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ERSTER TEIL: DRITTES BUCH
Können; »gut sein« bedeutet beim Gott: das Gute tun, beim
Menschen: das Gute wollen. Und das Symbol hat die ent
gegengesetzte Form, aber den gleichen Inhalt, wie das Symbol
der weltlichen Erscheinung: die Freiheit erscheint in der
Erscheinungswelt als ein Inhalt unter andern, aber sie ist das
»Wunder« in ihr; sie ist unterschieden von allen andern
Inhalten.
TV r 'ant, den wir ja eben zitierten, hat also mit unleugbar groß-
artiger Intuition das Wesen der Freiheit sichergestellt.
Auch die weitere Entwicklung wird uns hier immer wieder in
seine Nähe führen, wenn auch immer wieder in die Nähe nur
seiner Intuitionen. Wir gehen jetzt zunächst wieder den Weg
nach, der vom freien Willen zur Eigenheit führt und auf dem
der Mensch, der als freier Wille und als Eigenheit noch eine
bloße Abstraktion war, erst Selbst gewinnt. Denn was ist der
freie Wille, solange er bloß Richtung, aber noch keinen Inhalt
hat? Und was ist die Eigenheit, solange sie bloß — ist? Wir
suchen den lebendigen Menschen, das Selbst. Das Selbst ist
mehr als Wille, mehr als Sein. Wie wird es dieses Mehr, dies
Und? Was geschieht dem menschlichen Willen, wenn er
seiner inneren Richtung folgend den Weg zum menschlichen
Sein einschlägt?
Er ist von vornherein endlich, und da er Richtung hat, so
ist er es mit Bewußtsein; er will gar nichts andres als das,
was er ist; er will, wie Gottes Freiheit, sein eigenes Wesen;
aber dies eigene Wesen, das er will, ist kein unendliches, in
dem die Freiheit sich als Macht erkennen dürfte, sondern ein
endliches. Der freie Wille also noch ganz in seinem eigenen
Bereich, aber doch schon seinen Gegenstand von ferne
sichtend, erkennt sich in seiner Endlichkeit, ohne doch im
mindesten etwas von seiner Unbedingtheit preiszugeben. An
diesem Punkt seines Wegs, noch ganz unbedingt und doch
schon seiner Endlichkeit bewußt, wird er aus dem freien
Willen zum trotzigen Willen. Der Trotz, das stolze Dennoch,
ist dem Menschen, was dem Gotte die Macht, das erhabene