Full text: [Rezension:] Berthold des Franziskaners deutsche Predigten aus der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts (..), hrsg. von Christian Friedrich Kling. Mit einem Vorwort von Dr. A. Neander. Berlin 1824

Altdeutsche Predigten. 
XXXII. Bd. 
218 
Ketzern und hoffärtigen, frechen Menschen, die er (S. 826) 
Gottesschelter (wir sagen jetzt Gotteslästerer, blasphemos) 
nennt, sie wollen nicht Ketzer seyn und sind noch schädlicher, sie 
predigen wider alle Predigt von Gott, von Sünden und Tugen 
den. Er führt einige solcher Meinungen an, die damals unter 
den Leuten Umlauf hatten und die Freygeisterey des Zeitalters 
beweisen. Den Satz, daß Gott von jeher alles voraus gewußt, 
drückten sie so aus: (S. 826, 298) do got den ersten men 
schen geschuof, da sach er dem jüngesten under diu ou- 
gen (einem unter die Augen sehen, heißt: einen ins Gesicht fas 
sen), woraus gefolgert wurde, daß kein Mensch verloren ginge. 
Eine andere solcher Behauptungen war (S. 298): ich wolte 
niht, daz min sele üz des besten menschen munde fuere, 
der hiute lebet, d. h. ein Mensch ist werth was der andere, ich 
will mit meiner Natur auskommen und dem, den man für den 
Heiligsten hält, die seine lassen, ich enweiz niht, wie ez umbe 
sin herze stet. Ilmgekehrt versichert Bert hold: icb wolte 
mit gar guotem willen, daz ich an eins guoten menschen 
stat stürbe, d. h. ich traue andern zu, daß sie gerechter sind, 
als ich, und tauschte gern mit ihnen. Ja zewäre, reden andere 
von dem jüngsten Gericht, ich triuwe mich da wol verbergen 
imder alle die werlt, d. H. unter der großen Menge übersehen 
zu werden. So freche Leute, sagt der Prediger, werden die 
wahre Sonne nie erblicken. 
Die Tugenden, worauf er bey aller Gelegenheit dringt, 
sind innere Demuth und Reue und Wiedererstattung jegliches un 
rechten Erwerbs, ohne das seyen alle äußerliche Bußen und Rei 
nigungen von gar keinem Erfolg. Wer unrechtes Gut wissentlich 
bey sich behält, den kann nichts von der Verdammniß retten. 
<S. 385) Das kannst du nicht büßen mit einer Fahrt über 
- Meer. Man gibt dir jetzt das Kreuz von dem Papst übers Meer 
fts zu fahren für zehn Seelen. Aber wenn du auch hinüberfuhrst mit 
diesem Kreuz und mit dem, woran S. Peter und S. Andreas 
gemartert wurden und das heil. Grab wieder gewinnest und die 
Heiden fern und nahe bezwingest und erschlagen wirst im Dienste 
Gottes, und wenn du dich dann legen ließest in das heil. Grab, 
worin Gott selber lag und auf dich legtest alle diese Kreuze und 
das dazu, woran Gott selber starb, und stände Gott (Christus) 
zu deinem Haupte und S. Maria zu deinen Füßen und alle 
Engel auf der einen und alle Heiligen auf der andern Seite und 
nähmest du den h. Gottes Leichnam in deinen Mund, die Teufel 
brechen dir die Seele aus dem Leibe und führen sie hinab an den 
Grund der Hölle. Wie dem Könige Saul, heißt es S. 3q5, der 
böse Geist keine Ruhe ließ, außer so lange David die Harfe spielte,
	        

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