Altdeutsche Predigten.
XXXII. Bd.
218
Ketzern und hoffärtigen, frechen Menschen, die er (S. 826)
Gottesschelter (wir sagen jetzt Gotteslästerer, blasphemos)
nennt, sie wollen nicht Ketzer seyn und sind noch schädlicher, sie
predigen wider alle Predigt von Gott, von Sünden und Tugen
den. Er führt einige solcher Meinungen an, die damals unter
den Leuten Umlauf hatten und die Freygeisterey des Zeitalters
beweisen. Den Satz, daß Gott von jeher alles voraus gewußt,
drückten sie so aus: (S. 826, 298) do got den ersten men
schen geschuof, da sach er dem jüngesten under diu ou-
gen (einem unter die Augen sehen, heißt: einen ins Gesicht fas
sen), woraus gefolgert wurde, daß kein Mensch verloren ginge.
Eine andere solcher Behauptungen war (S. 298): ich wolte
niht, daz min sele üz des besten menschen munde fuere,
der hiute lebet, d. h. ein Mensch ist werth was der andere, ich
will mit meiner Natur auskommen und dem, den man für den
Heiligsten hält, die seine lassen, ich enweiz niht, wie ez umbe
sin herze stet. Ilmgekehrt versichert Bert hold: icb wolte
mit gar guotem willen, daz ich an eins guoten menschen
stat stürbe, d. h. ich traue andern zu, daß sie gerechter sind,
als ich, und tauschte gern mit ihnen. Ja zewäre, reden andere
von dem jüngsten Gericht, ich triuwe mich da wol verbergen
imder alle die werlt, d. H. unter der großen Menge übersehen
zu werden. So freche Leute, sagt der Prediger, werden die
wahre Sonne nie erblicken.
Die Tugenden, worauf er bey aller Gelegenheit dringt,
sind innere Demuth und Reue und Wiedererstattung jegliches un
rechten Erwerbs, ohne das seyen alle äußerliche Bußen und Rei
nigungen von gar keinem Erfolg. Wer unrechtes Gut wissentlich
bey sich behält, den kann nichts von der Verdammniß retten.
<S. 385) Das kannst du nicht büßen mit einer Fahrt über
- Meer. Man gibt dir jetzt das Kreuz von dem Papst übers Meer
fts zu fahren für zehn Seelen. Aber wenn du auch hinüberfuhrst mit
diesem Kreuz und mit dem, woran S. Peter und S. Andreas
gemartert wurden und das heil. Grab wieder gewinnest und die
Heiden fern und nahe bezwingest und erschlagen wirst im Dienste
Gottes, und wenn du dich dann legen ließest in das heil. Grab,
worin Gott selber lag und auf dich legtest alle diese Kreuze und
das dazu, woran Gott selber starb, und stände Gott (Christus)
zu deinem Haupte und S. Maria zu deinen Füßen und alle
Engel auf der einen und alle Heiligen auf der andern Seite und
nähmest du den h. Gottes Leichnam in deinen Mund, die Teufel
brechen dir die Seele aus dem Leibe und führen sie hinab an den
Grund der Hölle. Wie dem Könige Saul, heißt es S. 3q5, der
böse Geist keine Ruhe ließ, außer so lange David die Harfe spielte,