© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 29
Altdeutsche Predigten.
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verfaßt worden ist. Das Jahr der fünf und zwanzigsten vermag
ich sogar äst r o n o m i sch zu bestimmen. Seite 3oo nennt der
Prediger unter den Gegenständen, die dem Menschen bisweilen
das Licht der Sonne entziehen, den Mond: ist uns daz wol
kunt, daz etewanne der mäne dem sunnen sinen schm un-
der get, daz wir des sunnen diu zwei t^til kurne gesehen,
alse verneint (ein arger Druck- oder Sck)reibfehler, l. vernent,
d. h. voriges Jahr"! an sant Oswaldes tage, do het der inane
daz wirdige (L vierdige) teil wol verdecket, daz man sin
(der Sonne) niht gesehen mohte.^ Und ouch eins andern
mal es , an der milewochen in den criuzetagen vor den pfin-
gesien. Er führt hier zwey Sonnenfinsternisse an, deren Tage
ihm im Gedächtniß haften (die Geistlichen pflegten sie häufig auf
zuschreiben). S. O sw a l d s t a g ist der 5. Augustder Mittwoch
der Kreuzwoche unbestimmt in jedem Jahre, aber immer der neun
und dreyßigste Tag nach Ostern, oder der Tag vor Himmelfahrt.
Zufolge der artde verifier lesdates fallen nun in Bertholds
Lebenszeit grade zwey Sonnenfinsternisse auf den 5. August, näm
lich 1263 und 1244. Meines Dafürhaltens ist hier unbedenklich
die erstere gemeint, die Predigt also im Jahre 1264 gehalten.
Gegen 1244 spricht nicht allein das Zusammentreffen aller übri
gen vorhin bemerkten Daten, sondern es laßt | ouct> die zweyte
von Bertho ld berührte Verfinsterung nicht ermitteln, wenn
man jene nicht in das Jahr 1263 setzt. Diese zweyte, glaube ich,
wird die vom 3. May 1250 seyn müssen, in welchem Jahre Ostern
auf den 27. März fielen, der neun und dreyßigste Tag nach Ostern
also der 4. May war, die Differenz beträgt bloß einen Tag. Der
Tag der Eklipsis war der acht und dreyßigste nach Ostern, nicht
der Mittwoch, sondern der Dienstag der Kreuzwoche. Wie leicht
hatte sich der Prediger beym Aufzeichnen um einen Tag geirrt.
Außer 1250 wüßte ich kein Jahr in diesem Jahrhundert nach je
nen Angaben für die Finsterniß zu finden. Ist aber 1250 richtig,
so kann die in der Predigt als jünger bezeichnete nicht aus 1244
treffen, sondern beyde bestärken einander, meine Bestimmungen
angenommen. Die Wichtigkeit der F i n st e r n i sse für die Chro
nologie ist längst anerkannt, ich bin, um sie durch ein neues
Beyspiel zu bestätigen, hier ausführlicher gewesen, und füge hinzu,
daß die Minoriten und Predigermönche dieser Zeit vorzüglich auf
astronomische Beobachtungen gehalten zu haben scheinen, vgl.
annales domin. colmar. ad ann. 1267; eclipsis solis vigilia
Urbani praedicta a fratre Godfrido astronomo ordinis praedi-
catorum in Vormatia (Sonnenfinsterniß vom 25. May). Und
eben jene vom 5. August 1263 wird in andern Chroniken er
wähnt, compilaüo chronologica ad ann. 1263 (Pistorius 1,
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