Full text: Gudrun

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Nur was den Schatz anlangt, den Paris auch aus Sparta mitgenommen 
hat, fo findet er den entfprechenden Zug nicht in der Gudrun, fondern 
in der Krimhilden-Sage; in jener vertreten die Jungfrauen die mit Gudrun 
entführt find, feine Stelle. 
Unter den Helden vor Troja fteht oben an Achill. Man kann ihn den 
griechifchen Sigfrid heifsen: wie Sigfrid in der Jugend feine künftige 
Herrlichkeit als Lehrjunge des Schmiedes verbarg, fo Achill unter weib 
lichem Gewand im Haufe des Lykomedes; wie beim erften Anlafs der Be 
gegnung mit Drachen Sigfrids Heldenthum hervorbricht, fo das Achills, 
als Ulyffes das fcheinbare Mädchen mit Waffen und Kampflerm bekannt 
macht; wie Sigfrid nur am Rücken, fo ift Achill nur auf der Ferfe, nach 
andern an der Hand verwundbar; dem Schwerte das Balmung heifst, weil 
es aus der Hohle (Balm) der Zwerge kommt, entfprechen die Waffen die der 
unterirdifGhe Hephäflos für Achill gefchmicdet hat; Sigurds Rofs Grani, das 
mit ihm den wunderbaren Flammenritt macht, und Achills unfterblicheRoffe, 
von denen eines die Gabe der Weiffagung hat, find Ein Gedanke; wie Sigfrid 
ift Achill ohne Vergleich herrlich in allen Gaben des Leibes, des Geiftes 
und des Herzens* und was man vom Bilde des einen nähme um damit das 
des andern zu fchmückcn, würde ficher fein genau zu paffen. Auch fällt 
Achill, ganz wie Sigfrid, indem ein Verwandter feiner Braut (Paris) ihn 
an der einzigen verwundbaren Stelle tückifch zum Tode verletzt; und wie 
Sigfrid von Eugel, Sigurd von Gripi die Weiffagung feines frühen Todes 
hat, fo ift auch dem Achill verkündet dafs er bald nach Hektor fallen 
müfse. 
Eines, das wichtigfte, fehlt fcheinbar zu der Vergleichung: Achill 
rettet nicht fo die Helena, wie Hagen-Sigfrid Hilden: er fällt vielmehr 
bevor Troja genommen ift. Aber durch Hektors Tödtung hat er doch 
hiezu ebenfo das Befte gethan, wie Herwig vor Kaffiane durch die Tödtung 
Ludwigs* Bei fo weitgehender Uebereinftimmung darf man wohl vermuthen 
dafs es auch in diefem Stücke nicht an ihr gefehlt habe. Sagen verfchieben 
fich ja vielfach, und häufig in wefentlichen Zügen, warum nicht auch diefc? 
Wie in mehreren deulfchen Geftaltungen unfrer Sage an der Stelle des 
Einen der die Jungfrau verloren hat und fie Wieder gewinnt, zween ge 
worden find — ein beraubter Vater und ein rettender Held: Hetel und 
Herwig, Artus und Herman, Gibich und Sigfrid — fo fcheinen mir hier 
Mcnelaos und Achill Einen vorzuflellen, was auch dadurch beftätigt wird 
Güdrün. II JJJ
	        

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