Full text: Berthold, des Franciskaners deutsche Predigten, aus der zweiten Haelfte des dreizehnten Jahrhunderts

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L124 
*L. — 
demütige mensche ahtet sich selber swacher vor allen men 
schen und ioch vor aller creatüre von zwein fachen. Die 
eine ist: wanne er sieht sich selber an flißeclich, und er 
wartet ieglichem si'ner untügent uz i5) mit demütikeit, 
wie kündeekkchen ettelicher sin Untugend kan mit listecli- 
cher richsenheit, daz er ivch selber kume erkennen smag^j 
die klein fügen slüpslocher! Siehst du nu, wie uns die 
warheit wiset zu der rehten demüt. Und swo wir von 
der rehten demut wenken, so treten wir von der rehten 
warheit, und strüchcn in die pfüle der betrogen hohfart 
Also lerne von unserm Herren ihesu cristo, der die war 
heit ist, daz du ein demütig hertze habest. Die gotheit 
mag nit hohfart gehaben; wanne got mag eht sich niht 
hoher geatzten, banne er ist von warheit, der da daz 
oberste gut ist. Und also stuf auch die enge! demütig 
und die heiligen, da; sie daz bejunder atzten — waz sie 
von in selber sicht, dez ist niht — und 16) waz sie von 
iZ) Bild dessen, der auf der Warte steht und unabläßig nach 
dem Feinde hinausschaut, bis er ihn erspähet- Er wartet 
jeglicher seiner Untugenden aus mit Demuth, wie listig auch 
manche derselben es zu machen weiß, daß er selbst kaum er 
kennt u. s. f. 
r6) „und" steht hier auf eine ungenaue Weise. Dieser Satz 
sieht in unmittelbarer Beziehung mit dem: „daz sie daz be- 
sünder ahten", indem der dazwischen liegende eine Parenthese 
ist. Bei der noch nicht festen Handhabung des Periodenbaus 
ist das Parenthetische nicht streng genug gehalten, und so 
„und" hereingekommen. „Auch die Engel sind demüthig, so 
daß sie das besonders achten —was sie von sich selber haben, 
daran ist nichts — was sie von (durch) Gott geworden sint."
	        

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