Full text: [Rezension:] Berthold des Franziskaners deutsche Predigten aus der zweyten Hälfte des dreyzehnten Jahrhunderts (..), hrsg. von Christian Friedrich Kling. Mit einem Vorwort von Dr. A. Neander. Berlin 1824

XXXII. 
gehaltene, damals in poetische Form zu fassen; an der Gefügsam- 
keit, Gelenkigkeit und Reinheit der Prosa, deren sich in dem ei 
gentlichen Leben bedient werden mußte, läßt sich doch nicht zwei 
feln, und so finden wir auch Berrholds Prosa völlig im Ein 
klänge mit, seiner Zeit und gleich lebendig mit den althochdeutschen 
Prosadenkmälern, wie die Dichtersprache mit der früheren noch 
zusammenhängend. In den darauf folgenden Jahrhunderten, 
als sich die Dichtkunst verschlechterte, geht auch die Prosa rauh 
und holpericht, und da endlich wieder um >760 deutsche Poesie 
aus dem langen Schlafe erwachte, lebte zugleich die Prosa auf. 
Klopstock und Lessing gehören einem Menschenalter, und 
wer mag behaupten, daß Göthe weniger unsere Prosa gestärkt 
und erfrischt hat, als unsere Poesie oder das Umgekehrte? Die 
Mystiker haben wohl zu jeder Zut wenig oder keinen Einfluß ge 
übt auf die Bildung der Prosa. Sie schufen sich insgesammt 
ihre selbst eigene Art des Ausdruckes, ohne je damit unter das 
Volk zu dringen. Was die Sprache im Großen und Ganzen bil 
den und emporbringen soll, das bedarf allgemeiner Klarheit; die 
Mystiker suchten aber für sich selbst nicht mehr als das Helldun- 
kele. Ich wüßte nicht, daß Jakob Böhmes von der Schreib 
art seines Jahrhunderts so sehr abstechender Styl auf die Prosa 
der nächsten Zeit irgend einige Wirkung hervorgebracht hätte, und 
glaube, daß es sich in dieser Absicht mit den frühern, namentlich 
Tauler und Heinrich Suso, eben so verhält. Ihre Werke 
verdienen auch von den Sprachforschern beachtet zu werden; aber 
das, wodurch sie sich auszeichnen, wird sich nie als ein Populä 
res, mit dem Element der ganzen Sprache historisch und noth 
wendig in Zusammenhang stehendes erweisen. Doeen hat im 
ersten Bande der Mise. S. 140 — 162 ein Bruchstück aus dem 
vierzehnten Jahrhundert gegeben, dessen harte und dürftige Dar 
stellungsweise man vergleiche mit der weichen und lebendigen 
Prosa des älteren Bertholds. Nicht als ob Bert hold 
das vermiede, was an tiefere geistliche Betrachtung streift, man 
braucht nur die Auszüge S. 460 — 466 über Gottes Wohnung 
in der Seele u. s. w. zu lesen, und wie glücklich er sich mitunter 
auch in dergleichen Materien ausdrückt; allein solche Erhebungen 
des Gedankens und der Sprache, die um so mehr wirken, je 
sparsamer sie ausgestreut sind, scheinen doch nie die Oberhand zu 
gewinnen über des Redners eigentliche, auf das klare praktische 
Leben gehende Richtung. Ich erinnere hier an -das geistliche, halb 
mystische Gedicht eines andern Minoriten, der gerade zu Re- 
gensburg und fast gleichzeitig mit B e r t h 0 ld lebte, Bruder 
Lamp r e ch t s Tochter von £ t 0 11, wovon Doeen in Aretins 
Beytr. IX, 1207 und Welker in den Heidelb. Jahrb. 16»d, S.
	        

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