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Z. L. K. Grimm.
zu dem vornehmen hessischen Adel gehörte und einmal der reich
ste Gutsbesitzer des Landes werden sollte. Doch hat es mich
nie geschmerzt, vielmehr habe ich oft hernach das Glück und
auch die Freiheit mäßiger Vermögensumstande empfunden. Dürf
tigkeit spornt zu Fleiß und Arbeit an, bewahrt vor mancher
Zerstreuung und stößt einen nicht unedlen Stolz ein, den das
Bewußtseyn des Selbstvcrdienstes, gegenüber dem, was andern
Stand und Reichthum gewähren, aufrecht erhält. Ich möchte
sogar die Behauptung allgemeiner fassen, und vieles von dem,
was Deutsche überhaupt geleistet haben, gerade dem beilegen,
daß sic kein reiches Volk sind. Sie arbeiten von unten herauf
und brechen sich viele eigenthümliche Wege, während andere
Völker mehr auf einer breiten, gebahnten Heerstraße wandeln.
JnMarburg hörte ich nach einander bei Bering Logik und Na-
turrccht (ohne aus beiden wahre Frucht zu ziehen); bei Weiß
Institutionen, Pandekten, zuletzt auch ein lat. Eraminatorium;
bei Errleben Pandekten und Canonicum, bei Robert Reichsgc-
schichte. Staatsrecht, Lehnrecht und die krsctica; bei Bauer
deutsches Privatrecht und Criminale; unter diesen allen zog
mich wohl der muntere und gelehrte Vortrag von Weiß am
meisten an, bei Errleben herrschte Eintönigkeit und eine bereits
veraltende Manier. Was kann ich aber von Savigny's Vor
lesungen anders sagen, als daß sie mich auf's gewaltigste er
griffen und auf mein ganzes Leben und Studieren entschieden
sten Einfluß erlangten? Ich hörte bei ihm Winter 1882 bis
1883, juristische Methodologie, sowie Jntestaterbfolge (das im
Sommer 1882 von ihm gelesene testamentarische Erbrecht wurde
aus Heften änderer Studenten abgeschrieben und nachgeholt);
Sommer 1883 römische Rechtsgeschichte, Winter 1883—4 In
stitutionen und Obligatwuenrecht. Im Jahr 1883 war das
Buch über den Besitz erschienen, welches begierig gelesen und
studiert wurde. Savigny pflegte damals in seinen Kollegien
den Zuhörern die Interpretation einzelner schwieriger Gesetz-
stellen aufzugeben und die eingegangnen Arbeiten erst schrift
lich auf dem eingereichten Bogen selbst und dann öffentlich zu
rezenstren. Einer meiner ersten Aufsätze betraf die Eollation,
und ich hatte die darin ausgestellte Frage vollkommen begrif
fen und richtig gelöst; welche unbeschreibliche Freude mir das
machte und welchen neuen Eifer das meinen Studien gab,
wäre zu bemerken unnöthig. Das Uebcrbringen dieser Aus
arbeitungen veranlaßte nun öftere Besuche bei Savigny. In
seiner damals schon reichen und auserwählten Bibliothek be
kam ich dann auch andere nicht juristische Bücher zu sehen,
z. B. die Bodmer'sche Ausg. der deutschen Minnesinger, die ich
fpäter so oft in die Hand nehmen sollte, nnd auf welche Ticks