Full text: Gudrun

xlix 
Die meiften Erklärer ftimmen darin überein, dafs Baldur (nach Uhland’s 
Worten, in feinem Thor, S. 145 ff.) fo viel ift als „das Licht in feiner 
Herrfchaft, wie folches bis zum Mittfommer fich vollendet, von da an 
aber zur Neige geht . . . Seine Lichtnatur beftätigt fich auch im Gegen- 
fatze zu Höd (Hödhr) feinem Tödter, dem Blinden, Lichtlofen . . . Baldur’s 
Unverletzbarkeit erklärt fich mit der unkörperlichen Natur des Lichtes; 
die einzige Waffe die an ihm haftet, ift ein Symbol des düfteren Winters. 
Die Mittel, die im Winter wächft und reift, die darum auch nicht des 
Lichtes zu ihrem Gedeihen zu bedürfen fcheint, ift allein nicht für Baldur 
in Pflicht genommen. . . Nanna ift die Blüte, die Blumenwelt, deren 
fchonfte Zeit mit Baldur’s Lichtherrfchaft zufammentriflt. Dafür fpricht 
zunächft der Name ihres Vaters: Nep (Nepr) Knopf, Knofpe; Tochter des 
Blütenknopfes ift die Blume.“ 
In Hilde, die ficherlich nur Nanna mit verändertem Namen ift, haben 
wir demnach eine germanifche Perfephone. Mit diefer hat fie auch das 
eigenthümliche Doppelwefen gemein: halb ift fie den lichten, halb den 
finflern Göttern zngekehrt. Perfephone (Proferpina) zeigt fich nicht blofs 
als Erd- und Waldgöttin, fondern vertritt auch den Mond und die Unter 
welt, wovon der Grund mit Fulgentius 1 wohl darin gefucht werden darf 
dafs die Erde, vornemlich fofern Wald fie bedeckt, einen Gegenfatz zu 
Licht und Luft, ein dunkles, düfteres Reich bildet; dafs alles niedre 
Leben, auch das der Gewächfe, namentlich der Bäume, eng mit den 
Mondwechfeln zufammenhängt; dafs endlich der Mond, als ein Haupt- 
geftirn, der Sonne zwar verwandt ift, aber als nächtlicher der tag 
bringenden entgegenfteht. Heiter darf Proferpina nur gedacht werden, 
bevor fie von Hades geraubt, oder nachdem fie aus der Wintergefangen- 
fchaft an’s Licht geführt ift; ihr innerftes Wefen bleibt räthfelhaft und 
grauenvoll. 
Das nemliche findet fich bei den Geftalten und Namen die im ger- 
manifchen Götterglauben der Perfephone gleichftehn. Wie fich in der 
Gudrun die Beziehung auf Unterwelt und todtenerweckenden Zauber 
dargeboten hat, fo ftreift auch der Name Hilde an diefes geheimnisvolle 
Reich der Nacht. Difs hat fich fchon oben durch feine Verwendung für 
Walkürien gezeigt, und erhellt noch mehr durch den Zufammenhang in 
welchem er mit Hulda, Holda fleht. Grimm braucht in der Mythologie 
i Fulgenlii Mylhologicon 2, 19. Im zweiten Band von Muncker's Mythographi latini, S.98. 
IV 
Gudrun. 
III
	        

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