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Altdeutsche Predigten.
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angeführten Notiz, oder wer ihr Verfasser seyn mag, vermengt
ohne Zweifel den jünger» mit dem altern. Die in mehreren Hei
delberger Hss., namentlich Cod. XXX und XXXUIfvorräthige,
von einem Bruder Berchtold verfaßte Uebersetzung bet summa
confessorum des Johannes von Freiburg kann nicht dem
ältern zugeschrieben werden. Einmal ist Johannes selbst (der
auch den Beynamen Teutonicus führt) beynahe um eine Ge
neration jünger, als Berthold; Johannes starb »314.
Und wollte man, des vermutheten frühen Todes Bertholds
halber, beyde ungefähr zu Gleichlebenden machen, so ist durch
aus unwahrscheinlich, daß ein berühmter Minorit sich dazu her
gegeben haben sollte, das Werk eines Predigermönchs, was Jo
hannes war, zu verdeutschen. In seinen Reden kam ja sogar
Anzügliches gegen die Dominikaner vor. Der Uebersetzer ist viel
mehr ein erst in der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts leben
der anderer Bruder Berthold, selbst des Predigerordens, ver
muthlich der, den Quetif (script. ord. praedie. r, Öd 1) Ber-
tholdus de Maissberch (?) nennt. Die Verdeutschung wurde
übrigens oft gedruckt und gerade zuerst in Augsburg 1472
(»von larein in teutsch gemacht durch ein hochgelerten man Bru
der Bericht old*) predr'aerordens«), vgl. PanzerAnn. S. 62.
Bertholds Predigten nöthigen mich, eine Vorstellung
aufzugeben, die man sich über die Zeit, Art und Weise der Bil
dung unserer Prosa zu machen pflegt. Die Prosa soll erst nach
dem dreyzehnten Jahrhundert entsprungen und hauptsächlich durch
die sogenannten Mystiker g fördert worden seyn. Wer nun Not
kers Schriften näher kennt, und zumal dessen Uebersetzung und
Bearbeitung des M a r t i a n u s C a p e l l a und des B 0 e t h i u s
gelesen hat, der weiß, daß schon im zehnten Jahrhundert (und
warum nicht früher ?) die deutsche Rede auch dichterisch ungebun
den es aufnehmen konnte mit allem dem, was man lange Zeiten
nachher, seitdem Poesie wie Prosa in größte Verderbtheit gera
then waren, zum ersten Male als etwas völlig neues zu wagen
meinte? Der Bildung des Geistes ungünstige Zeiträume verhee
ren Poesie und Prosa, beyde zusammen. Wie manches von dem,
dessen sie früher mächtig waren, ist uns unwiederbringlich ver
loren gegangen. Warum man aber mit der im dreyzehnten Jahr
hundert durch die Dichter gehobenen Sprache nicht auch in Prosa
hätte anfangen können, was man wollte, wäre schwer zu begrei
fen. Es war Sitte, beynahe alles der Niederschreibung würdig
*) Berchtold und Berthold sind e i n Name, von dem Adj.
berlit (clarus) mit dem Formativ -old5 daher besser berlitolt
als bertholt geschrieben und S. 92, unrichtig bort .holt getheilt
wird.