Full text: Gudrun

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. L 212 
die Bedeutung von Alexanders Kampf am Euphrat dadurch zu heben, dafs 
er ihn fogar höher ftellt als die gewaltige Schlacht auf dem Wülpenfand. 
Die Worte lauten: 
von einem volcwige höre wir Tagen, 
der üf W u l p i n w r e r d e gefcah, 
dar Hilden vater löt lach 
inzwifchen Hagenen unde Waten, 
der ne mohte iih hi zo niht gegaten; 
Wolfram unde Herwich 
ne mohlen ime niwit fin gelich, 
noh nehein man ander: 
alfö frcislich was Alexander. 1 
Es erfcheinen hier abermals die Namen der Gudrun-Sage, jedoch aber 
mals neu geordnet. Zwar fallt auch der Vater der Geraubten, wie Hetel, 
auf dem Wülpenwert, fein bedeutendfter Held heifst gleichfalls Wate; die 
Geraubte dagegen wird Hilde genannt, nicht Gudrun; der Mörder Hagen, 
nicht Ludwig. Wie im Biterolf die Helden Goltwart und Seewart dunkel 
bleiben, fo erhellt hier nicht auf welcher Seite Lamprecht lieh den Herwig 
und Wolfram dachte; der Name des letztem entfpricht etwa dem Ortwin 
unfrer Sage. 
Kühn find Hildens Schickfale mit Dieterichs berühmtem Namen ver 
bunden von der Wilkina-Sage (Cap. 211—218), einer Sagenfammlung 
die vermuthlich ins Ende des 13. Jahrhunderts gefetzt werden mufs, und, 
wenn gleich feandinavifeh abgefafst, doch nach ihrer eignen Angabe nie- 
derdeutfehen Urfprung hat. Der Entführer heifst IIerbu rt (d. i. Herbort), 
wie im Biterolf. Während aber diefes Gedicht ihn in ernften Kampf mit 
Dieterich bringt, ift er nach der Wilkina-Sage von feinem Oheim Thidrek 
(Dieterich) gefandt. Er verfährt ferner nicht wie Herbort im Biterolf 
gewaltfam, fondern wie Horand in der Gudrun verlockend. An feine 
Feindfchaft gegen Dieterich aber, mithin an Biterolf, erinnert dafs er, 
feinem Auftrag untreu, die Jungfrau für fich behält. Hilde wird zu einer 
Tochter des Königs Artus von Bertangaland (Bretagne) gemacht, 
fo dafs drei grofse Sagenkreifse gemifcht erfcheinen. Im Namen des be 
raubten Vaters endlich kämpft Her-man, der aber von Herbort erfchlagen 
DerRoumans d’Alixandre, deffen Herausgabe gegenwärtig von Heinrich Michelant im Auftrag 
des literarifchen Vereins beforgt wird, ift fpäter als das Gedicht Lamprechts. Wenn beider 
gemeinTchaftliche Quelle zum Vorfchein käme, fo würde fich ohne Zweifel zeigen, dafs die 
fragliche Stelle bei Lamprecht nicht Ueberfetzung, alfo die berührte Sage nicht franzöfifch 
ift, fondern rein deutfeh. 
‘ lUafsmann, Denkmäler deutfeher Sprache u. f. w. München 1828. S. 28, Z. 1480 ff.
	        

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