Full text: [Rezension:] Berthold des Franziskaners deutsche Predigten aus der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts (..), hrsg. von Christian Friedrich Kling. Mit einem Vorwort von Dr. A. Neander. Berlin 1824

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 29 
Altdeutsche Predigten. 
20 l 
verfaßt worden ist. Das Jahr der fünf und zwanzigsten vermag 
ich sogar äst r o n o m i sch zu bestimmen. Seite 3oo nennt der 
Prediger unter den Gegenständen, die dem Menschen bisweilen 
das Licht der Sonne entziehen, den Mond: ist uns daz wol 
kunt, daz etewanne der mäne dem sunnen sinen schm un- 
der get, daz wir des sunnen diu zwei t^til kurne gesehen, 
alse verneint (ein arger Druck- oder Sck)reibfehler, l. vernent, 
d. h. voriges Jahr"! an sant Oswaldes tage, do het der inane 
daz wirdige (L vierdige) teil wol verdecket, daz man sin 
(der Sonne) niht gesehen mohte.^ Und ouch eins andern 
mal es , an der milewochen in den criuzetagen vor den pfin- 
gesien. Er führt hier zwey Sonnenfinsternisse an, deren Tage 
ihm im Gedächtniß haften (die Geistlichen pflegten sie häufig auf 
zuschreiben). S. O sw a l d s t a g ist der 5. Augustder Mittwoch 
der Kreuzwoche unbestimmt in jedem Jahre, aber immer der neun 
und dreyßigste Tag nach Ostern, oder der Tag vor Himmelfahrt. 
Zufolge der artde verifier lesdates fallen nun in Bertholds 
Lebenszeit grade zwey Sonnenfinsternisse auf den 5. August, näm 
lich 1263 und 1244. Meines Dafürhaltens ist hier unbedenklich 
die erstere gemeint, die Predigt also im Jahre 1264 gehalten. 
Gegen 1244 spricht nicht allein das Zusammentreffen aller übri 
gen vorhin bemerkten Daten, sondern es laßt | ouct> die zweyte 
von Bertho ld berührte Verfinsterung nicht ermitteln, wenn 
man jene nicht in das Jahr 1263 setzt. Diese zweyte, glaube ich, 
wird die vom 3. May 1250 seyn müssen, in welchem Jahre Ostern 
auf den 27. März fielen, der neun und dreyßigste Tag nach Ostern 
also der 4. May war, die Differenz beträgt bloß einen Tag. Der 
Tag der Eklipsis war der acht und dreyßigste nach Ostern, nicht 
der Mittwoch, sondern der Dienstag der Kreuzwoche. Wie leicht 
hatte sich der Prediger beym Aufzeichnen um einen Tag geirrt. 
Außer 1250 wüßte ich kein Jahr in diesem Jahrhundert nach je 
nen Angaben für die Finsterniß zu finden. Ist aber 1250 richtig, 
so kann die in der Predigt als jünger bezeichnete nicht aus 1244 
treffen, sondern beyde bestärken einander, meine Bestimmungen 
angenommen. Die Wichtigkeit der F i n st e r n i sse für die Chro 
nologie ist längst anerkannt, ich bin, um sie durch ein neues 
Beyspiel zu bestätigen, hier ausführlicher gewesen, und füge hinzu, 
daß die Minoriten und Predigermönche dieser Zeit vorzüglich auf 
astronomische Beobachtungen gehalten zu haben scheinen, vgl. 
annales domin. colmar. ad ann. 1267; eclipsis solis vigilia 
Urbani praedicta a fratre Godfrido astronomo ordinis praedi- 
catorum in Vormatia (Sonnenfinsterniß vom 25. May). Und 
eben jene vom 5. August 1263 wird in andern Chroniken er 
wähnt, compilaüo chronologica ad ann. 1263 (Pistorius 1, 
H
	        
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