Full text: Der Stern der Erlösung

DER STERN ODER DIE EWIGE WAHRHEIT 
J2L 
jene Verflüchtigung dem Christen die notwendige Folge seines 
ungehemmten Schreitens und Ausschreitens auf dem ewigen 
Weg ist. 
Aber jene Verwurzelung ins eigne Selbst ist nun doch etwas 
durchaus andres als die christliche Selbstentäußerung. Für die 
einzelne Persönlichkeit zwar mag unsre Selbstverschalung die 
schwerere Gefahr bedeuten; die christliche Persönlichkeit 
wiederum braucht unter jenen Gefahren des Christentums 
kaum zu leiden. In Wahrheit aber bedeuten uns unsre Gefahren 
letzthin überhaupt keine Gefahr. Hier nämlich erweist sichs, 
daß der Jude gar nicht in sein eignes Innere niedersteigen 
kann, ohne daß er in diesem Niedersteigen ins Innerste zu 
gleich zum Höchsten aufstiege. Dies ist ja der tiefste Unter 
schied zwischen dem jüdischen und dem christlichen Men 
schen, daß der christliche von Haus aus oder mindestens von 
Geburtswegen — Heide ist, der Jude aber Jude. So muß der 
Weg des Christen ein Weg der Selbstentäußerung sein, er muß 
immer von sich selber fort, sich selber aufgeben, um Christ zu 
werden. Des Juden Leben hingegen darf ihn grade nicht aus 
seinem Selbst herausführen; er muß sich immer tiefer in sich 
hineinleben; je mehr er sich findet, um so mehr wendet er sich 
ab von dem Heidentum, das er draußen hat und nicht wie der 
Christ in seinem Inneren, — um so mehr also wird er jüdisch. 
Denn zwar als Jude wird er geboren, aber die »Jüdischkeit« 
ist etwas, was auch er sich erst erdeben muß. Ganz sichtbar 
in Blick und Zügen wird das Jüdische erst im alten Juden. Sein 
Typ ist für uns so sehr charakteristisch wie für die christlichen 
Völker ihr Jünglingstyp. Denn den Christen entnationalisiert 
das christliche Leben, den Juden führt das jüdische tiefer in 
seine jüdische Art hinein. 
Und eben indem der Jude so allein um seines Höchsten, um 
Gottes willen, sich in sein Inneres hinein erdnnert, erweist es 
sich nun, daß jene Gefahren ihm allenfalls als Einzelnem ge 
fährlich werden mögen, also daß er darin etwa hart oder stolz 
oder starr werden kann, daß es aber keine Gefahren für das
	        
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