METALOGIK
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persönlich Unreine zum Darbringen, der persönlich Reine zum
Erleiden des Opfers für Alle geeignet ist, dieser Gedanke der
absoluten Gemeinbürgschaft der Menschheit in Allen bleibt
dem antiken Individualismus so fern wie — nun eben wie der
Gedanke der menschlichen Gemeinbürgschaft.
Denn das ist das letzte Charakteristikum der metalogischen
Ethik der alten Welt: das Ganze aus Teilen kann immer
wieder nur Teil eines Ganzen sein, wird nie All. Die Gemein
schaft ist für das Individuum als seine Gemeinschaft ein
Letztes, über das hinaus ihm der Blick versperrt ist. Das Ding
kennt auch nur seinen eigenen Begriff. Daß die Gattungen
selber wieder als Individuen die übergeordnete Gattung aui-
bauen, das ist dem Individuum der untergeordneten nicht
bewußt, kann ihm immer nur durch die Tat eingehämmert
werden, ohne doch selbstverständlich dadurch in sein Bewußt
sein zu treten; die antiken Weltreiche bringen allenfalls die
Entpolitisierung ihrer Teilvölker fertig; zu einem positiven
Weltreichsbewußtsein kommt es nicht. Nur die Gleichheit des
ursprünglich Menschlichen in allen einzelnen Menschen, keine
Gemeinschaft einer erneuerten Menschheit wird in der Stoa
gelehrt. Wo hingegen die eigene Gemeinschaft dem Menschen
als die ihn selbst erzeugende Macht erscheint, wo er sich als
der Einzelne in ihr nicht als Individuum seiner Gattung,
sondern als Glied eines Alls weiß, da ist auch die Gemeinschaft
gedrängt, sich als Glied eines Alls zu wissen. Denn während
das Ganze in sich ruht und keinen Trieb hat, zu höheren
Ganzen fortzuschreiten, ist die Allheit nicht beruhigt, ehe sie
Ruhe findet im All. So kommt es, daß in der kleinsten Zelle
der idealistischen Organisation, in einer Innung etwa oder in
einer Dorfgemeinde, mehr Weltbewußtsein lebt als in jenem
Reich des Kaisers Augustus, das eben immer ein abgeschlos
senes Ganzes war, eine in sich befriedete und befriedigte
Welt, ohne Drang, ihren Frieden über ihre Grenzen zu tragen;
was draußen lag, blieb draußen liegen; mit ruhigstem
Gewissen identifizierte sie sich selbst mit der Welt: Ökumene.