© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L124
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wandern mußten in das verheißene Land. Mit ihrem Lebe
könnte ich auch in einem ganzen Jahre nicht zu Ende
kommen. „Dovon ist mir vil bezzcr geswigen banne krcnc-
lichen gelobet". ä? ) Darum will ich uns Christenleutcn
sagen, wie wir Tugend gewinnen, wodurch wir zum Him
melreich kommen, und dann sehen die tugendrciche Kö
niginn in ihren Freuden und Ehren. — Viele von den
Vorvätern des Herren sind in der Hölle; denn er sieht nicht
an „nyfteln noch neven" sondern Tugend allein. (Match.
i2, So.) „Im ist der mag als der lantman". — Die zwei
und vierzig Tugenden kann allmahlig erlernen, wer fleißig
zur Kirche und Predigt geht. Diesmal will ich reden
von den sechs höchsten und besten; wer die wohl lernt, der
lernt die andern desto eher und leichter. Sie sind Gott
die liebsten; wer sie nicht hat, empfaht keinen Lohn, wenn
er auch alle anderen hätte. An nichts kann man Gott
so große Liebe erweisen. Ohne sie helfen nichts alle Meer -
und Pilgerfahrten, alles Stiften von Klöstern und Spita
lern und Bisthümern. Gott erleuchte eure Herzen und
Sinne, daß ihr sie heute also lernet und behaltet, daß
ihr sehet die hochgelobte Königin bei ihrem lieben Kinde in
ihrer Tugenden Freuden und Ehren. — Die erste Liebe
thut man Gott an heiligen Zeiten (vergl. p. 63, u. folg).
Zu jeder Zeit thut man ihm Liebe mit guten Dingen,
und Leid mit bösen, aber beides desto mehr, je heiliger
*) Vergl. das herrliche Lied des Bruders Eberhard von Sax, in
Decks Minneliedern Nr. i38.