelst der Eisenbahn zu be
fördern. Während die Eifenbahnzüge jeden Morgen Truppen
nach dem Valerien oder Jffy entsandten, sind lieselben seit
gestern Morgen in Folge Le» ZcrsprengeuS deS Viadukts
nicht mehr im Gange. Auch heul-: während dcs Vormittags
hört man nur in größeren Zwischenräumen Schüsse fallen^
gäbe der Gründung des deutschen Nationalstaats in die
Hände zu legen, und zwar aus Antrag desselben Führer-,
welcher damals schon sür die preußische Spitze schwärmte.
Als daS Werk von 1848 scheiterte, mußte man natürlich
wieder einen Sündenbock haben. Denn daß man s lbst die
gröbsten Fehler gemacht hatte, durfte man doch nicht ein-
qestehen. Die Mißstimmung gegen Preußen, um nicht zu
sagen der Haß, wuchs darauf wieder zu derselben Höhe, wie
in der Mitte der dreißiger Jahre un a die Peripetie trat erst
in Folge der Ereignisse vo.r 1859 ein, welche das deutsche
Natkonalgefühl wieder erweckten. Das Weitere weiß Jeder.
Die Verdienste deS südwestdeutschen LiberaltSn.us sind
bekannt und schon häufig besungen. Es ist daher wichtiger
und nöthiger, einmal von seinen Schwächen und Fehlern zu
reden. Es gilt diele zu überwinden. Denn zum Theil
kleben sie dem deutschen LckeralismuS üb.rhaupt noch ein
wenig an.
GervinuS nun, welcher von den Ereignissen in der
PaulSkirche und von dem, wa» Gutes und Schlechtes daraus
hervorging, sagen kann quorum paTS magna fui“, hat
ie Jdiosyükrafie von 1850 nicht überwinden können. Was
bei Anderen eine vorübergehende und subjektiv betrachtet,
auch nicht unberechtigte Stimmung war, ist bei ihm zum
Dogma versteinert. Diese- Dogma lautet nun ein sür alle
mal: „Preußen ist dcr Sündenbock; es ist nicht meine
Wege gewandelt und folglich wandelt cS seitdem nur noch
aus dösen Wegen*.
GervinuS sagt: „DaS kleinstaatlicke Deutschland hat
1848 Preußen die Hand dargeboten, sie ist empfindlich zurück-
gerchlagen worden.* Er vergißt aber alle die „erschweren
den Umstände*; den österreichischen Erzherzog, die Fehler
der ReichSverfaffung von 1849 welche in der Untformtrung
und Centraltfirung theils viel zu weit ging, 'wie in der
Gesetzgebung, und theil- nicht weit genug, wie im Militär
wesen, die Versäumung deS richtigen Moments durch lang
same und schwerfällige Arbeit, die Opposition der Mittel
staaten. Er sagt: „Auch 1866 haben diese Staaten
Preußen die Hand geboten.* Diese Thatsache ist mir neu.
Ich habe 1866 in diesen Staaten gelebt und dort
mitten in der aktiven praktischen Politik gestanden. Ich
habe dort allerdings mancherlei Hände gesehen. Abe?c sie
streckten sich nicht Preußen sreundschastlich entgegen, sorrdern
waren bereit, dasselbe zu zertrümmern und zu t) eilen.
Allerdings winkten sie einladend, aber eS war nach der
französischen, und nicht nach der preußischen Seite. Doch,
sprechen wir nicht mehr von dergleichen häßlichen D'ingen.
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