Full text: Biographien von Jacob und Wilhelm Grimm

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I. L. K. Grimm. 
war ich noch zurück, aber nicht durch meine Schuld, sondern 
durch bloßen Mangel an Unterricht, denn ich hatte von Ju 
gend auf eine ungeduldige, anhaltende Lcrnbcgicrde. Jetzt 
rückte ich schnell durch alle Klassen hinauf und war wohl fast 
immer ein Primus; die Samstags-Morgen, an denen durch 
ein Exerzitium zertiert wurde, waren wichtige, heiße Tage. 
Ueberdenke ich meine Kasseler Schuljahre von 1798 bis 1892, 
so erkenne ich zwar dankbar, wie mancherlei ich in dieser Zeit 
gelernt habe, aber es kommt mir doch vor, als wenn das 
damalige Lyzeum bei weitem nicht unter die vollkommensten 
Anstalten seiner Art gerechnet werden durfte. Der Vorsteher 
des Ganzen war Prof. Richter, ein gründlicher Philolog, ich 
glaube in Ernesti's Schule gebildet, und er wußte auch durch 
seinen herzlichen Unterricht alle Schüler zu gewinnen; aber 
die Last eines hohen Alters hatte ihn zu meiner Zeit bereits 
allzusehr geschwächt. Der Konrektor Hösbach war ein hypo 
chondrischer Mann, voll Laune, ungleich, und man sah ihm 
an, daß ihm das Lehren keine Freude machte. Der vierte 
Lehrer, Kollaborator Robert hatte sich durch seine ungeschickte 
Methode traditionsmäßig um die Achtung der Schüler gebracht, 
seine Stunden vergiengen in Unordnung, ohne rechte Frucht. 
Bei dem damaligen dritten Lehrer, dem noch jetzt als Pro 
fessor und Rektor an derselben Schule stehenden Kollab. Cäsar 
gieng es zwar ordentlicher, und es wurde gelernt, aber hin 
gezogen fühlte ich mich doch nie zu seinem Unterricht (wie 
zu dem des seel. Richter), welches vielleicht mit davon her 
rührte, daß er mich nach alter Sitte er anredete, während 
alle meine Schulkameraden aus der Stadt ein Sie bekamen, 
vermuthlich weil ich vom Lande her in die Stadtschule auf 
genommen worden war. Solche Ungleichheit, die auch seit 
dem gewiß lange abgestellt worden ist, sollte sich ein Lehrer 
nie erlauben, weil sie von allen Schülern lebhaft wahrgenom 
men wird. Aber auch der Unterricht selbst, wie er damals 
ans dieser gutfundiertcn Schule im Ganzen ertheilt wurde, 
ist mir hernach in mancher Beziehung mangelhaft vorgekom 
men. Cs wurde viel Zeit mit Stunden über Geographie, 
Naturgeschichte, Anthropologie, Moral, Physik, Logik und 
Philosophie (was man Ontologie nannte) meist nach Ernesti 
initia doctr. sol. verthan, und dem philologischen und histo 
rischen Unterricht, welche die Seele aller Jugenderziehung auf 
den Gymnasien seyn müssen, abgebrochen. Unter den Mit 
schülern, die auf derselben Bank oder an denselben Tischen 
saßen und mit denen ich vertrauter umgicng, will ich den ver 
storbene» Ernst Otto von der Malsburg und Paul Wigand 
nennen, die sich beide in der Folge, wiewohl auf sehr ver-
	        
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