Full text: Biographien von Jacob und Wilhelm Grimm

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W. K. Grimm. 
der reinsten Freude gefeiert worden und ich habe niemals et 
was Bewegenderes und Ergreifenderes gesehen, als den feier 
lichen Einzug der fürstlichen Familie. Das Volk zog die 
Wagen nicht mit einem tobenden, für den Augenblick erreg 
ten Eifer, sondern wie Jemand, der ein lang entbehrtes, von 
Gott wieder gewährtes Gut in die Heimath zurückführt. Mir 
schien in diesem Augenblicke, als könne keine Hoffnung auf die 
Zukunft unerfüllt bleiben. 
Ich rücke der Gegenwart näher und würde mich schick- 
lkcherweise kürzer fassen, selbst wenn es nicht meine Absicht 
wäre, bloß einzelne Erinnerungen aus meinem Leben mitzu 
theilen. Die damaligen Ereignisse hatten auch auf meine 
Familie Einfluß. Zwei Brüder kamen nach langer Abwesen 
heit aus der Ferne zurück, um den Feldzug mitzumachen. 
Der Maler trat als Offizier in ein Regiment ein und vie 
Besorgniß, daß eine leichte Verwundung ihn für seinen Be 
ruf unfähig machen könne, kam ihm doch kleinlich vor. Ja 
kob gieng bald zu der Gesandtschaft ins Hauptquartier ab, und 
ich blieb mit der Schwester allein zurück, ich könnte sagen, in 
dem mütterlichen Hause, denn es schien uns beiden Aeltestcn, 
als hätten wir die Pflicht, die Verbindung der ganzen Fa 
milie fortwährend zu erhalten. 
Zu Anfang des Jahres 1814 bewarb ich mich um die 
zweite Bibliothekarstelle an der Bibliothek im Museum, die 
vakant war. Ich glaubte dazu nicht ungeschickt zu seyn, und 
was mir fehlte, durch Fleiß und Neigung zu diesem Amte 
zu ersetzen. Der geheime Hofrath Strieder, der an der Spitze 
der Bibliothek und bei dem Kurfürsten sehr in Gunst stand, 
ein Mann von redlicher, aber finsterer und bitterer Gesin 
nung (er hatte aus Haß gegen die Franzosen während ihrer 
Anwesenheit, sieben Jahre lang keinen Fuß aus seinem Hause 
gesetzt und konnte, ohne heftig zu werden, sie nicht nennen), 
rieth mir, um die Stelle blos mit dem Titel eines Bibliothek 
sekretärs zu bitten, weil der Kurfürst, der nöthigen Erspar 
nisse wegen, den Bibliothekars-Gehalt zu ertheilen nicht ge 
neigt sey, und sonst die ihm nicht sehr dringend erscheinende 
Besetzung der Stelle aufschieben möchte: in der Sache mache 
dies keinen Unterschied, und bei der ersten Gelegenheit werde 
sich meine Stellung verbessern. Dieser Rath war so gut als 
eine Entscheidung; meine Bitte ward nun schnell erfüllt und 
am 15. Feb. trat ich mein Amt an. Mit dem ersten Biblio 
thekar, Oberhofrath Völkel, stand ich von Anfange in dem 
besten Vernehmen, er war reich an Kenntnissen, von gemä 
ßigtem, freundlichem Charakter, und hat mich niemals anders 
als kvllegialisch behandelt, alle Geschäfte der Bibliothek wur
	        
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