© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 212
EINLEITUNG.
Nibelungen und G u d r u n.
Lange fchon war das Nibelungen-Lied aus der Vergeffenheit hervor
gezogen und in die gebührenden Ehren wieder eingefetzt worden, ohne
dafs man das Gedicht von Gudrun beachtet hätte, welches der Aufmerk
samkeit kaum in geringerem Grade würdig ift. Der Grund lag wohl haupt-
fächlich darin, dafs dasfelbe sich nur in einer einzigenHandfchrift erhalten
hat, der fogenannten Ambrafer, und dafs diefe gerade zu Wien liegt, wo
die Luft an den Schätzen mittelalterlicher Dichtung fich später einfand als an
andern Orten von Deutfchland. Aus der genannten Handfchrift machten
endlich Von der Hagen und Primiffer das Lied im Jahr 1820 zum erften
Mal bekannt 1 . Seither hat es ihm an aufmerkfamer Pflege nicht gefehlt:
namentlich ift es, theils in der Urfprache, theils überfetzt oder bearbeitet,
mehrfach herausgegeben worden: jenes zuerft 1835 von Zicmann 2 , fodann
1841 von Etlmüller 3 ; diefes 1836, freilich nur verfuchsweife mit einem
kleinen Theil, von Gervinus 4 , 1839 von A. Schulz 5 , 1840 von Keller 6 ,
1843 von Simrock 7 .
1 Es eröffnet den zweiten Band der Deulfchen Gedichte des Mittelalters, herausgegeben
von F. G. von der Hagen und J.G. Büfching, der auch den befondern Titel führt: Der Helden
Buch in der Urfprache, herausg. von F. H. v. d. Hagen und Anion Primiffer. Elfter Theil.
Berlin 1820; der zweite von Hagen und Alois Primiffer, Berlin 1825.
2 Külrün , mittelhochdeutsch. Herausg. von Adolf Ziemann. Quedlinburg u. Leipzig 1835.
Elfter Band der Bibliothek der gefammlen deulfchen National-Literatur.
3 Güdrünlieder. Herausg. von Ludwig Ettmüller. Nebft einem Wörlerbuche. Zürich
und Winterthur 1841.
* Gudrun. Ein epifches Gedicht. Programm und Probegelang. Leipzig 1836. (Avent.
21 und 23 find nach Art der voffil'chen Bearbeitung Homers in Hexametern übertragen.
Der Bearbeiter nennt fich nicht.)
5 Gudrun. Nordfeefage. Nebft Abhandlung über das mhd. Gedicht Gudrun und den Nord-
feefagenkreis. Herausg. von San-Marte (A. Schulz). Berlin, Pofen und Bromberg 1839.
6 Gudrun aus dem Mhd. Uherretzt von Adelbert Keiler. Mit einem Tilelbilde von F.
Fellner. Stuttgart 1840.
7 Gudrun, deulfches Heldenlied, überfetzt von Dr. Karl Simrock. Stuttgart und Tübingen
1843. (Auch als erfter Theil feines überfetzlen Heldenbuches in fünf Bänden.)