Full text: [Rezension:] Berthold des Franziskaners deutsche Predigten aus der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts (..), hrsg. von Christian Friedrich Kling. Mit einem Vorwort von Dr. A. Neander. Berlin 1824

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 
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?lltdeutsche Predigten. 
XXXII. Bd. 
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mehr, so rückt es den Gürtel höher, oder krümmt den Hut auf; 
vgl. snreuzen höh üf ir gebende Ms 2 , 222* und viele an 
dere stellen bey den Dichtern. Wir stehen uns heut zu Tage 
kaum vor, wie gemessen uut> bestimmt in dem äußeren Benehmen 
zu jener Zeit manche Dinge waren. Die Uebereinstimmung der 
Bilder in Handschriften bis in fast unmerkliche Nebensachen legen 
davon Zeugniß ab. Das Stellen der Füße und Verschränken 
der Beine, die Lage und Bewegung der Arme, Hände und 
Finger hat nach dem Stande oder Affekte der Menschen eine 
übereingekommene Regel, wovon wir noch jetzt unter Bauern 
und Landstädtern Ueberbleibsel antreffen. Damals zeichnete es 
aber die feine Welt aus, und in vielem lag wirklich bewunderns- 
werthe Zierlichkeit und Naivetät. In dem Manessischen Kodex 
zu Paris haben alle Umarmungen, der fehlerhaften Zeichnung 
ungeachtet, eine ausgezeichnete Anmuth, aber in Wendungen 
der Häupter und Schlingungen der Arme beynahe gleichen Typus. 
Die Scheidung zwischen männlichem und weiblichem Geschlechte 
war in Sitten und Gebräuchen noch weit sichtbarer; eine fein 
gebildete Frau scheute sich etwas anzurühren, was unmittelbar 
vorher ein Mann angegriffen hatte. Gawan (Parc. 124°) 
bittet Orgelusen, ihm sein Pferd zu halten: 80 nam min 
her Gawan den zügel von dem orse dan , er sprach: nü 
habt mirz frouwe. »Bi tumpheit ich iuch schouwe, sprach 
si, wan da lac in wer hant, der grif sol mir sin unbekant.« 
I)d sprach der minnegernde man: frouwe, ine greif nie 
vorne dran. »nu, da wil ichz enpfahen ,« sprach si. — 
uNkeuschheit und Unzucht. Trüllerinne nennt er die 
alten Kupplerinnen (S. 12h, 226, 38/*, wo Müllerin ver 
druckt ist, 3<)6, 420, 4 2 7/ 464) pfi trüllerin, wie stet ez 
umbe dinen fride, den du an trühsest (?) und trüllest* 
Din fride heizet des tiuvels fride. Trüllen für betrügen 
kommt außer dem Ti tu re l beyden Dichtern selten vor. Diu 
trüllerin git dri seleküme umbe zwene schuohe oder vier 
pfennige. Dü wahtelbein des tiuvels * damit er manige süle 
vnhet (Lockpfeife des Teufels, Bein, worauf man den Wachteln 
pfeift)^ Dü hist verworfen von dem volke, die da striten 
sulen umbe daz ewige leben. ' Sie verschlägt manche Seele, 
die sich sonst rein erhalten würde, aus der Huld Gottes. Ihr 
Bürger solltet sie aus der Stadt schlagen, ihr habt ja ehrbare 
Frauen. Der Trüllerin genüget nicht, daß sie alle ihre Tage 
genascht hat, bis sie nicht mehr kann, sie verführt andere, 
Sünde mit einander zu thun. Wer einen Thoren fragt, dem 
gelingt es selten wohl. So haben die Frauen Rathgeber, die 
ihnen Seele und Ehre verrathen, wenn sie sie zu Hause laden. 
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