ERSTER TEIL: ERSTES BUCH
21
wenn er wahrhaft atheistisch sein und weder im Pantheismus
stecken bleiben noch im reinen, von jeder besonderen Be
ziehung auf Gott und Götter freien Nihilismus verwehen will.
So sind hier in Nirwana und Tao die Baupläne entworfen,
nach denen bis zum heutigen Tag jedes Gebäude errichtet
werden muß, wohin das Denken über Gott sich vor der
Stimme des wahren Gottes flüchten will. Hier allein ist es vor
dieser Stimme sicher, — securus adversus deos so gut wie
adversus Deum. Von hier führt kein Weg mehr zurück. Das
Nichts ist ein fester Pflock; was an ihn angepflöckt ist, reißt
sich nicht mehr los. Und nur weil diese letzte Abstraktion
von allem göttlichen Leben dem lebendigen Selbst des
Menschen und den lebendigen Welten der Völker unerträglich
ist und deshalb das Leben auf die Dauer stets wieder gewaltig
wird über die lebensflüchtige Blässe der Abstraktion — kurz
weil es das Schicksal der Anhänger Buddhas wie Laotses ist,
daß ein blühendes Heidentum die starren Steinblöcke ihrer
Ungedanken wieder überwuchert, nur deshalb mögen auch in
ihrem Bannkreis die Ohren der Menschen noch wieder emp
fänglich werden für die Stimmen, vor denen jene Männer einst
sich in den schallsicheren Räumen des Nirwana und Tao
bargen. Denn nur wo Leben ist, und sei es auch götter-
trunken=gottfeindliches Leben, nur dort findet die Stimme des
Lebendigen Widerhall. Im leeren Raum des Ungedankens, in
den sich die Gottesangst flüchtet, die zur Gottesfurcht nicht
den Mut aufbrachte, verhallt jene Stimme ins Leere. Die
Götter des Mythos, mochten sie auch nicht über ihr um
mauertes Reich hinausleben, — immerhin: sie lebten. Indiens
wie Chinas Gott, auch schon vor der letzten Verflüchtigung
zum Nirwana und Tao, teilt die Schwäche jener Götter des
Mythos: nicht über sich selber hinaus zu können. Aber er ist
ihnen unendlich unterlegen in seinem Stehenbleiben auf halbem
Weg, in seiner Unkraft zu dem, was aus den Göttern des
Mythos gewaltig atmet: dem Leben.
W enn je Gott über seine hier schon erreichte Lebendig
keit hinausgehen sollte und zum lebendigen Gott des
Lebens werden, so müßte das bisher auf dem Wege vom