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ERSTER TEIL: ERSTES BUCH
schauliche Sinn des Immanenzgedankens so deutlich wie bei
diesem chinesischen Vergöttern der Himmelswölbung, außer
der — Nichts ist. Und ebenso wie sich Chinas Gott erschöpft
in dem Gang vom Nichts zur allumfassenden Macht, so
Indiens auf der Straße zwischen dem Nichts und der reinen
alles durchdringenden Stille des Wesens, der göttlichen
Physis. In den stummen Kreis des Brahman ist nie der Laut
der göttlichen Freiheit gedrungen; so bleibt es, obwohl alles
Leben erfüllend und alles Leben in sich hineinsaugend, selber
tot. Von den lebendigen Gestalten der Götter des Mythos her
gesehen sind diese »Gottheiten« — das Wort aller derer, die
sich vor dem Angesicht des lebendigen Gottes in die Nebel der
Abstraktion flüchten — Rückbildungen ins Elementare. Wie
sehr, das lehrt ein Blick auf die Rückbildungen, die eben jene
elementaren Gebilde selber wieder erfahren; denn einmal be
gonnen, hört dieser Gang der Rückbildung nicht eher auf, bis
er hart an seine äußerste Grenze gelangt ist, ans — Nichts.
Die Wesenhaftigkeit des Brahman sprachen seine Verehrer
tiefsinnig aus mit der unermüdlich wiederholten Silbe der Be
jahung, die alle seine Geheimnisse erschließen sollte. Aber
indem sie gleichzeitig dieses eine ungegliederte Wesen als den
Aufsauger aller Vielheit, des Selbst aller Dinge, erkannten,
tauchte hinter dem ungegliederten einen Ja schon eine neue
Bestimmung des Wesens auf, dem Sinne nach mit dem Ja
einerlei, aber die unendliche in es hineingebannte Vielheit an
deutend; »Nein Nein«. So ward das Ja als Verneinung des
Nichts erkannt. Dem einen unendlichen So wurde das unend
lich zahllose »Nicht so, nicht so« eingefügt. Das Wesen der
Gottheit war das verneinte Nichts. Und von hier gab es nur
noch einen letzten Sprung rückwärts. Sollte der Sprung nicht
im Nichts selber zerschellen, so mußte er den letzten Punkt
erreichen, der noch zwischen ihm und jenem Nichtnichts lag.
In diesem Weder=Noch aber von Nichts und Nichtnichts
erkennen wir jenen schwindelerregenden letzten Gedanken
des Buddhismus wieder, jenes Nirwana, das jenseits von Gott
und Göttern, doch ebensosehr auch jenseits des bloßen Nichts,