© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340
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?lltdeutsche Predigten.
XXXII. Bd.
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mehr, so rückt es den Gürtel höher, oder krümmt den Hut auf;
vgl. snreuzen höh üf ir gebende Ms 2 , 222* und viele an
dere stellen bey den Dichtern. Wir stehen uns heut zu Tage
kaum vor, wie gemessen uut> bestimmt in dem äußeren Benehmen
zu jener Zeit manche Dinge waren. Die Uebereinstimmung der
Bilder in Handschriften bis in fast unmerkliche Nebensachen legen
davon Zeugniß ab. Das Stellen der Füße und Verschränken
der Beine, die Lage und Bewegung der Arme, Hände und
Finger hat nach dem Stande oder Affekte der Menschen eine
übereingekommene Regel, wovon wir noch jetzt unter Bauern
und Landstädtern Ueberbleibsel antreffen. Damals zeichnete es
aber die feine Welt aus, und in vielem lag wirklich bewunderns-
werthe Zierlichkeit und Naivetät. In dem Manessischen Kodex
zu Paris haben alle Umarmungen, der fehlerhaften Zeichnung
ungeachtet, eine ausgezeichnete Anmuth, aber in Wendungen
der Häupter und Schlingungen der Arme beynahe gleichen Typus.
Die Scheidung zwischen männlichem und weiblichem Geschlechte
war in Sitten und Gebräuchen noch weit sichtbarer; eine fein
gebildete Frau scheute sich etwas anzurühren, was unmittelbar
vorher ein Mann angegriffen hatte. Gawan (Parc. 124°)
bittet Orgelusen, ihm sein Pferd zu halten: 80 nam min
her Gawan den zügel von dem orse dan , er sprach: nü
habt mirz frouwe. »Bi tumpheit ich iuch schouwe, sprach
si, wan da lac in wer hant, der grif sol mir sin unbekant.«
I)d sprach der minnegernde man: frouwe, ine greif nie
vorne dran. »nu, da wil ichz enpfahen ,« sprach si. —
uNkeuschheit und Unzucht. Trüllerinne nennt er die
alten Kupplerinnen (S. 12h, 226, 38/*, wo Müllerin ver
druckt ist, 3<)6, 420, 4 2 7/ 464) pfi trüllerin, wie stet ez
umbe dinen fride, den du an trühsest (?) und trüllest*
Din fride heizet des tiuvels fride. Trüllen für betrügen
kommt außer dem Ti tu re l beyden Dichtern selten vor. Diu
trüllerin git dri seleküme umbe zwene schuohe oder vier
pfennige. Dü wahtelbein des tiuvels * damit er manige süle
vnhet (Lockpfeife des Teufels, Bein, worauf man den Wachteln
pfeift)^ Dü hist verworfen von dem volke, die da striten
sulen umbe daz ewige leben. ' Sie verschlägt manche Seele,
die sich sonst rein erhalten würde, aus der Huld Gottes. Ihr
Bürger solltet sie aus der Stadt schlagen, ihr habt ja ehrbare
Frauen. Der Trüllerin genüget nicht, daß sie alle ihre Tage
genascht hat, bis sie nicht mehr kann, sie verführt andere,
Sünde mit einander zu thun. Wer einen Thoren fragt, dem
gelingt es selten wohl. So haben die Frauen Rathgeber, die
ihnen Seele und Ehre verrathen, wenn sie sie zu Hause laden.
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